OGH 2Ob31/75

OGH2Ob31/7520.3.1975

SZ 48/33

Normen

ABGB §1497
ABGB §1497

 

Spruch:

Im Falle von Vergleichsverhandlungen über die Abwicklung von Schadenersatzansprüchen handelt es sich um einen von der Rechtsprechung herausgebildeten besonderen Fall einer Ablaufshemmung (§§ 7, 863, 914, 1494 ff. ABGB)

OGH 20. März 1975, 2 Ob 31/75 (OLG Wien 10 R 200/74; LGZ Wien 39 a Cg 49/73)

Text

Am 4. Feber 1968 ereignete sich auf der Bundesstraße 1 zwischen Pill und Weer ein Verkehrsunfall, an dem der Erstkläger als Lenker eines PKWs und der Drittbeklagte als Lenker des von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten PKWs beteiligt waren. Beide Kläger wurden verletzt und begehrten in ihrer am 2. Feber 1972 eingebrachten Klage auf Grund Alleinverschuldens des Drittbeklagten Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus diesem Unfall.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten auch Verjährung ein, da die im schriftlichen Weg geführten Vergleichsverhandlungen von der Erstbeklagten mit einem Schreiben vom 21. Jänner 1971 unter Hinweis auf den bevorstehenden Eintritt der Verjährung abgebrochen worden seien. Die Klage sei nicht nach angemessener Frist, sondern erst ein Jahr später eingebracht worden.

Die Kläger bestritten den Eintritt der Verjährung, da vereinbarungsgemäß zuerst sämtliche ärztliche Befunde im Jahre 1973 hätten vorgelegt werden sollen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, weil die Frist zur Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nach § 63 Abs. 2 KFG während der Vergleichsverhandlungen gehemmt und daher bei Klagserhebung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof hob jedoch diesen Beschluß mit der Begründung auf, daß die für die Anwendung der Bestimmung des § 63 Abs. 2 KFG nötige ziffernmäßige Anmeldung des Schadenersatzanspruches beim Versicherer nicht vorgenommen worden sei (2 Ob 134/74).

Das Berufungsgericht gab nunmehr der Berufung der Kläger nicht Folge.

Das Erstgericht traf folgende Feststellungen:

Die Erstbeklagte wurde von dem Schadensfall gleich nach dem Unfall in Kenntnis gesetzt. Über ihre Innsbrucker Direktion liquidierte sie den Fahrzeugschaden und stand mit dem schweizerischen Anwalt der Kläger Dr. B in Verbindung. Der Schriftverkehr mit Dr. B enthielt im wesentlichen die Aufforderung der Erstbeklagten, die Ansprüche zu konkretisieren, da sonst eine Regelung nicht vorgenommen werden könne. 1969 übernahm die Landesdirektion Wien als Generaldirektion der Erstbeklagten die Angelegenheit und teilte dies Dr. B am 17. Mai 1970 mit. Auch dieses Schreiben enthielt die Aufforderung, die Ansprüche der Kläger ziffernmäßig bekanntzugeben. Dr. B legte in der Folge Begutachtungen von Ärzten vor, in denen aber keine konkreten Anhaltspunkte über die Höhe der Ansprüche und die Intensität und Dauer der Schmerzperioden enthalten waren. Auch der Verdienstentgang wurde nicht detailliert. Nach dem letzten Schreiben Dris. B vom 8. Dezember 1970 brach die Erstbeklagte am 21. Jänner 1971 die Vergleichsverhandlungen mit folgendem Schreiben ab: "1n gegenständlicher Angelegenheit haben Sie wohl einige Gutachten über die Verletzungsfolgen ihrer Mandanten übersandt, jedoch bis zum heutigen Tage die Ansprüche nicht ziffernmäßig bekanntgegeben. Da die Angelegenheit am 4. Feber 1971 verjährt, ist wohl kaum anzunehmen, daß die Angelegenheit noch vor diesem Zeitpunkt finalisiert werden kann. Ein Prozeß ist somit nicht zu vermeiden. Wir sind selbstverständlich bereit, auch während des Prozesses Vergleichsverhandlungen zu führen unter der Voraussetzung, daß die Ansprüche konkret bekanntgegeben werden und die entsprechenden Belege zur Verfügung gestellt werden." Dieses Schreiben langte bei Dr. B am 25. oder 26. Jänner 1971 ein. Eine Reaktion erfolgte erst mit Schreiben vom 4. August 1971, mit dem, ohne auf die Frage der Verjährung einzugehen, ein ärztlicher Bericht übermittelt wurde. Umgehend antwortete die Erstbeklagte am 6. August 1971, daß Verjährung eingetreten sei und die Erstbeklagte sich daher mit der Angelegenheit nicht mehr zu befassen habe. Hierauf wurde am 2. Feber 1972 die Klage eingebracht.

