Normen
ABGB §1168
ABGB §1336
Handelsagentengesetz §6
Handelsagentengesetz §29
ABGB §1168
ABGB §1336
Handelsagentengesetz §6
Handelsagentengesetz §29
Spruch:
Auch ein zeitlich befristeter Alleinvermittlungsauftrag ist ein Mäklervertrag. Die Bestimmungen über den Werkvertrag - insbesondere § 1168 ABGB. - sind daher nicht analog anwendbar.
Die für den Fall des durch Verschulden oder unrichtige Angaben des Geschäftsherrn oder durch Widerruf des Auftrages unterbliebenen Vertragsabschlusses bedungene "Provision" unterliegt dem richterlichen Mäßigungsrecht. In der Einwendung der Unsittlichkeit des Übereinkommens ist das Verlangen nach Mäßigung inbegriffen.
Der Vermittler hat gegen den Geschäftsherrn keinen Anspruch auf Abschluß des Geschäftes, doch kann die Unterlassung des Geschäftsabschlusses, um den Agenten um die Provision zu bringen, einen Schadenersatzanspruch begrunden.
Entscheidung vom 9. April 1952, 2 Ob 35/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Am 5. Jänner 1951 erteilte die Beklagte der klagenden Partei, einer konzessionierten Geschäftsvermittlung, schriftlich folgenden Vermittlungsauftrag:
"Ich beauftrage Sie hiemit, mir den Verkauf meiner Gastwirtschaft in Wien, ... Straße Nr. X, zu dem Mindestpreis von 70.000 S zu vermitteln, und verpflichte mich, falls ich mit einem von Ihnen namhaft gemachten Interessenten abschließe oder der Abschluß durch Ihre Intervention getätigt wird, bei Unterschrift des Kaufvertrages 5% des Kaufpreises bzw. einen Mindestbetrag von 3500 S als Vermittlungshonorar an Sie zu bezahlen. Die Alleinvermittlungsdauer für diesen Antrag ist mit einem halben Jahr befristet. Für diesen Auftrag wird gleichzeitig Abschlußvollmacht erteilt.
Sollte lediglich durch mein Verschulden, durch unrichtige Angaben oder durch Widerruf der Vertragsabschluß unterbleiben oder während der Dauer des Alleinvermittlungsauftrages ein Abschluß ohne Ihre Intervention erfolgen, so hafte ich Ihnen für die Gesamtprovision einschließlich der von einem Interessenten allenfalls bereits schriftlich bestätigten Vermittlungsprovision."
Am 8. Jänner 1951 sprach der Ehemann der Beklagten im Vermittlungsbüro vor, ließ sich den Auftragsschein zeigen, nahm ihn gewaltsam an sich und widerrief den Verkaufsauftrag. Im April 1951 wurde ohne Mitwirkung der klagenden Partei das Geschäft verkauft. Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Betrages von 3500 S.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
Das Berufungsgericht sprach der klagenden Partei nur die Hälfte des eingeklagten Betrages zu und wies das Mehrbegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte haben festgestellt, daß der von der beklagten Partei erteilte und von der klagenden Partei angenommene Vermittlungsauftrag vom Gatten der Beklagten in deren Namen schon einige Tage danach widerrufen wurde. Das Erstgericht folgerte daraus, daß die beklagte Partei laut Inhalt des Vertrages die Verpflichtung zur Bezahlung der Provision treffe. Wenn diese Verpflichtung wirtschaftlich hart empfunden werde, so sei doch nicht zu übersehen, daß die beklagte Partei diesen wirtschaftlichen Nachteil selbst verschuldet habe. Der Einwand der Sittenwidrigkeit sei nicht gerechtfertigt.
Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes nimmt zum Einwand der beklagten Partei, daß die klagende Partei eine Vermittlungsprovision nicht fordern könne, weil sie eine Vermittlungstätigkeit nicht entfaltet habe, mit folgenden Ausführungen Stellung: Wohl sei es richtig, daß beim Mäklervertrag der Provisionsanspruch grundsätzlich vom Abschluß des Geschäftes abhänge, sodaß der Mäkler keinen Anspruch auf Provision habe, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt. Das schließe jedoch nicht aus, daß zwischen Auftraggeber und Mäkler andere Vereinbarungen getroffen werden und daß insbesondere der Mäkler sich die volle Provision für den Fall ausbedingen könne, daß das Geschäft nicht zustande kommt, weil z. B. der Auftraggeber den Auftrag widerruft. Die Verpflichtung, bei Widerruf des Auftrages die volle Provision zu bezahlen, betreffe zwar kein Reugeld, doch hafte ihr der Charakter einer Konventionalstrafe nach § 1336 ABGB. an, die der richterlichen Mäßigung unterliege, deren Anwendung die beklagte Partei in erster Instanz schon durch die Bestreitung des klägerischen Anspruches, insbesondere aber durch die Einwendung der Unsittlichkeit des Übereinkommens, geltend gemacht habe. Die Einwendung der beklagten Partei, daß die getroffene Vereinbarung einer Art Konventionalstrafe an sich gegen die guten Sitten verstoße, sei nicht zutreffend, wohl aber könnten unter Umständen die Auswirkungen dieser Vereinbarung unsittlich sein, wenn das richterliche Mäßigungsrecht nicht mildernd eingreife. Auch die klagende Partei habe nicht behauptet, daß sie bis zum Widerruf des Auftrages für die beklagte Partei eine wesentliche Vermittlertätigkeit entfaltet habe, was bei der kurzen Frist seit Erteilung des Auftrages auch nicht anzunehmen sei. Es würde nun gerade unter diesen Umständen gegen die guten Sitten verstoßen, der klagenden Partei bereits die volle Provision in der Höhe von 3500 S zuzuerkennen. Anderseits sei aber zu berücksichtigen, daß das Verschulden an dem nicht auf den zeitlich befristeten Alleinvermittlungsauftrag die Beklagten und deren Gatten liege. Es entspreche daher der Billigkeit, die Beklagte bloß zur Bezahlung der halben Provision zu verhalten.
Der Rechtsrüge der Revision ist nicht beizutreten, wenn sie auf den zeitlich befristeten Alleinvermittlungsauftrag die Bestimmungen über den Werkvertrag, insbesondere § 1168 ABGB., analog angewendet wissen will. Auch eine solche Vereinbarung ist ein Mäklervertrag, der sich vom Werkvertrag dadurch unterscheidet, daß er ein einseitig entgeltlicher Vertrag ist, demzufolge der Auftraggeber für die Vermittlung eines Rechtsgeschäftes eine Provision (den Mäklerlohn) zu entrichten hat, während der Mäkler zur Aufsuchung und Namhaftmachung eines Vertragslustigen nicht verpflichtet und daher auch zur Entfaltung einer Tätigkeit nur bei besonderer Zusage, die gegebenenfalls gar nicht vorliegt, verbunden ist. Der Mäklervertrag ist im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelt, wohl aber finden nach § 29 HAG. die dort aufgezählten Bestimmungen dieses Gesetzes auf diesen Vertrag Anwendung (Adler, Höller in Klang, 2. Auflage, zu §§ 1165 ff., S. 377; Ehrenzweig, System, Schuldverhältnisse, 1928, S. 531). Kommt das Geschäft nicht zustande, so steht dem Mäkler keine Provision zu, also nicht für bloße Bemühungen. Diese bilden sein Risiko. Der Mäkler ist eben kein Lohnarbeiter, sondern ein Unternehmer, den ein gelungenes Geschäft für viele fehlgeschlagene entschädigen muß. Dies gilt selbst dann, wenn der Mäklervertrag nur die Bemühungen des Mäklers erwähnt, weil der Geschäftsabschluß als selbstverständlich vorausgesetzt wird.
