Spruch:
Den Rekursen wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben wird.
Die Pflegebefohlenen haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der Pflegebefohlenen wurde 1988 geschieden, die Obsorge steht der Mutter zu. Mit Beschluß vom 4.6.1997 wurden dem Vater folgende Unterhaltsleistungen auferlegt:
a) für die mj.Mara vom 1.8.1994 bis 31.12.1995 S 6.200 und ab 1.1.1996 monatlich S 8.500;
b) für die mj.Salina vom 1.8.1994 bis 31.12.1995 S 5.800 und ab 1.1.1996 monatlich S 7.200;
c) für die mj.Ronja vom 1.8.1994 bis 31.12.1995 monatlich S 5.000, vom 1.1.1996 bis 30.6.1996 monatlich S 6.200 und ab 1.7.1996 monatlich S 7.200.
Es wurde ausgesprochen, daß die Unterhaltsbeiträge zu Handen der Kindesmutter zu bezahlen sind.
Am 30.6.1997 beantragte der Vater, der Mutter die Obsorge im Teilbereich Vermögensverwaltung sowie die damit einhergehende gesetzliche Vertretung zu entziehen und einen besonderen Sachwalter im Sinne des § 145b ABGB zu bestellen; in eventu beantragte er die Verfügung anderer Maßnahmen, damit die Unterhaltsnachzahlungen und auch die laufenden Unterhaltsbeträge wirklich den Kindern zukommen. Er brachte dazu vor, es bestehe offenkundig die Gefahr, daß die Unterhaltsbeträge nicht den Kindern zugute kämen, sondern ausschließlich zur Abdeckung der Schulden der Mutter verwendet würden. Die Mutter führe einen unfinanzierbaren Lebensstil und leide an einer immerwährenden chronischen Geldknappheit. Zum 14.11.1996 seien gegen die Mutter 35 Exekutionen mit einer Gesamtsumme von 706.000 S anhängig gewesen. Mit Beschluß vom 3.12.1996 sei ein Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Die finanzielle Gebarung der Mutter und die daraus resultierenden Verbindlichkeiten hätten auch zu einer Zwangsversteigerung des ehemals gemeinsamen Einfamilienhauses geführt. Die Gefahr, daß die hohen Zahlungen nicht wirklich den Kindern zugute kämen, sei evident.Dies unter anderem auch deshalb, weil das Girokonto der Mutter aufgrund der prekären finanziellen Situation zweifellos einen erheblichen Sollstand aufweise, so daß jegliche auf dieses Girokonto entrichtete Zahlung geradezu zwangsläufig nicht zugunsten der Kinder Verwendung finden könne, sondern lediglich zu einer teilweisen Abdeckung des negativen Standes des Girokontos führe.
Aufgrund dieses Antrages entzog das Erstgericht der Kindesmutter vorläufig die Obsorge für die Pflegebefohlenen im Bereich Vermögensverwaltung und im Bereich Pflege und Erziehung, soweit sie die Verwendung der vom Vater zu leistenden rückständigen und laufenden Unterhaltsbeträge für den Unterhalt der Kinder betrifft. Für diese Teilbereiche wurde der zuständige Jugendwohlfahrtsträger zum Sachwalter bestellt, und zwar bis zur endgültigen Regelung dieser Obsorgebereiche. Der Jugendwohlfahrtsträger wurde ersucht, die vom Vater zu leistenden Zahlungen auf ein Konto einzahlen zu lassen und der Mutter in dem von ihr nachzuweisenden Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen.
Das Erstgericht stellte fest, die Mutter betreibe zwei Gastgewerbebetriebe; am 14.11.1996 seien gegen sie 35 Exekutionsverfahren mit offenen Forderungen von rund 706.000 S anhängig gewesen. Ein Konkursantrag sei mit Beschluß vom 3.12.1996 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, es bestehe der Verdacht einer dem Kindeswohl abträglichen finanziellen Gebarung der Mutter, weshalb bis zur endgültigen gerichtlichen Obsorgeentscheidung vorläufige Maßnahmen im Sinne des § 176 ABGB zu treffen seien.
Das dagegen von den Pflegebefohlenen und vom Jugendwohlfahrtsträger angerufenen Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.
