European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00029.19G.0919.000
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache wird zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.239,36 EUR (darin enthalten 236,18 EUR USt und 822,30 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft mit der Adresse B*****, auf der ein Haus steht. Der Erstkläger betreibt dort einen Landmaschinenhandel. Die beklagte GmbH, deren Geschäftszweig laut Firmenbuch der Autotransport ist, ist Betriebsanlageninhaberin und betreibt an der Adresse *****, ihren Gewerbebetrieb.
Die Gemeindestraße „B***** Straße“ (im Klagebegehren als „Nebenfahrbahn der B***** Straße“ bezeichnet), an der das Grundstück der Kläger liegt, verläuft parallel zur – ebenfalls als B***** Straße bezeichneten – Bundesstraße B*****. Die Fahrbahn der Gemeindestraße ist in gewissen Abschnitten nur 4,2 bis 4,4 m breit.
Die Betriebsanlage der Beklagten besteht seit Anfang der 70er Jahre (des 20. Jahrhunderts). Sie lagert dort auf mehreren benachbarten Grundstücken Fahrzeuge zwischen An- und Auslieferung, wobei eines dieser Grundstücke direkt an das Grundstück der Kläger angrenzt.
Bereits seit etwa zehn Jahren bestehen durch auf der Gemeindestraße abgestellte Autotransporter Probleme. Früher gab es die Probleme etwa vier bis fünf Mal im Jahr. In letzter Zeit kann es vorkommen, dass die Probleme vier bis fünf Mal pro Monat entstehen.
Im Winter 2016/2017 und auch im Jahr 2017 eskalierte die Situation, da zahlreiche Anlieferer der Beklagten ihre Autotransporter auch auf der Gemeindestraße hielten bzw parkten, sodass die Kläger, deren Kunden, Besucher und Lieferanten sowie auch deren Nachbarn teilweise nur erschwert, teilweise gar nicht zu ihren Häusern zufahren konnten. So war zB den Klägern während der ganzen Nacht vom 24. 1. 2017 auf den 25. 1. 2017 die Ab‑ und Zufahrt zu ihrer Liegenschaft unmöglich, sie konnten um 7:00 Uhr früh nicht zur Arbeit fahren. Am 21. 5. 2017 und am Folgetag wurde die Gemeindestraße von Lkws blockiert, sodass eine Anlieferung zur Firma des Erstklägers nicht möglich war. Die Lkw-Fahrer verbringen die Nacht in den abgestellten Lkws, so zB am 23. 8. 2017 und 29. 9. 2017, wodurch es zu Lärmbelästigungen durch die Fahrer und laufende Motoren, Verunreinigungen – auch durch menschliche Hinterlassenschaften – und Beschädigungen kommt. Die Lkws stehen oft über Stunden bis zu einem halben Tag und teilweise auch über die gesamte Nacht oder das gesamte Wochenende an bzw auf der Gemeindestraße. Besonders eng ist es im Winter, wenn der geräumte Schnee entlang der Gartenmauer eines Nachbarn liegt und auf der Gegenseite ein Lastwagen parkt. So war im Winter 2016/2017 einmal die gesamte Gemeindestraße für einen halben Tag durch die parkenden Lkws versperrt. Eine Durchfahrt war erst nach einem Polizeieinsatz möglich. Die entlang oder auf der Gemeindestraße parkenden Lkws werden nicht von der schon oft eingeschrittenen Polizei vertrieben, weil sich die Lkw‑Fahrer in den Fahrzeugen einsperren und das Geld laut Polizei nicht einbringlich gemacht werden kann.
