Normen
ABGB §1327
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
ZPO §228
ABGB §1327
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
ZPO §228
Spruch:
Ein Feststellungsbegehren, der Beklagte hafte für die Leistungen des Sozialversicherungsträgers an die mj. Kinder des Getöteten zu 25% des von diesem jeweils erzielbaren Einkommens, ist nicht zulässig, weil es lediglich die Anpassung des mit der Entscheidung über das Leistungsbegehren zugesprochenen Betrages an künftige Änderungen der Verhältnisse bezweckt
Daß das uneheliche Kind im Zeitpunkt der Tötung des Vaters noch nicht geboren war und daher für dieses noch kein Unterhalt geleistet wurde, hat nicht die Folge, daß kein Deckungsfonds besteht, denn es war mit Sicherheit vorauszusehen, daß der Getötete für dieses Kind Unterhalt werde leisten müssen wenn die Kindesmutter schon im Zeitpunkt des Todes des Vaters die Absicht hatte, eine Erhöhung des Unterhaltes für das Kind zu beantragen, und dieser Antrag zweifellos Erfolg gehabt hätte, ist von diesem erhöhten Unterhalt auszugehen
Entscheidung vom 3. März 1966, 2 Ob 36/66
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck
Text
Am 4. Mai 1962 wurde Walter Th. bei einem Verkehrsunfall getötet. Der Beklagte wurde wegen fahrlässiger Herbeiführung des Unfalles vom Strafgericht verurteilt. Der klagende Sozialversicherungsträger erbringt an die beiden außerehelichen Kinder des Walter Th. Leistungen, deren Ersatz er vom Beklagten begehrt. Mit dem Leistungsbegehren verband er ein Feststellungsbegehren.
Der Erstrichter sprach dem Kläger 478.40 S s. A. sowie einen monatlichen Betrag von 600 S zu. Das Mehrbegehren von 7150 S sowie das Rentenmehrbegehren wies er ab. Desgleichen wies er das Feststellungsbegehren ab. Er stellte u. a. fest: Walter Th. verpflichtete sich mit Vergleich vom 11. September 1959, für die mj. Christiane R. einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 200 S zu bezahlen. Er hatte damals ein Monatseinkommen von 1400 S. Die Kinderbeihilfen bezog die Kindesmutter selbst. An dieser Unterhaltsleistung änderte sich nichts bis zum Tode des Walter Th. Das zweite außereheliche Kind, der mj. Georg N., wurde am 16. Dezember 1962, also nach dem Tode des Walter Th. geboren. Walter Th. hatte während der letzten vier Monate vor seinem Tode einen Monatsverdienst von 1963 S netto. Eine Aufstiegsmöglichkeit gab es für ihn bei seinem letzten Dienstgeber nicht. Wohl aber hätte sich im Jahre 1964 der Stundenlohn von 12 S auf 14 S und damit der monatliche Verdienst auf 2240 S erhöht. Die Mutter der mj. Christiane R. hatte die Absicht, wegen der allgemeinen Teuerung eine Erhöhung des Unterhaltes von monatlich 200 S auf 300 S zu beantragen, doch kam es wegen des Unglücksfalles nicht mehr dazu.
Der Erstrichter war der Ansicht, Walter Th. hätte für die mj. Christiane R. ab 1. Juni 1964 monatlich 300 S zahlen müssen.
Einen gleich hohen Betrag hätte er, wenn er am Leben geblieben wäre für den mj. Georg N. ab dessen Geburt leisten müssen. Der Betrag von 600 S monatlich stelle daher den Deckungsfonds für den Regreßanspruch der Klägerin dar. Da allfällige künftige Änderungen der Unterhaltsleistung von verschiedenen im einzelnen nicht vorhersehbaren Faktoren abgehangen wären, fehle es an den Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Feststellung, der Beklagte sei dem Kläger für dessen an die beiden minderjährigen Kinder zu erbringenden Leistungen zu 25% des von Walter Th. jeweils erzielbaren Einkommens ersatzpflichtig.