Das Erstgericht nahm den Beginn der Verjährung mit der Kenntnis aller möglichen und vorhersehbaren Unfallsschäden an. Durch die am 21. Jänner 1971 abgebrochenen Vergleichsverhandlungen sei im Hinblick auf die erst ein Jahr später eingebrachte Klage eine Unterbrechung der Verjährung nicht eingetreten. Die Klagsansprüche seien daher verjährt.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsmeinung des Erstgerichtes an und führte aus, daß durch Vergleichsverhandlungen der Ablauf der Verjährungsfrist bis zu der in angemessener Frist einzubringenden Klage gehemmt werde. Die Kläger hätten sich allerdings auch auf eine im Zuge der Vergleichsverhandlungen zustande gekommene Vereinbarung über die einvernehmliche Dauer der Vergleichsgespräche berufen, weshalb die Verjährung nicht vorher eingewendet werden könne. Die Beklagten hätten jedoch am 21. Jänner 1971 die Vergleichsverhandlungen abgebrochen; dadurch sei im Hinblick auf § 1502 ABGB das für die Dauer der Vergleichsverhandlungen anzunehmende Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung der Verjährung beseitigt worden. Die Kläger hätten daher in angemessener Frist klagen müssen, hätten dies aber erst mehr als ein Jahr später getan.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerber machen geltend, die Frage der Verjährung sei unrichtig gelöst worden. Durch die Vergleichsverhandlungen sei die Verjährung unterbrochen worden, so daß eine neue Verjährung zu laufen begonnen habe. Es könne daher nicht die Einbringung der Klage innerhalb angemessener Frist nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen verlangt werden. Aber auch die Hemmung der Verjährung würde bewirken, daß die Verjährungsfrist um den Zeitraum der Hemmung, also um die Dauer der Vergleichsverhandlungen, verlängert werde. Die im § 63 Abs. 2 KFG, angeordnete Hemmung der Verjährung müsse umsomehr für Vergleichsverhandlungen gelten.

Alle diese Einwände gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sind verfehlt, weil es sich im Falle von Vergleichsverhandlungen über die Abwicklung von Schadenersatzansprüchen weder um eine Unterbrechung noch um eine Fortlaufshemmung, sondern um einen von der Rechtsprechung herausgebildeten besonderen Fall einer Ablaufshemmung (§§ 7, 863, 914, 1494 ff. ABGB) handelt. Wenn Vergleichsverhandlungen bis an das Ende der Verjährungsfrist oder darüber hinaus gedauert haben, wird der Ablauf der Verjährungsfrist nach Treu und Glauben hinausgeschoben; Verjährung tritt dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich (also in angemessener Frist) die Klage eingebracht wird (SZ 38/72 = JBl. 1967, 144; zustimmend Bydlinski, JBl. 1967, 130). Die im § 63 Abs. 2 KFG besonders angeordnete Fortlaufshemmung der Verjährung ist hier nicht anwendbar.

Schließlich meinen die Revisionswerber, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben, weil von der Erstbeklagten im Zuge der Korrespondenz eine spätere Bezifferung der Schadenersatzansprüche der Kläger zumindest stillschweigend hingenommen worden sel.

Diesbezüglich hat aber das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß der Schuldner jederzeit im Sinne des § 1502 ABGB die Fortführung von Vergleichsverhandlungen verweigern kann. Im vorliegenden Fall hat die Erstbeklagte die Kläger sogar noch ausdrücklich auf die drohende Verjährung und die Notwendigkeit der Klagserhebung aufmerksam gemacht, so daß ihr ein Vorgehen gegen Treu und Glauben keinesfalls vorgeworfen werden kann.

Die Mängelrüge der Revisionswerber ist in Wahrheit ein Teil der Rechtsrüge, denn es wird geltend gemacht, wegen der zu Unrecht angenommenen Verjährung seien Feststellungen über Grund und Höhe des Klagsanspruches unterlassen worden. Da aber die Verjährung zu Recht angenommen wurde, sind diese Ausführungen gegenstandslos.

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