Speziell zum Grundstück der Kläger ist Folgendes festzustellen: Manchmal kann an fünf Tagen pro Woche stundenweise nicht aus- oder zugefahren werden, manchmal auch nur zwei Mal pro Woche. Es kommt vor, dass die Lkws die ganze Nacht alles verparken oder von den frühen Morgenstunden bis Mittag. Es ist mehrfach pro Woche nicht möglich aus dem Carport auszufahren oder zuzufahren, weil alles durch die Lkws verparkt ist. Im Schnitt kann die Post zwei Mal pro Monat nicht zufahren. Von November 2016 bis Dezember 2016 konnte die Müllabfuhr drei Mal nicht zufahren. Auch Lieferanten konnten fünf bis zehn Mal nicht zufahren, weshalb der Erstkläger diese zum Abladen woanders hinschicken musste. Dadurch entstanden dem Erstkläger Kosten.
Die Autotransporter parken auch in den Bereichen, in denen die asphaltbefestigte Fahrbahnbreite lediglich 4,2 bis 4,4 m misst, und zwar teilweise nicht außerhalb des asphaltbefestigten Bereichs. Bei einer Fahrzeugbreite von 2,55 m plus Außenspiegel bleibt nur mehr eine restliche Durchfahrtsbreite von 1,6 bis 1,8 m. Ohne Bankettbenutzung kann dieser Bereich mit ausreichendem Sicherheitsabstand nicht mehr passiert werden. Dies gilt schon für normale Pkws mit einer Breite von üblicherweise 1,6 bis 2 m. Dies gilt umso mehr für allfällige Krankentransporte mit einer Breite von etwas mehr als 2 m. Davon ist auch das Grundstück der Kläger betroffen. Die Autotransporter parken auch auf Höhe von Haus- und Grundstückszufahrten, in einer sogenannten Engstelle, wobei hier der übrige Verkehr wesentlich beeinträchtigt wird bzw eine Zu- und Abfahrt zu den genannten Objekten nicht mehr möglich ist.
Ein Fahrstreifen hat „im verkehrstechnischen Sinne“ eine Breite von 2,6 m, damit jede Art von Fahrzeugen zu- und abfahren kann. Angesichts der Breite der Autotransporter ist somit bei der Fahrbahnbreite von 4,2 bis 4,4 m ein erlaubtes Parken nicht möglich. Teilweise ist hier schon mit normalen Pkws ein Passieren der Autotransporte nicht mehr möglich.
Seit 2007 ist die Familie der Kläger nahezu ständig im Kontakt mit den Mitarbeitern der Beklagten, wie zum Beispiel mit dem Portier oder auch anderen Mitarbeitern. Nach Beschwerden aus der Familie der Kläger veranlasste der Geschäftsführer der Beklagten, dass deren Mitarbeiter dafür sorgten, dass die Kläger wieder zu ihrem Haus zufahren konnten.
Grund für die Wartezeiten ist Folgender: Anlieferer müssen sich bei der Schrankenanlage beim Portier der Beklagten anmelden. Wenn die Zufahrt nicht sofort möglich ist, werden sie wieder weggeschickt und parken dann in der Gemeindestraße.
Die auf dem Betriebsgelände der Beklagten befindlichen Fahrzeuge kommen großteils direkt von den Herstellerwerken aus verschiedenen Ländern. Die Beklagte ist zwar in die mit den Herstellern geführten Preisverhandlungen involviert, hat aber keinen Einfluss darauf, welche bzw wie viele Fahrzeuge wann angeliefert werden. Die Beklagte verhandelt zwar direkt mit den Produzenten der Kraftfahrzeuge. Die Verträge werden aber zwischen der Beklagten und den jeweiligen Generalimporteuren in Österreich abgeschlossen, sodass kein direktes Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und den Produzenten besteht. Bei dem „Vorlauf“ der Ware, das sind jene Fahrzeuge, die direkt vom Werk oder von Häfen kommen, ist die Beklagte nur teilweise verantwortlich. Bei der Feinverteilung der Fahrzeuge auf die einzelnen Händler oder Autohäuser ist die Beklagte allein verantwortlich.
