Spruch:
Es bleibt den in einem Testament eingesetzten gesetzlichen Erben unbenommen, sich auf Grund des Gesetzes zu Erben zu erklären, wenn sie die Ungültigkeit des Testamentes behaupten oder dem Testament eine Auslegung geben, die ihre Erbansprüche auf Grund des Gesetzes zum Teil unberührt läßt.
Entscheidung vom 10. Mai 1950, 2 Ob 311/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Oberste Gerichtshof hat in einer Verlassenschaftssache den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 115 AußstrG. hat das Abhandlungsgericht die Erbserklärungen abzufordern. Es kann daher darin, daß das Rekursgericht dem Abhandlungsgericht aufgetragen hat, vor der Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit noch die Personen, die nach der Aktenlage als Erben, sei es nach dem Gesetz, sei es nach dem Testament in Betracht kommen, bisher aber noch keine Erbserklärung abgegeben haben, hiezu aufzufordern, keine Gesetzwidrigkeit erblickt werden. Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes ist aber nicht nur nicht gesetzwidrig, sondern auch zweckmäßig. Denn gleichviel, ob man der von Canstein (Lehrbuch der Geschichte und Theorie des österreichischen Zivilprozeßrechtes, Band 2, S. 547 bis 548) und wohl auch von Neumann (Kommentar, S. 438) vertretenen Auffassung von einer erweiterten Rechtskraftwirkung des Urteiles im Erbrechtsstreit oder ob man der wohl als herrschend zu bezeichnenden, beispielsweise von Schell (Klangs Kommentar, II/1, 765) vertretenen Auffassung einer bloß subjektiven Rechtskraft beitritt, ist es jedenfalls im Interesse der Prozeßführung und der Prozeßparteien gelegen, den Kreis der Personen, die klagen oder geklagt werden können, schon im Verlassenschaftsverfahren abzustecken. Die "Gefahr", daß von einer zur Erbserklärung aufgeforderten Person allenfalls eine bedingte Erbserklärung abgegeben werden könne, ist kein bei der Entscheidung des Revisionsrekurses irgendwie in Frage kommender Gesichtspunkt.
Auch soweit er den dritten Absatz des angefochtenen Beschlusses bekämpft, ist der Rekurs nicht im Recht. Die Rekurswerber haben sich auf Grund des Gesetzes zunächst bedingt und dann später unbedingt erbserklärt. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 10. Dezember 1935, SZ. XVII/168, ausgesprochen hat, bleibt es den in einem Testament eingesetzten gesetzlichen Erben unbenommen, die Erbschaft auf Grund des Gesetzes anzutreten und sich auf Grund des Gesetzes zu Erben zu erklären, wenn sie die Ungültigkeit eines Testamentes behaupten oder, wie hier, dem Testament eine Auslegung geben, die ihre Erbansprüche auf Grund des Gesetzes zum Teil unberührt läßt. Eine Aufforderung an die Rekurswerber, eine Erbserklärung auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 25. September 1944 abzugeben, wäre zwecklos, weil eben der Streit um die Auslegung des Testamentes und die Tragweite seines Inhaltes geht. Die gesetzlichen Erben brauchen auch aus der Nichtabgabe einer Erbserklärung auf Grund des Testamentes keine Nachteile aus der Bestimmung des § 808 ABGB. zu besorgen, da diese Bestimmung nur den Fall im Auge hat, daß die letztwillige Verfügung nicht bestritten ist.
Demgemäß war die Aufforderung nur auf die Personen abzustellen, die nach dem gemeinsamen Testament vom 18. April 1944 und der letztwilligen Erklärung vom 26. September 1944 als Erben in Frage kommen, um darüber Gewißheit zu erlangen, ob sie, mit Ausnahme der Franziska H., die ja nur als Testamentserbin in Frage kommt, auf Grund der Testamente oder auf Grund des Gesetzes die Erbschaft ansprechen. Daß nicht alle der in Punkt III unter 1 bis 13 angeführten Personen in der Todfallsaufnahme genannt sind, schließt nicht aus, daß auch nichtgenannte Personen ein Intestaterbrecht in Anspruch nehmen können. Die Rekurswerber haben aber nicht nur aus der Bestimmung des § 808 ABGB., sondern auch aus der Vorschrift des § 806 ABGB. Nachteile nicht zu befürchten. Denn es wird ihnen je nach dem Ausgang des Erbrechtsstreites, der in diesem Fall, wenigstens nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen, nur über die Tragweite der letztwilligen Erklärung vom 25. September 1944 geführt werden wird, allenfalls freistehen, eine zweite Erbserklärung auf Grund dieser letztwilligen Erklärung abzugeben (vgl. Touaillon, "Von der Erbserklärung zum Erbschaftsstreite", ZBl. 1908, S. 786).
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