Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 20. April 1987 verstorbene Peter D***** hinterließ den am 22. Oktober 1987 geborenen außerehelichen Sohn Peter R*****. Dieser brachte am 13. November 1987 gegen die Verlassenschaft nach Peter D***** die Klage auf Feststellung der Vaterschaft ein. Mit Urteil vom 4. Jänner 1988 wurde Peter D***** als Vater des am 22. Oktober 1987 unehelich geborenen Kindes Peter R***** festgestellt.
In der im Abhandlungsverfahren aufgenommenen Verhandlungsschrift vom 1. März 1988 wurde festgehalten, dass der Erblasser ledig war und als einzigen Nachkommen den mj. Peter R***** hinterlassen hat, die Vaterschaft sei anerkannt (richtig: festgestellt). Da eine letztwillige Verfügung nicht vorhanden sei, sei nach der gesetzlichen Erbfolge Peter R***** der Universalerbe.
Mit Beschluss vom 3. März 1988 (ON 7) hat das Erstgericht unter anderem die bedingte Erbserklärung des mj. Peter R***** angenommen, das Inventar genehmigt und den Gerichtskommissär angewiesen, den nach Abzug der Kosten des Verlassenschaftsverfahrens verbleibenden Betrag auf ein Sperrkonto zugunsten des mj. Peter R***** einzuzahlen. Mit Einantwortungsurkunde vom selben Tag (ON 8) wurde der Nachlass des am 20. April 1987 verstorbenen Peter D***** seinem außerehelichen Sohn mj. Peter R***** auf Grund seiner bedingten Erbserklärung zur Gänze eingeantwortet und die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt.
Die Beschlüsse wurden den Eltern des Verstorbenen nicht zugestellt. Nach dem Tode des Vaters erhob die Mutter von Peter D***** Rekurs gegen die oben wiedergegebenen Beschlüsse des Erstgerichtes. Diesen wurde mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge gegeben; das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 260.000,- -, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.
Das Rekursgericht führte aus, Umfang und Inhalt der gesetzlichen Erbfolge sowie des Pflichtteilsrechtes seien nach der Rechtslage zur Zeit des Erbfalles zu beurteilen; dies gelte auch für das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht des unehelichen Kindes gegenüber seinem Vater.
Gemäß § 754 Abs 2 ABGB in der 1987 geltenden Fassung habe ein Erbrecht des unehelichen Kindes vorausgesetzt, dass die Vaterschaft vor dem Tode des Vaters festgestellt worden sei, außer das Kind sei zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig gewesen; in diesem Fall habe es genügt, dass die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden sei.
Der mj. Peter R***** sei erst nach dem Tode seines Vaters geboren worden. Es habe für ihn keine Möglichkeit gegeben, sich zu Lebzeiten des Erblassers um eine Feststellung der Abstammung zu bemühen. Zum Zeitpunkte des Todes des Vaters sei er aber zweifellos bereits gezeugt gewesen. Die Rechte des bereits gezeugten, aber noch nicht geborenen Embryo (nasciturus) sei im § 22 ABGB geregelt. Diese Bestimmung verleihe dem nasciturus eine bedingte und beschränkte Rechtsfähigkeit insofern, als sie von der Lebendgeburt abhängig sei und der nasciturus nur so weit rechtsfähig sei, als es um seine Rechte gehe. Der bei Erbanfall Gezeugte zähle zu den gesetzlichen Erben, zu seinen Gunsten könne testiert werden, er könne durch Vermächtnis bedacht werden. Auf Grund dieser Geborenenfiktion genüge es im vorliegenden Fall, dass die Klage auf Feststellung der Vaterschaft rechtzeitig im Sinne des § 754 Abs 2 ABGB eingebracht worden sei. Dem mj. Peter R***** sei daher auch nach der damaligen Rechtslage ein Erbrecht zugestanden.
Die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, dass zur maßgeblichen Frage des Erbrechtes eines nach dem Tode des Erblassers geborenen unehelichen Kindes nach der damaligen Rechtslage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Dagegen richte sich der Revisionsrekurs der Mutter des Verstorbenen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Beschlüsse des Erstgerichtes aufgehoben und diesem die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens mit der gesetzlichen Erbin aufgetragen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
In dem Revisionsrekurs macht die Mutter des Verstorbenen geltend, es sei nicht richtig, dass Peter R***** zweifellos zum Zeitpunkte des Todes des Vaters bereits gezeugt gewesen sei. Der mj. Peter R***** sei 185 Tage nach dem Tod des Erblassers geboren worden. Es sei daher gemäß § 163 ABGB möglich, dass er noch fünf Tage nach dem Ableben des Erblassers gezeugt worden sei. Es stehe daher nicht mit Gewissheit fest, dass er am Sterbetag des Erblassers bereits gezeugt war.
