Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 300,10 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 50,02) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist seit 1991 Hauptmieterin eines Geschäftslokales im Erdgeschoß eines Hauses in Wien-Vösendorf. Mit Untermietvertrag vom 16. 6. 1999 vermietete sie der beklagten Partei einen Teil des Geschäftslokales im Ausmaß von 207 m² inklusive Mitbenützung von Lager, Küche und Sanitärbereich. Der Unterbestandvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vereinbart.
Die Klägerin kündigte der beklagten Partei den Unterbestandvertrag aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 12 MRG mit der Begründung auf, die Fortsetzung des Untermietverhältnisses beeinträchtige wichtige Interessen. Sie benötige aus dringenden betrieblichen Gründen die gesamten Geschäftsräumlichkeiten, somit auch den Untermietgegenstand. Ein Weiterbestand des Untermietverhältnisses sei für sie existenzbedrohend, weil ihr eigener Geschäftsbetrieb grob beeinträchtigt sei und Umsatz und Gewinn drastisch zurückgingen. Es sei betriebswirtschaftlich notwendig, die Produktpalette auszuweiten und zu diesem Zweck eine größere Ausstellungsfläche zu haben. Da die beklagte Partei im Eingangsbereich situiert sei und zwei Drittel der Werbefläche am Portal benütze, sei für Kunden die Existenz der klagenden Partei nur schwer erkennbar.
Die beklagte Partei wendete ein, ihre Geschäftstätigkeit im Rahmen des Untermietverhältnisses beeinträchtige keine wichtigen Interessen der klagenden Partei. Deren schlechte wirtschaftliche Lage sei auf die schlechte Konjunktur und mangelnde Werbetätigkeit zurückzuführen. Die geringere Präsenz der klagenden Partei am Geschäftsportal beruhe auf einer zu unauffälligen Gestaltung der Schriftzüge.
Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam und verpflichtete die beklagte Partei zur Räumung der Geschäftsräumlichkeiten.
Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Die klagende Partei ist Hauptmieterin eines Geschäftslokals in Wien-Vösendorf. Sie verkauft in dem Lokal Ledergarnituren. Ende der 90er-Jahre ging ihr Umsatz zurück, weshalb sie sich dazu entschloss, einen Teil des von ihr gemieteten Objektes als Untermietobjekt der beklagten Partei in Bestand zu geben. Die Überlegung des Geschäftsführers der klagenden Partei war, dass einerseits die von ihr zu entrichtende Miete dadurch reduziert werde und andererseits sich die Streitteile einander ergänzen könnten. Aufgrund dieser Überlegungen wurde am 16. 6. 1999 ein Untermietvertrag, beginnend mit 1. 9. 1999 abgeschlossen; es wurde eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vereinbart.
Vor Eröffnung ihres Geschäftsbetriebes - die beklagte Partei verkauft Küchen - führte die beklagte Partei umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im gesamten von der klagenden Partei gemieteten Bestandobjekt durch. Die äußere Gestaltung des Bestandobjektes wurde zwischen den Streitteilen im Zuge der Renovierung abgestimmt. Im vom Eingang aus rechten Bereich hat die beklagte Partei 15 oder 16 Einbauküchen aufgebaut, im linken Bereich steht eine Reihe von Ledermöbelgarnituren. Der rechts vom Eingang situierte Küchenbereich der beklagten Partei fällt eher ins Auge, was allerdings auch an der helleren Ausleuchtung liegt. Die Gasse, in der sich das Geschäftslokal befindet, macht einen verlassenen, nahezu ausgestorbenen Eindruck.
In den Jahren 1995 bis 1997 betrug der Werbeaufwand der klagenden Partei durchschnittlich zwischen 50.000 und 60.000 S pro Jahr, dieser Betrag wurde im Jahre 2000 verdreifacht. Trotzdem gab es von 1998 auf 1999 einen Umsatzrückgang bei der klagenden Partei in der Höhe von 25 %, von 1999 auf 2000 um weitere 15 %. In guten Jahren verkaufte die klagende Partei jährlich etwa 300 Ledergarnituren, im Jahr 1998 nur noch 164, im Jahr 1999 trotz Umbau des Lokals nur 137, im Jahr 2000 nur noch 99.
