Spruch:
Bedingte Rechte sind schon vor Eintritt der Bedingung feststellungsfähig, wenn der ganze rechtserzeugende Sachverhalt vorliegt, die Bedingung festgesetzt, beides erweislich ist und nur mehr der Eintritt der Bedingung offensteht (hier: subsidiäre Unterhaltspflicht).
Entscheidung vom 14. November 1968, 2 Ob 301/68.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Mutter der am 22. Juni 1965 geborenen Klägerin, Waltraut K., verunglückte am 26. September 1965 bei einem Verkehrsunfall tödlich. Das Alleinverschulden an diesem Unfall trifft den deswegen auch strafgerichtlich verurteilten Beklagten.
Die Klägerin begehrt die urteilsmäßige Feststellung, daß ihr der Beklagte für allen Schaden, den sie durch den vom Beklagten verschuldeten Tod ihrer Mutter erleidet, zur Gänze hafte. Hiezu brachte sie vor, daß sie durch den Tod ihrer Mutter zwar noch keinen konkreten Vermögensschaden erlitten habe, weil für ihren Unterhalt ihr Vater sorge. Der Eintritt eines Vermögensschadens sei jedoch zu befürchten, wenn der Vater vor Eintritt ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit sterbe und die sekundäre Unterhaltspflicht der Mutter nicht zur Verfügung stehe. Auch in bezug auf die Bestellung eines Heiratsgutes könne ihr ein Schaden erwachsen. Die begehrte Feststellung sei auch erforderlich, um einer allfälligen Verjährungseinrede bei späterer Geltendmachung entgegen zu treten.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klägerin sei nur mittelbar geschädigt. Die subsidiäre Unterhaltspflicht der Mutter komme erst nach Wegfall des Vaters zum Entstehen. Durch den Tod ihrer Mutter habe sich hinsichtlich des Unterhaltes der Klägerin nichts geändert. Maßgeblich sei auch für die Zukunft der Zeitpunkt der Schädigung und der tatsächlich geleistete Unterhalt. Die Klägerin behaupte auch nicht einmal, daß die Mutter über Vermögen oder Einkommen verfügt hätte, aus dem sie bei Wegfall des Vaters den Unterhalt hätte gewähren können. Was das Heiratsgut anlange, so handle es sich diesfalls um keinen Unterhaltsanspruch. Auch könne eine derartiger Anspruch gegen die Mutter nach deren Tod gar nicht mehr entstehen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Da für den Unterhalt der Klägerin immer der Vater aufgekommen sei, erleide diese durch den Tod der Mutter keinen nach § 1327 ABGB. ersatzfähigen Schaden. Es fehle ihr daher das rechtliche Interesse an der Feststellung. Die genannte Bestimmung könne nicht auf noch nicht existierende und daher vorderhand nur mittelbare Ersatzansprüche ausgedehnt werden. Eine derartige Auslegung dieser Bestimmung würde gegen ihren Sinn verstoßen. Dasselbe gelte für das Heiratsgut. Für die Führung rein theoretischer und nur prophylaktischer Feststellungsprozesse biete das Gesetz keine Handhabe.