Der Begriff des unehelichen Kindes im § 756 ABGB in der Fassung BGBl 342/1970 sei nicht einfach dem Ersten Teil des ABGB entnommen, so wie dies im § 732 ABGB beim Begriff "eheliche Kinder" der Fall sei. Der vom Gesetzgeber verwendete Begriff "eheliche Kinder" im erbrechtlichen Sinn sei deckungsgleich mit dem Begriff der ehelichen Kinder des Personenrechtes im Sinne der §§ 138 ff ABGB, nicht aber der Begriff "uneheliche Kinder" im erbrechtlichen Sinne deckungsgleich mit dem des Personenrechtes der §§ 163 ff ABGB. Der Gesetzgeber habe also nicht allen unehelichen Kindern ein gesetzliches Erbrecht einräumen wollen, sondern habe die Erbfähigkeit der unehelichen Kinder durch § 756 Abs 2 ABGB stark eingeschränkt. Es sei im Jahre 1970 den auf erbrechtliche Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen bedachten liberalen linksgerichteten Kräften nur möglich gewesen, dem Gesetzgeber eine Regelung abzuringen, die unter Schaffung einer gewissen Rechtsschutzgarantie für die bevorzugten ehelichen Verwandten, die Erbfähigkeit unehelicher Kinder doch erheblich einschränke. Diese Einschränkung gehe als lex specialis der Bestimmung des § 22 ABGB vor, weil der Gesetzgeber im 13. Hauptstück des Zweiten Teiles des ABGB eine eigene Defintion des unehelichen Kindes im erbrechtlichen Sinne aufgestellt habe. Es sei eben nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, allen unehelichen Kindern ein gesetzliches Erbrecht einzuräumen, sondern sei die Erbfähigkeit auf jene Kinder eingeschränkt worden, deren Vaterschaft vor dem Tode des Vaters festgestellt worden sei, außer das Kind sei zu dieser Zeit noch minderjährig. Wenn also das Kind nach dem Tode des Vaters geboren worden sei, stehe ihm nach dem klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers kein Erbrecht zu. Auf keinen Fall habe der Gesetzgeber im Jahre 1970 allen unehelichen Kindern ein gesetzliches Erbrecht gegenüber ihren unehelichen Vätern einräumen wollen.
Eine Befristung der Klagemöglichkeit durch den einfachen Gesetzgeber bilde auch keine Verfassungswidrigkeit. Im Interesse der Rechtssicherheit solle eben bei gesetzlicher Erbfolge für die nahen Angehörigen des Erblassers nach einer vom einfachen Gesetzgeber festgesetzten Frist die Gewissheit bestehen, dass ihnen nicht das Erbe von einem völlig unbekannten unehelichen Kind streitig gemacht werde.
Hiezu wurde erwogen:
Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Umfang und Inhalt der gesetzlichen Erbfolge sowie des Pflichtteilsrechtes nach der Rechtslage zur Zeit des Erbfalles zu beurteilen; dies gilt auch für das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht des unehelichen Kindes gegenüber seinem Vater (5 Ob 1587/90).
Die maßgebliche Bestimmung des § 754 Abs 2 ABGB lautete in der Fassung des BG über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl Nr. 342/1970 wie folgt:
"Zum Nachlass des Vaters, dessen Vaterschaft festgestellt ist, hat ein uneheliches Kind, vorbehaltlich der Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht der Witwe (§ 757 Abs 2 erster Satz), ein gesetzliches Erbrecht wie ein eheliches Kind, doch gehen ihm die ehelichen Nachkommen und die diesen erbrechtlich Gleichgestellten vor. Dieses gesetzliche Erbrecht des unehelichen Kindes wird durch eine Feststellung im Sinne des § 164b Abs 1 zweiter Satz nicht berührt. Die Vaterschaft muss vor dem Tode des Vaters festgestellt worden sein, außer das Kind ist zu dieser Zeit noch minderjährig; in diesem Fall genügt es, dass die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden ist."
Mit Erkenntnis vom 28. Februar 1991, G 73/90, VfSlg 12.645, stellte der Verfassungsgerichtshof (wenngleich nicht im Anlassfall) fest, dass der letzte Halbsatz dieser Bestimmung - "; in diesem Falle genügt es, dass die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden ist - " verfassungswidrig ist.
Gemäß § 163b ABGB wirkt die Feststellung der Vaterschaft gegenüber jedermann, der mj. Peter R***** muss daher, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, zum Zeitpunkte des Todes seines Vaters bereits gezeugt gewesen sein. Gemäß § 22 ABGB zählt der bei Erbanfall Gezeugte zu den gesetzlichen Erben, zu seinen Gunsten kann testiert werden, er kann durch Vermächtnis bedacht werden (Aicher in Rummel3 ABGB, Rz 7 zu § 22); dem bereits gezeugten Ungeborenen fällt die Erbschaft unter der Bedingung seiner Lebendgeburt wie einem Geborenen zu (Welser in Rummel3, Rz 2 zu § 536). Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht stand daher dem nasciturus auch - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - das gesetzliche Erbrecht nach § 754 Abs 2 ABGB zu. Durch diese Bestimmung sollte, wie sich aus der Regierungsvorlage (6 BlgNR 12. GP) ganz eindeutig ergibt, dem unehelichen Kind zum Nachlass des Vaters ein gesetzliches Erbrecht wie einem ehelichen eingeräumt werden. Von dieser Regel wurden zwei - hier allerdings nicht relevante - Ausnahmen gemacht: Durch den Vorbehalt der Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten und die Anordnung, dass die ehelichen Nachkommen und die diesen erbrechtlich Gleichgestellten vorgehen. Während die Regierungsvorlage eine Befristung noch nicht vorgesehen hatte, wurde eine solche auf Grund des Berichtes des Justizausschusses (155 BlgNR 12. GP) eingeführt. Es ist aber weder dem Bericht des Justizausschusses noch dem Gesetz selbst zu entnehmen, dass dadurch einem nasciturus das gesetzliche Erbrecht zum unehelichen Vater verweigert werden sollte. Der Gesetzgeber wollte lediglich das Entstehen neuer Erbberechtigungen nach dem Tod des Erblassers wegen der Gefahr von Missbräuchen vermeiden, Minderjährigen aber doch noch eine Chance eröffnen, ihre Abstammung nachzuweisen (vgl VfSlg 12.645).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass dem mj. Peter R***** das gesetzliche Erbrecht nach § 754 Abs 2 ABGB zukam.
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