Das Rekursgericht führte aus, eine vorläufige Maßnahme der Entziehung der Elternrechte sei wegen akuter Gefährdung des Kindeswohls auch ohne Anhörung der Parteien zulässig. Eine solche akute Gefährdung sei hier offenkundig, weil der Vater den gesamten Unterhaltsrückstand von 254.200 S und auch die laufenden Unterhaltsbeträge von monatlich 22.900 S an die Kindesmutter auszubezahlen habe. Aufgrund der zumindest nach der bisherigen Verfahrenslage angespannten finanziellen Situation der Mutter sei in einem solchen Fall eine allfällige Rückforderung keineswegs von einer vollen Erfolgsaussicht begleitet.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Revisionsrekurse der Kinder und des Jugendwohlfahrtsträgers mit den Anträgen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos aufgehoben und diesem die endgültige Entscheidung über den Antrag des Vaters aufgetragen werde (Rekurs der Kinder) bzw daß der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und der Antrag des Vaters abgewiesen werde (Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers).
Die Pflegebefohlenen machen geltend, daß ein bloßer Verdacht der Gefährdung des Kindeswohles für die Erlassung einer einstweiligen Maßnahme nicht ausreiche. Das Erstgericht habe die bekämpfte Provisorialmaßnahme zu Unrecht ohne irgendwelche Erhebungen angeordnet. Überdies diene die Nachzahlung der Unterhaltsbeträge auch der Deckung einer eventuellen Bevorschussung der Mutter und von Nachholbedürfnissen. Es habe sich auch die finanzielle Situation der Mutter seit November 1996 wesentlich gebessert.
Der Jugendwohlfahrtsträger macht geltend, es bestehe kein Anhaltspunkt für einen psychischen Defekt der Mutter, der die geforderten eklatanten Einschränkungen rechtfertigen würde; es könne für die Kinder kein Nachteil darin erblickt werden, wenn die Mutter mit einem Teil der Unterhaltsnachzahlung auch einen Teil der Schulden zurückzahle, der ja unter anderem aus der Aufrechterhaltung eines gehobenen Lebensstandards für die Kinder resultiere.
Hiezu wurde erwogen:
Gemäß § 176 Abs 1 ABGB hat das Gericht im Falle einer Gefährdung des Kindeswohles durch die Eltern die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Diese Bestimmung räumt dem Gericht umfassende Möglichkeiten ein; es hat alle nötigen, dem Kindeswohl entsprechenden Maßnahmen innerhalb der rechtlichen Grenzen unter Beachtung der Rechte der Eltern und Dritter zu treffen (EvBl 1988/65 mwN). Bei akuter Gefährdung des Kindeswohles können gemäß § 176 ABGB auch vorläufige Maßnahmen getroffen werden (Schwimann in Schwimann, ABGB2 Rz 18 zu § 176 mwN). Derartige vorläufige Maßnahmen setzen aber das Vorliegen einer konkreten Gefährdung voraus. Es muß aufgrund eines bestimmten Verhaltens der Eltern oder eines Elternteils, in dem eine objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung elterlichen Pflichten zu erblicken ist, zu befürchten sein, daß das Wohl des Kindes beeinträchtigt werden wird (3 Ob 2204/96f = JUS Z 2236). Für die Anordnung einer vorläufigen Maßnahme sind wegen der Eilbedürftigkeit umfassende Erhebungen zu unterlassen, weil andernfalls bereits mit einer endgültigen Entscheidung vorgegangen werden könnte (1 Ob 2155/96k = ZfRV 1996, 246 mwN). Der von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommene Umstand, daß die Mutter zwei Gewerbebetriebe betreibt, daß am 14.11.1996 35 Exekutionen mit offenen Forderungen von 706.000 S anhängig waren und daß ein Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde, stellt keine konkrete Gefährdung dar. Auch aus erheblichen Schulden läßt sich nicht ohne weiteres der Schluß ziehen, daß die Mutter das für die Kinder bestimmte Geld für sich bzw zur Abdeckung ihrer Schulden verwenden werde. Zutreffend wird in diesem Zusammenhang in den Revisionsrekursen darauf hingewiesen, daß die Mutter die Unterhaltsnachzahlungen insoweit für sich selbst verwenden kann, als sie aus eigenem den Unterhalt der Kinder bevorschußt hat.
Als einzige konkrete Gefährdung ist dem Antrag des Vaters die Behauptung zu entnehmen, das Girokonto der Mutter weise einen erheblichen Sollwert auf und würde jegliche auf dieses Konto entrichtete Zahlung geradezu zwangsläufig nicht zugunsten der minderjährigen Kinder Verwendung finden können, sondern der Abdeckung des negativen Standes auf dem Girokonto dienen. Dieser Gefahr kann aber der Vater dadurch begegnen, daß er den Unterhalt nicht auf das Girokonto der Mutter überweist.
Es besteht daher kein Anlaß, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Die Kosten des Rekurses haben die Pflegebefohlenen schon deshalb selbst zu tragen, weil ein Kostenersatz im Pflegschaftsverfahren nicht vorgesehen ist (EFSlg 44.428 ua).
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