Spruch:
Eine die sachliche Zuständigkeit des in erster Instanz angerufenen Gerichtshofes bejahende Rekursentscheidung kann nicht deswegen mit Erfolg angefochten werden, weil der Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes unzulässig gewesen wäre
Entscheidung vom 30. November 1966, 2 Ob 323/66
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Die klagenden Parteien bewerteten die gegen beide Beklagten gerichtete "Servitutenfreiheitsklage" (Begehren auf Verurteilung der Beklagten, die Benützung des über die im Eigentum der Kläger stehenden Parzelle X. führenden Wirtschaftsweges mit mehrspurigen Fahrzeugen zu unterlassen) mit 15.001 S und brachten sie demgemäß beim Gerichtshof ein. Bei der ersten Tagsatzung bemängelten die Beklagten diesen Streitwert; er liege unter 15.000 S, sodaß das Kreisgericht sachlich unzuständig sei. Die Kläger beantragten für den Fall der Unzuständigkeit des Gerichtshofes Überweisung der Streitsache an das offenbar nicht unzuständige Bezirksgericht.
Das Erstgericht erklärte sich für sachlich unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 261 (6) ZPO. an das offenbar nicht unzuständige Bezirksgericht.
Dem Rekurse der Kläger gab das Oberlandesgericht Folge und wies in Abänderung des Beschlusses der ersten Instanz die von den beklagten Parteien erhobene Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurück. Das Rekursgericht erachtete den bezeichneten Rekurs als zulässig (ohne dies näher zu begrunden) und auch für gerechtfertigt, weil nicht gesagt werden könne, daß die Kläger ihr Interesse an der Durchsetzung des Unterlassungsanspruches mit einem über 15.000 S liegenden Streitwert als übermäßig hoch angegeben hätten.
In dem von den beklagten Parteien dagegen erhobenen Revisionsrekurs wird zunächst geltend gemacht, daß den Klägern gegen den erstgerichtlichen Beschluß - mit Ausnahme seines Kostenausspruches - ein Rechtsmittel versagt gewesen sei; daneben haben die Beklagten den Beschluß des Rekursgerichtes auch meritorisch bekämpft.
Diesen Revisionsrekurs der beklagten Parteien hat das Rekursgericht als unzulässig zurückgewiesen; die Entscheidung der zweiten Instanz sei als Ausspruch über die sachliche Zuständigkeit aufzufassen;
gemäß § 45 (1) JN. seien Entscheidungen eines Gerichtshofes über seine sachliche Zuständigkeit nicht deshalb anfechtbar, weil für die Rechtssache die Zuständigkeit eines Bezirksgerichtes begrundet wäre;
dies gelte auch für den Fall, daß dieser Ausspruch in zweiter Instanz ergangen sei.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien; sie beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und über ihren seinerzeitigen Revisionsrekurs im Sinne der darin gestellten Anträge zu entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der vorliegende Rekurs gegen die Zurückweisung des Revisionsrekurses ist zwar gemäß § 514 ZPO. zulässig (zur Erörterung steht ja die erstmalig in zweiter Instanz aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses); dieser Rekurs ist aber im Sinne der folgenden Ausführungen nicht begrundet.
Gemäß § 45 (1) JN. können Entscheidungen eines Gerichtshofes erster Instanz über seine sachliche Zuständigkeit nicht deshalb angefochten werden, weil für die Rechtssache die Zuständigkeit eines anderen Gerichtshofes oder eines Bezirksgerichtes begrundet ist. Die Entscheidung des Rekursgerichtes vom 25. Juli 1966, womit die sachliche Zuständigkeit des Kreisgerichtes St. Pölten ausgesprochen wurde, ist als eine derartige Entscheidung anzusehen, weil es nach ständiger Praxis (vgl. z. B. SZ. XXIII 66) in dieser Hinsicht keinen Unterschied macht, ob diese bejahende Zuständigkeitsentscheidung schon in erster oder erst in zweiter Instanz ergangen ist. Die Rekurswerber gehen selbst von dieser Auffassung aus; sie wollen aber die Anfechtbarkeit des bezogenen Beschlusses daraus ableiten, daß das Rekursgericht den gegen den Beschluß der ersten Instanz vom 5. Juli 1966 von den Klägern erhobenen Rekurs prozeßordnungsmäßig unrichtig nicht als in der Hauptsache unzulässig zurückgewiesen habe. Dieser Umstand ist aber für die Beurteilung der Unzulässigkeit der Anfechtung des rekursgerichtlichen Beschlusses ohne Bedeutung. Denn nach ständiger Praxis (vgl. z. B. 2 Ob 183, 184/62; 2 Ob 77/55) wird die Rechtskraft einer Entscheidung - vorbehaltlich der etwaigen Anfechtbarkeit nach § 529 ZPO. - selbst durch einen Verstoß gegen eine unter Nichtigkeitssanktion stehende Verfahrensbestimmung nicht berührt.
Aus diesen Erwägungen muß der Rekurs der Beklagten gegen die von der zweiten Instanz vorgenommene Zurückweisung ihres Revisionsrekurses erfolglos bleiben.
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