Wenn ein Pkw-Produzent die Beklagte mit dem Transport beauftragt, weiß diese, wie viele Fahrzeuge wann abzuholen sind und wann sie am Betriebsgelände einlangen. Diesfalls werden die Autotransporter relativ rasch auf das Firmengelände gelassen, weil diese planbar sind. Auch dann kann es aber wegen Überlastung am Betriebsgelände der Beklagten dazu kommen, dass Fahrzeuge außerhalb des Betriebsgeländes warten müssen.
Der überwiegende Teil der auf der Gemeindestraße wartenden Lkws kommt aber von Fremdfirmen. Wenn Mitbewerber die Transportaufträge erhalten, wird die Beklagte nicht darüber informiert, wann die Fahrzeuge bei ihr eintreffen, weshalb die Beklagte dies nicht planen und es zu längeren Wartezeiten kommen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass oft mehrere Fahrzeuge im Konvoi zur Beklagten fahren.
Der Transport der Fahrzeuge erfolgt zu einem Drittel mit der Bahn und zu zwei Drittel mit den Lkws. Von den zwei Drittel Lkw-Transporten hat die Beklagte zwei Drittel bis 75 % der Transporte selbst inne und kann diese daher steuern.
Spitzen gibt es vor allem am Monatsende, nach Feiertagen oder Zwickeltagen. Spitzenzeiten der Anlieferung bei der Beklagten sind Herbst und Winter.
Die Beklagte bemüht sich, bei Unternehmen, mit denen sie häufig in Kontakt steht, darauf hinzuwirken, rechtzeitig von einer kommenden Lieferung informiert zu werden. Dies funktioniert nur bedingt. Auf die (direkten) Auftraggeber der Beklagten wirkt die Beklagte diesbezüglich nicht ein, weil dies aus Sicht der Beklagten nicht möglich bzw geschäftsschädigend ist.
Bei weniger Kontingent würde der Beklagten wahrscheinlich der Platz auf ihrem Betriebsgelände ausreichen. Diesfalls wäre die Beklagte aber für einen bestimmten Autohersteller kein seriöser Vertragspartner mehr und verlöre dessen Aufträge, was einen Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge hätte.
Vor ca sieben oder acht Jahren standen wegen einer Krise in der Branche etwa zwei Drittel der Lagerflächen der Beklagten leer. Etwa seit dem vierten Quartal 2016 besteht ein sehr angespanntes Platzmanagement bei der Beklagten, weshalb für Ausweichplätze gesorgt werden musste. Die Beklagte versucht deshalb auch, ihrem Betriebsgelände angrenzende Flächen zu pachten.
Die Beklagte hat inzwischen für Ausweichflächen in anderen Orten in der Region gesorgt, zu denen die Fahrzeuge hingelotst und koordiniert werden. Im November 2017 war die Beklagte sogar gezwungen, bei einem Konkurrenten 2.000 Fahrzeuge abzustellen. Im Februar 2018 eröffnete die Beklagte ein zusätzliches Außenlager in Niederösterreich. Die Beklagte sucht weiterhin Ausweichflächen.
Das Platzpersonal der Beklagten erhielt die Anweisung, einen Ladekoordinator zu installieren. Einen solchen gibt es seit Sommer 2017. Er soll bei drohendem Lkw-Stau die Lkws entsprechend koordinieren. Dies hat die Lage zwar verbessert, dennoch kann es zur „Belegung“ der Gemeindestraße auch über Stunden kommen. In Spitzenzeiten beauftragte die Beklagte einen Lotsen, der verhindern sollte, dass Lkws auf die Gemeindestraße zufahren. Weil dann die Lkws direkt auf der Bundesstraße stehen blieben, schritt die Polizei ein.
Die Beklagte beauftragte im Februar 2017 ein technisches Büro für Verkehrswesen, eine Möglichkeit zu finden, um die klagsgegenständlichen Schwierigkeiten auszuräumen. Die Projekte dieses Büros befinden sich im Planungsstadium.