Da auch der Verkauf im Jahr 2001 sehr zu wünschen übrig ließ, läuteten beim Geschäftsführer der klagenden Partei im Frühjahr 2001 die "Alarmglocken". Er geht davon aus, dass er seinen Kunden ein großes Warensortiment bieten muss, weshalb er seine Ausstellungsfläche vergrößern möchte. Er möchte im gesamten Bestandobjekt - also inklusive der von der beklagten Partei derzeit genutzten Fläche - Ledergarnituren platzieren, um eine Ausstellungsfläche für möglichst viele Produzenten zu haben. Seine Kalkulation besteht darin, dass dann, wenn das Bestandobjekt nur von der klagenden Partei benutzt wird, einerseits die Präsentationsfläche größer wird und anderseits auch das äußere Erscheinungsbild vor allem auf die klagende Partei ausgelegt wird. Zur Zeit dominiert bei dem gemeinsamen Bestandobjekt außen der Schriftzug einer Küchenmarke.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, wichtige Interessen des Untervermieters, in deren Verletzung der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 12 MRG bestehe, seien alle Momente, die für ihn vom Standpunkt seiner Familieninteressen oder seiner geschäftlichen Bedürfnisse von maßgeblicher Bedeutung seien, ohne dass es sich um Lebensnotwendigkeiten handeln müssen. Dazu gehöre auch der Eigenbedarf, allerdings unter Anlegung eines weniger strengen Maßstabes als bei der Aufkündigung einer Hauptmiete und ohne Interessenabwägung und Ersatzbeistellung. Auch wirtschaftliche Interessen, etwa ein Bedarf nach den Räumen, seien zu berücksichtigen. Auch das Bedürfnis des Untervermieters, die Expansion seines Unternehmens durch Einstellung weiterer Mitarbeiter vornehmen zu können, stelle ein hinreichend wichtiges Interesse des Untervermieters dar, weshalb nicht weiter zu prüfen sei, ob die Betriebserweiterung eine wirtschaftliche Notwendigkeit darstelle. Im vorliegenden Fall habe die klagende Partei die ernsthafte Absicht zur Erweiterung der Ausstellungsfläche für ihre Ledergarnituren nachgewiesen, ob die beabsichtigte Erweiterung wirtschaftlich sinnvoll sei, sei nicht weiter zu prüfen.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
Das Berufungsgericht führte ebenfalls aus, wichtige Interessen des Untervermieters, in deren Verletzung der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 12 MRG bestehe, seien alle Momente, die für den Untervermieter vom Standpunkt seiner Familieninteressen oder seiner geschäftlichen Bedürfnisse von maßgeblicher Bedeutung seien, ohne dass es sich geradezu um Lebensnotwendigkeiten handeln müsse. Zu diesen Interessen gehöre auch der Eigenbedarf, aber unter Anlegung eines weniger strengen Maßstabes als bei der Aufkündigung einer Hauptmiete und ohne Interessenabwägung oder Ersatzbeistellung (RIS-Justiz RS0070689; zuletzt 9 Ob 51/00s = MietSlg 52.428; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 30 MRG Rz 57). Daraus folge, dass auch wesentliche wirtschaftliche Interessen des Untervermieters den Kündigungsgrund verwirklichten, ohne dass der bei Auflösung eines Hauptmietverhältnisses anzulegende strenge Maßstab anzuwenden sei. Das Bedürfnis, die Expansion seines Unternehmens durch Einstellung weiterer Mitarbeiter vornehmen zu können, stelle ein hinreichend wichtiges Interesse des Untervermieters dar, sodass, wenn die ernsthafte Absicht der Erweiterung erwiesen sei, nicht mehr zu prüfen sei, ob die Betriebserweiterung eine wirtschaftliche Notwendigkeit darstelle (LGZ Wien MietSlg 47.409).
Im vorliegenden Fall beabsichtige die klagende Partei ihre Verkaufs- und Ausstellungsflächen zu erweitern, um ein größeres Warensortiment anbieten zu können und die Werbefläche am Portal für sich allein zu nutzen. Sie gehe davon aus, dadurch der stark rückläufigen Umsatztendenz in den letzten Jahren entgegenwirken zu können. Sie habe ihre ernsthafte Erweiterungsabsicht nachgewiesen. Sei aber bei Aufkündigung eines Untermietverhältnisses nach § 30 Abs 2 Z 12 MRG wegen Eigenbedarfs die Notwendigkeit der beabsichtigten Betriebserweiterung nicht zu prüfen, habe für die Frage der betriebswirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieser Erweiterung das Gleiche zu gelten, zumal der Plan eines Unternehmers, durch Vergrößerung von Ausstellungs- und Werbeflächen höhere Umsätze zu erzielen, nicht offenkundig aussichtslos erscheine.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil die über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsame Frage, ob der Untervermieter, der seinen Betrieb erweitern wolle, neben der ernsthaften Absicht dieser Erweiterung auch die Notwendigkeit und die (objektive) betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit dieser Erweiterung nachzuweisen habe, bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei zwar in der Regel nicht Aufgabe des Gerichtes, autonome Entscheidungen eines Unternehmers auf ihre wirtschaftliche Sinnhaftigkeit zu prüfen. Eine Grenze dieser Regel sei aber dort zu sehen, wo wirtschaftliche Interessen eines Vertragspartners verletzt werden und ein schwerer wirtschaftlicher Vermögensnachteil geradezu auf der Hand liege. Die ausnahmsweise Notwendigkeit einer sachlichen Prüfung ergebe sich schon daraus, dass der Tatbestand des Eigenbedarfes voraussetze, dass der Untervermieter das Bestandobjekt dringend benötige. Diese postulierte Dringlichkeit könne nur bedeuten, dass der Bedarf einerseits "akut" sei und anderseits auch sachlich gerechtfertigt sein müsse. Neben dem Gebot einer Dringlichkeit sei aber auch die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die auf einen fairen Interessenausgleich beider Vertragspartner hinauslaufe. Demnach erzwinge der vom Gesetzgeber gewünschte Interessenausgleich eine Prüfung der sachlichen Rechtfertigung und wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit eines Eigenbedarfs nach objektiven Kriterien.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Grundsätzlich kann gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die richtigen Ausführungen des Berufungsgerichtes hingewiesen werden. Auch die geplante Expansion eines Unternehmens stellt ein wichtiges Interesse des Untervermieters im Sinne des § 30 Abs 2 Z 12 MRG dar (siehe auch Reiber/Liehl, Die Kündigung im Mietrecht, Rz 270). Es kann aber nicht im Kündigungsstreit die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der geplanten Erweiterung beurteilt werden. Wenn der Untervermieter eine solche Expansion plant und sie nicht nur (oder überwiegend) dazu dient, den Untermieter loszuwerden - die Kündigung also rechtsmissbräuchlich wäre -, stellt der dadurch herbeigeführte Bedarf an den untervermieteten Räumen einen Kündigungsgrund im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar. Eine Interessenabwägung hat dabei, wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht zu erfolgen (siehe hiezu auch Schuster in Schwimann² ABGB IV § 30 MRG Rz 49).
Es war daher der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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