Der Auslegung, die das angefochtene Urteil dem letzten Absatz des schriftlichen Vermittlungsauftrages gibt, dahingehend, daß mit der Vereinbarung der Haftung des Auftraggebers für die Provision in dem Falle, als durch sein (des Auftraggebers) Verschulden, durch unrichtige Angaben oder durch Widerruf der Vertragsabschluß unterbleibt, oder während der Dauer des Alleinvermittlungsauftrages ein Abschluß ohne Intervention des Alleinvermittlers erfolgt, eine Art Konventionalstrafe im Sinne des § 1336 ABGB. vertraglich begrundet wurde, kann gefolgt werden, wenn erwogen wird, daß sich die Haftung für die Provisionszahlung durchwegs auf Fälle verschuldeter Vereitlung, wozu auch der Widerruf und der Abschluß des Geschäftes hinter dem Rücken des Alleinvermittlers trotz Alleinverkaufsauftrages und Abschlußvollmacht gehören, bezieht. Diese im Vertrage vom Vermittler vorbehaltene Sicherung gegen Vertragsuntreue des anderen Teiles ist ihrem Wesen nach gewiß mit einem Übereinkommen zu vergleichen, "daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art erfüllten Versprechens anstatt des zu vergütenden Nachteiles ein bestimmter Geldbetrag entrichtet werden soll". Die Konventionalstrafe ist nichts anderes als die Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung zur Abgeltung des dem Gläubiger zugefügten Nachteiles verspricht. Die Höhe des Schadens bedarf keines Nachweises, die Vertragsstrafe verfällt sogar, wenn aus der Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung kein Schaden erwachsen ist. Wenn die Revision behauptet, der Widerruf sei kein "Verschulden", da sich der Auftraggeber nicht einmal bedingt zu einem Geschäftsabschluß verpflichte, so widerspricht sie sich selbst, denn auf Seite 63 behauptet sie im Gegensatz zum später Gesagten, daß der Widerruf einen Spezialfall "verschuldeter Vermittlung" darstellt. Diese Auslegung ist richtig, wenn auch, wie bereits erwähnt, den Auftraggeber keine Verpflichtung zum Abschluß des Geschäftes trifft. Der Vermittler hat gegen den Geschäftsherrn keinen Anspruch auf Abschluß des Geschäftes (Rsp. 1929, Nr. 202; GH. 1933, S. 102). Wohl aber kann die Unterlassung des Geschäftsabschlusses, um den Agenten um die Provision zu bringen, einen Schadenersatzanspruch des letzteren begrunden (Rsp. 1926, Nr. 2). Zuzustimmen ist der Revision lediglich insoferne, als das angefochtene Urteil den Klagsanspruch unter dem Gesichtspunkte des Vertragsabschlusses ohne Intervention der klagenden Partei, auf welchen Fall das Klagebegehren gleichfalls gestützt wurde, nicht erörtert hat. Nach dem oben Dargelegten wird jedoch auch bei Einbeziehung der zweiten Variante an dem Ergebnis nichts geändert, weil auch diesfalls verschuldete Ausschaltung des Vermittlers vom Vertragsabschluß vorliegt.
Wird nun davon ausgegangen, daß in der von der beklagten Partei übernommenen Haftung eine Vertragsstrafe nach § 1336 ABGB. gesehen werden muß, dann greift das richterliche Mäßigungsrecht ein, wenn es die Billigkeit erheischt. Übermäßigkeit der Vertragsstrafe liegt insbesondere vor, wenn der erlittene Schaden unverhältnismäßig kleiner ist als der Vergütungsbetrag. Die Mäßigung hat aber nicht erst dann zu erfolgen, wenn die Verpflichtung zur Zahlung des Vergütungsbetrages das wirtschaftliche Verderben des Schuldners herbeizuführen droht. Sie erfolgt nur auf Verlangen des Schuldners, nicht von Amts wegen; es genügt indessen, wenn der Schuldner den Anspruch als solchen bestreitet, doch muß er die Übermäßigkeit erweisen. Auch wenn der Schuldner Unsittlichkeit des Übereinkommens einwendet, liegt darin das Verlangen nach Mäßigung inbegriffen. Eine solche ist nur bei Handelsgeschäften ausgeschlossen (§ 348 HGB., Wolff bei Klang, 2. Auflage, zu § 1336, S. 189). Die von dieser Auffassung abweichende der Revision wird von Lehre und Rechtsprechung nicht geteilt. Im gegenständlichen Falle hat das Berufungsgericht unangefochten angenommen, daß die klagende Partei wegen der kurzen Frist, die zwischen Auftragserteilung und Widerruf verstrichen war, fast keine Vermittlungstätigkeit entwickelt hat, sodaß der Vergütungsbetrag in gar keinem Verhältnis zur geringfügigen Leistung der klagenden Partei steht. Wenn es der Zweck des richterlichen Mäßigungsrechtes ist, den Schuldner vor einer ungerechtfertigten Ausbeutung zu schützen (E. v. 11. Oktober 1905, GlUNF. 3642; Swoboda, Recht der Schuldverhältnisse, S. 68), dann ist der vorliegende Fall, in welchem vom Vermittler eine Tätigkeit kaum eingeleitet wurde, ehe es zum Widerruf kam, danach angetan, der beklagten Partei durch Mäßigung des bedeutenden Betrages von 3500 S Schutz zu bieten. Das Revisionsgericht erachtet, daß die Annahme des Berufungsgerichtes über das Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung eine Kürzung der Vergütung um die Hälfte sehr wohl rechtfertigt.
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