OGH 2Ob313/01w

OGH2Ob313/01w7.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara H*****, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Landeskrankenanstaltengesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck wegen Zahlung von EUR 25.435,49 und Feststellung (Streitwert EUR 10.900,93) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. September 2001, GZ 1 R 148/01a-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. April 2001, GZ 14 Cg 85/00w-34, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,32 (darin enthalten EUR 292,39 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei Schmerzengeld, Zahlung einer Verunstaltungsentschädigung sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für eine von ihr zu verantwortende ärztliche fehlerhafte Heilbehandlung.

Beide Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen und sind von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Die Klägerin wurde am 20. 10. 1997 nach einem Snowboardunfall mit dem Notarzthubschrauber in das Landeskrankenhaus Innsbruck, dessen Rechtsträger die beklagte Partei ist, eingeliefert und vom 20. bis 25. 10. behandelt. Bei dem Unfall hat die Klägerin ein Schädel-Hirn-Trauma mit Gehörganglaesion rechts, eine Unterkieferfraktur paramedian rechts mit Trümmerzone, eine Unterkiefercapitulumfraktur rechts, einen Verlust der Zähne 41 und 42 sowie eine Rissquetschwunde am Kinn und an der Gingiva 41 und 42 erlitten. Wegen ihrer schweren Verletzungen wurde sie vorerst auf die Intensivstation überstellt, wo eine Erstversorgung durchgeführt wurde. Noch am 20. 10. 1997 wurden auf der Intensivstation Konsilien der HNO Abteilung und der kieferchirurgischen Abteilung durchgeführt.

Noch am 20. 10. 1997 erfolgten eine Wundversorgung und die Notschienung. Für den 22. 10. 1997 wurde eine Behandlung in der klinischen Abteilung für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie angesetzt; dabei sollte in Allgemeinnarkose die Plattenosteosynthese im Kinnbereich, die Schienung und intermaxilläre Verschnürung vorgenommen werden.

Am 21. 10. 1997 klärte der Oberarzt an der klinischen Abteilung für Mund- Kiefer und Gesichtschirurgie Dr. Harald Schöning die Klägerin über die geplante Behandlung vom 22. 10. 1997 auf. Dr. Schöning hat mit der Klägerin über die grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten der Capitulumfraktur rechts und der paramedianen Unterkieferfraktur gesprochen, und zwar über eine konservative (unblutige) und eine operative (blutige) Behandlung. Dr. Schöning zeigte auch die Risken der operativen Behandlung auf, dass es nämlich zu Narben durch die Zugänge kommt, dass es zu Nachblutungen und einer erhöhten Infektionsgefahr im Bereich der Operationsstellen kommen kann und dass Gefühlsstörungen im Operationsgebiet bzw, wenn größere Nerven betroffen würden, auch Gefühlsstörungen in deren abhängigem Gebiet auftreten können.

Hinsichtlich der konservativen Methode hat Dr. Schöning die Klägerin dahin aufgeklärt, dass beim Vorliegen einer schweren Verstellung oder Verschiebung der Brücke die konservative Behandlung diese nicht so bewirken kann, dass die Verstellungen behoben werden, was allerdings nicht zwingenderweise nachteilige Folgen nach sich ziehen muss. Bei dem Aufklärungsgespräch hatte Dr. Schöning auch ein Aufklärungsblatt, wobei es sich um ein vorgefertigtes Formular das Landeskrankenhauses Innsbruck mit einem vom Erstgericht näher festgestellten Text handelt. Dr. Schöning hat dieses Aufklärungsblatt im Zuge des Gespräches mit der Klägerin ausgefüllt, wobei er sie über jene Punkte, die er festgehalten hat, auch tatsächlich mündlich aufgeklärt hat. Es konnte nicht festgestellte werden, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufklärung in einem Zustand befunden hätte, in dem sie die Aufklärung nicht richtig verstanden hätte. Die Klägerin hat das ausgefüllte Aufklärungsblatt durchgelesen, keine weiteren Fragen gestellt und sich mit der vorgeschlagenen Behandlung, wie sie in der Folge durchgeführt wurde, einverstanden erklärt und das Aufklärungsblatt unterfertigt. Am 22. 10. 1997 wurde die Klägerin operativ in nasotrachaler Intubationsnarkose versorgt, wobei die bestehende paramediane Unterkieferfraktur mit Plattenosteosynthesen und Osteosyntheseschrauben stabilisiert wurde. Weiters wurde im Ober und Unterkiefer Kunststoffschienen eingebunden und abschließend die intermaxilläre Situation modellgerecht durchgeführt. Auf eine operative Revision der vorhandenen Capitulumfraktur rechts wurde verzichtet. Die von den Ärzten an der Klägerin durchgeführte Behandlung ist sachgerecht, nicht veraltet und zeitgemäß. Sowohl bei der konservativen als auch bei der operativen Therapie am Kiefergelenkt ist eine Bewegungstherapie im Sinne einer funktionellen Nachbehandlung erforderlich.

Auf Grund des vorliegenden Krankheitsverlaufes hätte mit größter Wahrscheinlichkeit trotz sofortiger operativer Korrektur die bei der Klägerin schicksalshaft aufgetretene Ankylosierung nicht verhindert werden können, sondern wäre womöglich noch gar beschleunigt worden. Eine Fraktur ist immer ein dringlicher Eingriff, bei der Klägerin lag sogar eine doppelte Fraktur vor.

Das Erstgericht beurteilte diesen zusammengefasst festgestellten Sachverhalt dahingehend, dass sowohl die Behandlung durch das Landeskrankenhaus Innsbruck sachgerecht und fehlerfrei durchgeführt wurde, als auch die Klägerin trotz ihrer schweren Verletzung umfassend über die Risken der Heilbehandlung aufgeklärt worden sei, weshalb auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht vorliege. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichts im vorliegenden Fall sei die Klägerin angesichts der medizinisch zwingend indizierten Operation in Verbindung mit dem Umstand dass die Ankylosierung bei der Klägerin schicksalhaft aufgetreten sei, ohne eine typische Gefahr darzustellen, ausreichend aufgeklärt worden, zumal eine andere Operationsmethode die bei der Klägerin schicksalhaft aufgetretene Ankylosierung nicht verhindert hätte und möglicherweise sogar beschleunigt hätte. Die Behauptung der nicht ausreichenden Aufklärung sei auch nicht ausreichend konkretisiert; der vom der Klägerin allein erhobene Vorwurf, nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein, sei unzutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - unzulässig.

Nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung ist die Frage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufklären muss, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung, in die Operation einzuwilligen, überschauen kann, also weiß, worin er einwilligt, eine stets anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalls getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0026763). Wurde allerdings - wie hier - nicht nur angesichts der Dringlichkeit der Operation eine dennoch umfassende, alle Risken aufzeigende Aufklärung durch den behandelnden Arzt nachgewiesen, ist dieser also seiner nach der Rechtsprechung ihn treffenden Beweislast nachgekommen, wäre es eine Überspannung der Aufklärungspflicht, diesem auch noch eine Aufklärungspflicht über mögliche schicksalhafte Krankheitsfolgen aufzubürden, weshalb nach den allgemeinen Beweislastregeln in diesem Fall der Geschädigte hätte behaupten und beweisen müssen, worin die dokumentierte umfassende Aufklärungspflicht verletzt worden sein soll. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich hier nicht, weil die Ankylogisierung nach den Feststellungen schicksalhaft als Folge des Unfalls (der Krankheit), nicht aber als Folge der Behandlung (Operation) aufgetreten ist (wäre; vgl 7 Ob 233/02v).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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