Die vom Kläger und vom Beklagten gegen das Urteil der ersten Instanz erhobenen Berufungen blieben ohne Erfolg.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision beider Streitteile nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Daß der mj. Georg N. im Zeitpunkt der Tötung des Walter Th. noch nicht geboren war und daß daher damals für dieses Kind noch kein Unterhalt geleistet wurde, hat nicht zur Folge, daß hinsichtlich dieses Kindes ein Deckungsfonds überhaupt nicht besteht. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die im Unfallszeitpunkt gegebenen Verhältnisse mit Sicherheit voraussehen ließen, Walter Th. werde für dieses Kind nach dessen Geburt Unterhalt leisten müssen. Es muß daher auch hinsichtlich dieses Kindes das Bestehen eines Deckungsfonds bejaht werden. Hinsichtlich der mj. Christiane R. gehen die Ausführungen des Beklagten an der Feststellung der Vorinstanzen vorbei, daß sich die Kindesmutter bereits im Unfallszeitpunkt dazu entschlossen hatte, im Hinblick auf die allgemeine Teuerung eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages von monatlich 200 S auf monatlich 300 S zu begehren. Daß dieser Antrag Erfolg gehabt hätte, kann bei den gegebenen Verhältnissen nicht zweifelhaft sein. Die Annahme der Vorinstanzen, Walter Th. hätte, wenn er weiter am Leben geblieben wäre, für beide Kinder zusammen monatlich 600 S Unterhalt zahlen müssen, erscheint daher unbedenklich.
Die Ausführungen des Klägers, das monatliche Nettoeinkommen des Walter Th. wäre mit einem höheren als dem von den Vorinstanzen festgestellten Betrag anzunehmen gewesen, stellen ebenso wie die Ausführungen des Beklagten, das Einkommen des Walter Th. wäre lediglich mit 1963 S monatlich zu veranschlagen gewesen, in Wahrheit nur eine im Revisionsverfahren nicht mehr zulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar. Das gilt insbesondere auch von den Ausführungen des Klägers, die sich mit der Behandlung der behaupteten Aufstiegsmöglichkeiten des Walter Th. durch die Vorinstanzen befassen. Von einem Verfahrensmangel in diesem Belange kann nicht gesprochen werden.
Die Feststellung der Vorinstanzen, in dem Betrag von monatlich 200 S, den Walter Th. für die mj. Christiane R. geleistet hat, sei die Kinderbeihilfe nicht enthalten, weil diese von der Kindesmutter selbst bezogen worden sei, ist durch die Beweisergebnisse gedeckt. Von einer Aktenwidrigkeit kann keine Rede sein.
Als ungerechtfertigt erweisen sich auch die Ausführungen der Klägerin, die sich gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens richten. Im Schadenersatzprozeß, der sich auch auf künftig zu erbringende Leistungen erstreckt, wird zwar das Interesse des Geschädigten an der Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers hinsichtlich erst künftig eintretender, vom Leistungsbegehren nicht erfaßter Schäden in der Regel zu bejahen sein. Im vorliegenden Falle wird jedoch nicht die Feststellung begehrt, daß der Beklagte dem Kläger für künftige, vom Leistungsbegehren nicht erfaßte Schäden im Rahmen des Deckungsfonds ersatzpflichtig sei. Das Feststellungsbegehren lautet nämlich dahin, daß der Beklagte dem Kläger für dessen Leistungen an die beiden mj. Kinder zu 25% des von Walter Th. jeweils erzielbaren Einkommens ersatzpflichtig sei. Was damit gemeint ist, zeigt deutlich der im Feststellungsbegehren enthaltene Passus, daß der Beklagte derzeit monatlich 800 S, nämlich 25% des (vom Kläger behaupteten) Nettoeinkommens des Walter Th. von monatlich 3200 S zu ersetzen habe. Der Kläger strebt also mit seinem Feststellungsbegehren nur die Modifizierung des Ausspruches über das Leistungsbegehren an, und zwar dahingehend, daß der Beklagte für die Leistungen des Klägers einen Betrag in Höhe von 25% des Einkommens, das Walter Th. jeweils hätte erzielen können, zu ersetzen habe. Ein solches Begehren, das nicht die Feststellungen der Ersatzpflicht hinsichtlich der vom Leistungsbegehren noch nicht erfaßten künftigen Schäden bezweckt, sondern die Anpassung des mit der Entscheidung über das Leistungsbegehren zugesprochenen Betrages an künftige Änderungen der Verhältnisse zum Ziele hat, kann nicht Gegenstand einer neben die Leistungsklage tretenden Feststellungsklage sein.
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