OGH 2Ob339/01v

OGH2Ob339/01v30.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg T*****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Haimo Puschner, Mag. Martin Spernbauer und Mag. Nikolaus Rosenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 56.815,29 (S 781.795,50) sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. September 2001, GZ 3 R 19/01p-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 15. November 2000, GZ 23 Cg 240/99s-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.811,21 (darin enthalten EUR 300,56 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt Zahlung von (zuletzt) S 781.795,50. Sein Vater sei Alleingesellschafter der protokollierten Firma Albert P***** gewesen, die bei der beklagten Partei (als Rechtsnachfolgerin der Ö***** AG) zum Bilanzstichtag 7. 4. 1939 ein Kontoguthaben von 14.613 Reichsmark aufgewiesen habe. Der Kläger und seine Eltern seien Ende der Dreißigerjahre nach Großbritannien vertrieben worden; die Firma Albert P***** sei am 7. 4. 1939 wegen angeblicher Vermögenslosigkeit gelöscht worden.

Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger seines Vaters die Auszahlung auf Grund des Bankvertrages; hilfsweise auf Grund von Bereicherungsbzw Schadenersatzansprüchen. Das Eigentum seiner (des Vaters) Geldeinlage sei zwar in das Eigentum der Ö***** AG übergegangen. Die Bank wäre aber verpflichtet gewesen, sich gegen eine allfällige Einziehung des Guthabens durch die Vermögensverkehrsstelle oder sonstige Dritte mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Möge eine derartige Verpflichtung während des NS-Regimes aussichtslos gewesen sein, wäre die Ö***** AG dennoch verpflichtet gewesen, die Rückzahlung ab 1946 geltend zu machen. Unterlagen, wonach das Vermögen eingezogen worden sei, existierten nicht.

Die beklagte Partei entgegnete, über keinerlei Aufzeichnungen über das betreffende Konto zu verfügen. Ein allfälliges Guthaben sei von der damaligen Staatsmacht eingezogen worden; die Forderung sei schon von den Eltern des Klägers nie geltend gemacht worden. Ein Versuch der Ö***** AG auf Rückübertragung des ihr entzogenen jüdischen Vermögens wäre mangels Aktivlegitimation der Bank aussichtslos gewesen.

Außer Streit steht, dass die beklagte Partei oder ihre Rechtsvorgängerin keine Versuche auf Wiedererlangung während des NS-Regimes entzogener Bankguthaben unternommen hat. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging von nachstehenden Feststellungen aus:

Im Frühjahr 1941 bestand ein Kontoguthaben der Firma Albert P***** bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei in Höhe von Reichsmark

14.613. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass während des Bestandes des sogenannten Dritten Reiches an Hand der damaligen Rechtslage hiezu Befugte die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei für diese rechtsverbindlich anwiesen, diese Kontoguthaben in einem oder mehreren Vorgängen an einen oder mehrere Dritte zu überweisen und in unmittelbarer Ausführung dessen der Kontostand schließlich auf Null sank. Es begründete die Entscheidung nicht nur mit der damaligen (Un-)Rechtslage, sondern auch mit dem Bericht der K***** Treuhand- und RevisionsgesmbH vom 23. 5. 1941 auf Grund eines Auftrages des Reichsstadthalters in Wien. Daraus gehe hervor, dass die Gesellschaft auf Grund rein privater Verfügung des Firmeninhabers ohne Zutun der Verlassenschaftsbehörde liquidiert und wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei. Davon sei der Anteil der Gesellschaft an der Firma W***** & K***** nicht umfasst gewesen. Dieser Anteil sei durch Verfügung des Staatskommissars in der Privatwirtschaft vom 17. 1. 1940 übernommen worden und damit ein Teil der Vermögenswerte der Firma Albert P***** "dem ordentlichen Entjudungsverfahren zugeführt" worden. Jedenfalls habe ein Kontoguthaben von 14.613 Reichsmark bei der Ö***** bestanden. Unter Berücksichtigung der damaligen Rechtslage sei davon auszugehen, dass das der Vermögensverkehrsstelle bekannte Guthaben der Gesellschaft eingezogen worden sei.

Rechtlich habe dies zur Folge, dass der Gegenwert des Kontoguthabens der Bank entzogen worden sei, ohne dass sie daraus einen Vorteil gezogen habe. Der Schaden könne nicht auf die Bank überwälzt werden. Der Kläger habe nicht dartun können, welche konkrete Maßnahmen die Bank setzen hätte können, um das entzogene Vermögen wieder zu erlangen. Die Klage sei überdies verjährt, weil sie erst 54 Jahre nach Kriegsende eingebracht worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich aus, der vom Kläger geltend gemachte Barauszahlungsanspruch aus dem Girovertrag sei durch Einziehung des Kontoguthabens, die die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei nicht verhindern habe können, untergegangen. Der Vertrag über die Führung eines Girokontos sei ein Vertrag sui generis mit Elementen des Darlehens und eines unregelmäßigen Verwahrungsvertrages. Die Haftung der Bank für Verlust des Verwahrnisses (dem die Einziehung eines Kontoguthabens gleich zu halten sei) bestehe nur bei Verschulden, das die Rechtsvorgängern der beklagten Partei nicht treffe. Daran scheitere auch der subsidiär geltend gemachte Schadenersatzanspruch. Zur Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen (ab 1946) sei die beklagte Partei und deren Rechtsvorgängerin nicht aktiv legitimiert gewesen, weshalb auch aus der diesbezüglichen Untätigkeit Schadenersatzansprüche nicht abgeleitet werden könnten.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentliche Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Zutreffend haben die Vorinstanzen den Vertrag über die Führung eines Girokontos als Vertrag sui generis mit Elementen des Darlehens und eines unregelmäßigen Verwahrungsvertrages beurteilt (HS 8260; RIS-Justiz RS0010928 mwN). Diese Rechtsansicht wird vom Kläger auch gar nicht angezweifelt, sondern im Gegenteil betont, dass dabei die Geldeinlage in das Eigentum des Kredinstitut übergeht. Der Kläger wirft aber der beklagten Partei, bzw deren Rechtsvorgängerin vor, ihrer Obsorgepflicht nicht nachgekommen zu sein. Sie wäre als Eigentümerin des Geldes verpflichtet gewesen, sich gegen eine Einziehung des Kontoguthabens durch Dritte ("Vermögensverkehrsstelle") zur Wehr zu setzen. Zumindest ab 1946 hätte die "Bank die Rückzahlung mit Erfolg" geltend machen können. Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass den Verwahrer die Beweislast trifft, seiner Verpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung nachgekommen zu sein (RIS-Justiz RS0018994). Wie aber bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, entsprach die Einziehung des Vermögens der damaligen (Un-)Rechtslage, weshalb nicht ersichtlich ist, mit welchem Mitteln sich die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei "zur Wehr setzen hätte können". Auch der Kläger kann nicht bestreiten, dass das der vertragliche Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens durch Einziehung durch die damalige Staatsmacht untergegangen ist. Welche konkreten Maßnahmen die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei nach 1946 treffen hätte sollen, vermag der Kläger nicht darzulegen.

Da die Entscheidungen der Vorinstanzen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht und die Revision auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufgreift, war sie als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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