Die Kläger begehren, die Beklagte für schuldig zu erkennen, dafür zu sorgen, dass zu deren Betriebsanlage anliefernde Fahrzeuge auf der Nebenfahrbahn der B***** Straße nicht derart abgestellt/geparkt werden, dass es den Klägern bzw deren Besuchern nicht mehr möglich ist, zur Liegenschaft der Kläger zuzufahren. Sie bringen vor, es sei ihnen bzw ihren Besuchern manchmal gar nicht möglich, zu ihrer Liegenschaft zuzufahren bzw von ihrer Liegenschaft abzufahren. Teils sei die Zufahrt zwar möglich, aber völlig unzumutbar eingeschränkt. Interventionen bei der Beklagten, bei der Marktgemeinde und bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft hätten an der Situation im Wesentlichen nichts geändert. Da die Zulieferer der Beklagten aus „aller Herren Länder“ kämen, seien Besitzstörungsklagen faktisch unmöglich. Polizeieinsätze hätten keine Wirkung gezeigt, zumal sich die Lkw-Fahrer in ihren Lkws einschlössen. Die Beklagte habe als mittelbarer Störer die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, die auf sie zurückgehende, ihrer Interessenwahrung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommenen Störhandlungen zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern. Sie habe als Betriebsanlageninhaber die Möglichkeit, ausreichend Parkmöglichkeiten auf dem eigenen Betriebsgelände zu schaffen und so das Verparken der Zufahrtsstraße zu verhindern.
Die Beklagte wendet ein, das Grundstück der Kläger und das der Beklagten seien nicht benachbart. Den Klägern sei ein Zufahren zu ihrer Liegenschaft möglich. Selbst wenn jedoch anliefernde Lkws kurzzeitig auf der Zufahrtsstraße parkten, sei es der Beklagten rechtlich und faktisch unmöglich und unzumutbar, den Frächtern das Parken in der Fahrbahn zu verbieten bzw diese zu einer Handlung zu bewegen. Die Beklagte bemühe sich um eine für sämtliche Anrainer befriedigende Lösung. Da die Zufahrtsstraße eine Straße im Sinn des § 1 Abs 1 StVO sei, die somit von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden könne, und nicht im Eigentum der Kläger stehe, seien diese nicht klagslegitimiert. Die Kläger könnten selbst durch Besitzstörungsklagen unmittelbar gegen die Störer vorgehen oder durch Anzeigen bei der Exekutive Abhilfe schaffen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, mit einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB könne jeder als mittelbarer Störer belangt werden, der Eingriffe veranlasse, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen für die Störungen durch Dritte schaffe. Ohne den Betrieb der Beklagten käme es nicht zu den festgestellten Störungshandlungen durch anliefernde Autotransporter und deren Fahrer. Es genüge bereits objektive Rechtswidrigkeit, auf ein Verschulden oder auf eine Störungsabsicht komme es nicht an. Das im Eigentumsschutz übliche Unterlassungsbegehren sei kein Handlungsverbot, sondern ein „Erfolgsverbot“. Ob die Beklagte alles Zumutbare zur Hintanhaltung von Störungen getan habe, sei nicht im Titelverfahren, sondern im Impugnationsprozess zu erheben. Die passive Klagslegitimation des mittelbaren Störers setze voraus, dass er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit habe, die störenden Handlungen Dritter zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern. Dies treffe auf die Beklagte zu: Sie könne die Störungen durch die Anlieferer durch das Abstellen von Koordinatoren und Anmieten von Ausweichflächen verhindern. Sie könne auch in die Verträge mit den Generalimporteuren Klauseln aufnehmen, wonach diese die Anlieferung der Fahrzeuge bei der Beklagten avisieren müssten. Die ungehinderte Zu- und Abfahrt zu einem Haus/Parkplatz sei Bestandteil des Besitzes und des Eigentums. Die Kläger seien daher auch aktiv klagslegitimiert. Die Störungen seien ihnen nicht zumutbar.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf, trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss zu.