Das Berufungsgericht erkannte in Abänderung des Ersturteils gemäß dem Klagebegehren. Die Ersatzpflicht, die sich aus der Tötung eines Menschen ergibt, erstrecke sich auch auf Unterhaltsansprüche, die vom Getöteten erst später oder nach Eintritt einer Bedingung zu erfüllen wären. Auch später oder bedingt unterhaltsberechtigte Personen erlitten einen ersatzfähigen Unterhaltsentgang, wenn sie zur gegebenen Zeit oder nach Eintritt der Bedingung infolge des Todes des Unterhaltspflichtigen ihren Anspruch nicht mehr geltend machen könnten. Dies ergebe sich insbesondere auch aus der Bestimmung des § 12 (2) EKHG. Auch bedingte Rechte und Rechtsverhältnisse, bei denen mangels Fälligkeit ein Leistungsbegehren nicht erhoben werden könne, seien feststellungsfähig, sofern der rechtserzeugende Sachverhalt (hier der vom Beklagten verschuldete Tod der Mutter) zur Gänze verwirklicht sei und die Bedingung feststehe, aber noch nicht erfüllt sei (hier Ausfall der Leistungen des primär unterhaltspflichtigen Vaters). Auch das rechtliche Interesse sei gegeben, weil durch die begehrte Feststellung der Verjährungseinrede und allen Einwendungen gegen den Grund des Anspruches vorgebeugt werde. Der geringe Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes der Bedingung könne dieses Interesse nicht beeinträchtigen. Da es vorliegend nur um die Feststellung der Ersatzpflicht dem Grund nach gehe, sei die Frage, in welchem Ausmaß die Mutter ihrer Unterhaltspflicht tatsächlich hätte nachkommen können, erst im Verfahren über ein Leistungsbegehren zu prüfen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zur Rechtsrüge wird vorgebracht, daß eine Unterhaltspflicht der Mutter der Klägerin erst unter verschiedenen Voraussetzungen hätte entstehen können. Die Feststellung von Anwartschaften sei nur dann zulässig, wenn alle sie begrundenden Tatsachen bei Schluß der Verhandlung bereits konkretisiert seien. Der rechtserzeugende Sachverhalt sei vorliegend nicht die Tötung der Mutter, sondern der Tod des Vaters vor Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin und auch dies nur unter der Hypothese, daß die Mutter Vermögen und Einkommen habe. Da die Unterhaltspflicht der Mutter neu entstehe, gebe es später auch keine Verjährungseinrede. Das Entstehen einer Unterhaltspflicht der Mutter stelle vorliegend nur eine ganz entfernte Möglichkeit dar. Denn beim Tod des Vaters hätte vor allem eine Sozialeinrichtung für den Unterhalt der Klägerin zu sorgen. Derart entfernte Möglichkeiten müßten aber bei Beurteilung der Ansprüche nach § 1327 ABGB. außer Betracht bleiben. Schließlich würden durch die begehrte Feststellung auch spätere Prozesse nicht vermieden, weil erst seinerzeit festzustellen wäre, ob bei einem allfälligen Tod des Vaters für den Unterhalt der Klägerin nicht durch die ihr angefallene Erbschaft und durch Sozialeinrichtungen gesorgt sei.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig.
Im Vordergrund steht die Frage, ob auch bedingte Rechte vor Eintritt der Bedingung Gegenstand einer Feststellungsklage sein können. Sie wird von der Rechtslehre nicht einheitlich beantwortet (dafür Ehrenzweig System I/1 § 138; gegenteilig Neumann. Komm.[4] II S. 882). Fasching (Komm. III S. 57) bejaht die Frage unter der Voraussetzung, daß der ganze rechtserzeugende Sachverhalt vorliegt, die Bedingung festgesetzt und beides erweislich ist und nur mehr der Eintritt der Bedingung offen steht. Wenn diese Ausführungen auch in erster Linie Schuldverletzungen im Auge zu haben scheinen, besteht kein Grund, sie ausschließlich auf solche zu beschränken. Nach Ansicht des erkennenden Senates liegen die vorgenannten Voraussetzungen vor und es ist die Ersatzpflicht des Beklagten nur mehr vom Eintritt der Bedingung, nämlich des Todes des Vaters der Klägerin oder seiner Unfähigkeit zur Unterhaltsleistung, bevor sie selbsterhaltungsfähig ist, abhängig.
Es ist aber auch das Interesse der Klägerin an der begehrten alsbaldigen Feststellung unabhängig von der Frage der Verjährung im Hinblick auf die Gefahr späterer Beweisschwierigkeiten gegeben, zumal den Beklagten sein derzeitiges Zugeständnis, den Unfall allein verschuldet zu haben, nicht über den Prozeß hinaus bindet, sodaß künftige Einwendungen, die sich auf die Mitverschuldensfrage beziehen, durch die begehrte Feststellung abgeschnitten werden (SZ. XXV 268). Da die Möglichkeit offen bleibt, daß das Schadensereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, kann der Klägerin das Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden (JBl. 1958 S. 21).
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