OGH 2Ob3/98z

OGH2Ob3/98z19.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Dr.Rotraud P*****, vertreten durch Dr.Christian Perner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Manfred M*****, vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22.Juli 1997, GZ 41 R 428/97p-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 11.März 1996, GZ 5 C 942/95i-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin kündigte dem Beklagten in einem am 13.9.1995 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz die in einem bestimmten Haus, gemietete Garage Nr.1 "für den letzten Tag des Monats Dezember" gerichtlich auf und beantragte, ihm aufzutragen, den Bestandgegenstand samt Zubehör binnen 14 Tagen nach Ablauf der "oben" angeführten Bestandzeit bei Exekution geräumt zu übergeben oder gegen die Aufkündigung Einwendungen zu erheben. Zur Begründung dieses Begehrens brachte sie vor, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG sei erfüllt, weil sie die gemietete und in ihrem Eigentum stehende Garage für sich selbst benötige. Bei dem Bestandobjekt handle es sich um eine Garage, die vom Mieter zu geschäftlichen Zwecken verwendet werde. Eine außergerichtliche Aufkündigung sei vom Mieter nicht zur Kenntnis genommen worden.

Das Erstgericht erließ mit Beschluß vom 21.September 1995 den beantragten Auftrag, den Bestandgegenstand zu übergeben.

Dagegen erhob der Beklagte Einwendungen und bestritt das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes.

Die Klägerin führte daraufhin aus, das MRG sei auf die gegenständliche Aufkündigung nicht anwendbar, die Aufkündigung sei vielmehr aus Vorsicht erfolgt, der in der Kündigung angesprochene Kündigungstermin sei der letzte Tag des Dezember 1995. Um jeden Zweifel am Termin der Aufkündigung zu beseitigen, sei "das Objekt" außergerichtlich nochmals mit Schreiben vom 7.12.1995 aufgekündigt worden. Die Garage sei gegen jederzeitigen Widerruf vermietet worden.

Der Beklagte bestritt dies und führte aus, auf das Vertragsverhältnis seien die Bestimmungen des MRG anzuwenden, eine außergerichtliche Aufkündigung sei nicht zulässig.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung vom 21.9.1995 auf und wies das Klagebegehren auf Übergabe ab.

Es stellte fest, daß die Klägerin Eigentümerin der strittigen Garage, sei. Sie habe mit dem Beklagten über diese Garage eine Benützungsregelung getroffen, diese 1994 jedoch zurückgenommen. Es sei zwischen den Streitteilen kein Mietvertrag abgeschlossen worden, der Beklagte habe die Garage nur eine Zeit lang mit Zustimmung der Klägerin benützen dürfen. Da ein Bestandvertrag nicht vorliege, seien die Voraussetzungen einer Aufkündigung nicht gegeben.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Zur Rechtsfrage führte es aus, es sei schon nach dem Vorbringen der Klägerin kein Bestandverhältnis gegeben, weil ein solches das Bestehen irgendeiner zeitlichen Bindung der Vertragspartner erfordere. Bei Vereinbarung jederzeitigen Widerrufes liege im Falle der Entgeltlichkeit ein dem mietrechtlichen Kündigungsschutz nicht unterliegender Innominatvertrag vor (Würth in Rummel**2 Rz 4 zu § 1090).

Liege aber kein Bestandvertrag vor, dann könne die Aufkündigung eine Räumungsklage nicht ersetzen (MietSlg 46.709).

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, der Revision keine Folge zu geben; in eventu wird ebenfalls ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist zulässig, weil es zur Frage, ob auf die entgeltliche Überlassung einer Sache gegen jederzeitigen Widerruf sinngemäß die Bestimmungen über die Aufkündigung von Bestandverträgen anzuwenden sind, keine Rechtsprechung gibt; sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, in kündigungsrechtlicher Hinsicht sei ein Innominatvertrag wie ein Bestandvertrag zu behandeln, weshalb die (vorsichtsweise) gerichtliche Aufkündigung zulässig sei. Sei ein Vertragsverhältnis auch nur analog dem MRG zu unterstellen, so müßten grundsätzlich alle Rechtsfolgen des MRG eintreten. Da der geschlossene Innominatvertrag je nach vereinbartem Vertragszweck dem Kündigungsschutz des MRG unterliege oder nicht, sei eine vorsichtsweise eingebrachte Aufkündigung zulässig.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt ein Bestandvertrag das Bestehen irgendeiner zeitlichen Bindung der Vertragspartner voraus. Hat sich aber der Eigentümer der Sache trotz der Entgeltlichkeit des Verhältnisses das Recht vorbehalten, die Rückgabe nach seinem Gutdünken zu verlangen, dann liegt mangels der Voraussetzung der Überlassung der Sache auf eine gewisse Zeit ein Bestandvertrag nicht vor (ImmZ 1958, 275 = JBl 1958, 363).

Die Bestimmungen der §§ 560 f ZPO über die gerichtliche Aufkündigung regeln die Beendigung eines Bestandverhältnisses durch gerichtliche Kündigung. Deren Anwendung setzt daher die in sich widerspruchslose Behauptung eines Bestandvertrages voraus, widrigenfalls die Aufkündigung wegen Unschlüssigkeit aufzuheben ist (WoBl 1992, 143 mwN; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 2 Vor § 560; Binder in Schwimann, ABGB**2 Rz 2 zu § 1116). Eine Aufkündigung, in der behauptet wird, daß kein Bestandverhältnis bestehe und daß die Aufkündigung nur als Vorsichtsmaßnahme erfolge, muß daher ebenfalls aufgehoben werden (MietSlg 39.796; Fasching IV 631 jeweils mwN).

In dem hier zu beurteilenden Fall wurde nach den Behauptungen der Klägerin eine freie Widerruflichkeit der Benützung vereinbart. Im Hinblick auf die vereinbarte Entgeltlichkeit und fehlende zeitliche Bindung liegt ein Innominatvertrag vor. Ein solcher Vertrag ist außerhalb des mietrechtlichen Kündigungsschutzes oder des Schutzes des LPG wirksam; unterläge er allerdings als Mietvertrag dem MRG oder als Pachtvertrag dem LPG, müßte er zur Vermeidung von Umgehungen wie ein Bestandvertrag behandelt werden (Würth in Rummel2 Rz 4 zu § 1090; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 1 MRG Rz 15 jeweils mwN). Dies läßt aber jedenfalls für alle Fälle der entgeltlichen Überlassung des Gebrauches, in denen - wie hier - nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß der Vertrag gesetzlichen Auflösungsbeschränkungen unterliegt, die zumindest analoge Anwendung der §§ 506 ff geboten erscheinen. Verwehrt man nämlich in solchen Fällen demjenigen der die Sache, wenngleich gegen jederzeitigen Widerruf, jedoch gegen Entgelt, einem anderen zum Gebrauch überlassen hat, die Möglichkeit der gerichtlichen Aufkündigung des Vertrages, so besteht die Gefahr, daß er seinen Anspruch auf Rückstellung der zum Gebrauch überlassenen Sache überhaupt nicht durchsetzen kann, weil auch eine Räumungsklage dann nicht Erfolg hat, wenn sich der Beklagte zu Recht auf gesetzliche Beschränkungen der Auflösung des Vertrages beruft.

Der von den Vorinstanzen für die Aufhebung der Aufkündigung herangezogene Grund der Unschlüssigkeit ist sohin nicht zutreffend, weshalb ihre Entscheidungen aufzuheben waren. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Erstgericht auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag den Bestimmungen des MRG unterliegt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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