Es führte aus, die von der actio negatoria angestrebte Unterlassungspflicht schließe auch die Verpflichtung in sich, auf solche Dritte im Sinne der Unterlassung einzuwirken, auf die der zur Unterlassung Verpflichtete Einfluss nehmen könne. Die Ursache für die Probleme lägen letztlich darin, dass die Beklagte ein zu großes Kontingent an Fahrzeugen übernehme. Wirtschaftliche Gesichtspunkte der Beklagten könnten nicht dazu führen, dass die unmittelbaren Nachbarn nicht einmal mehr ihre Haus- und Grundstückseinfahrten benützen könnten. Da die Probleme schon seit etwa zehn Jahren bestünden, wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, entsprechende (weitere) Abstellflächen anzumieten. Ein Ausweg könnte auch darin bestehen, dass die Beklagte das Kontingent überhaupt verringere, wenn sie über keine ausreichenden Warteareale verfüge. Ob es sich bei den geparkten Fahrzeugen um Eigentransporte oder Fremdtransporte handle, sei irrelevant, weil die Beklagte auch bei Fremdtransporten auf die Störer einwirken könne und somit mittelbare Störerin sei. Besitz und Eigentum an einer Liegenschaft umfasse auch das Aus- und Einfahren. Auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinn des § 1 Abs 1 StVO stehe dem Grundeigentümer aber kein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen Verletzungen der Verkehrsvorschriften durch Verkehrsteilnehmer zu. Daraus folge, dass die Kläger nur hinsichtlich des Parkens vor der zur Liegenschaft gehörenden Haus- und Grundstückseinfahrt einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht geltend machen könnten. Wenngleich es für Anrainer unzumutbar sei, wenn eine Zufahrtsstraße zu ihren Liegenschaften durch Autotransporter so verparkt werde, dass ein Zufahren nicht mehr möglich sei, obliege die Durchsetzung des Parkverbots nach § 24 Abs 3 lit d StVO nicht den Gerichten, sondern den Organen der Straßenaufsicht. Der Umstand, dass die Kläger nur für den Bereich der unmittelbaren Grundstückszufahrt, nicht aber darüber hinaus einen Unterlassungsanspruch hätten, sei mit den Parteien nicht erörtert worden. Dazu fehlten auch ausreichende Feststellungen, weshalb das erstinstanzliche Verfahren ergänzungsbedürftig sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher mit der Reichweite des Eigentumsschutzes bei einem Verparken öffentlicher Straßen in einem vergleichbaren Fall noch nicht auseinandergesetzt habe. Dies betreffe vor allem die Abgrenzung zwischen dem Eingriff in das Eigentumsrecht bei einem Parken vor Haus- und Grundstückseinfahrten und einem bloß verwaltungsrechtlichen Schutz bei einem Verstoß gegen sonstige Parkverbote in der StVO.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Kläger mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.
Die Beklagte beantragt in der Rekursbeantwortung, der Oberste Gerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und das Klagebegehren abweisen; hilfsweise solle der Rekurs zurückgewiesen, hilfsweise ihm nicht Folge gegeben werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Reichweite des von § 523 ABGB gewährten Eigentumsschutzes verkannt hat. Er ist im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts auch berechtigt.
Die Rekurswerber machen im Wesentlichen geltend, ein Eingriff in ihr Eigentumsrecht liege nicht nur beim Verparken der unmittelbaren Grundstückszufahrt vor, sondern auch beim festgestellten Verparken der Zufahrtsstraße.
Hierzu wurde erwogen:
1. Haftung des mittelbaren Störers
Dass die Beklagte im Rahmen der Eigentumsfreiheitsklage auch als mittelbare Störerin grundsätzlich passiv legitimiert ist, haben die Vorinstanzen zutreffend beurteilt, weshalb insoweit auf deren Ausführungen verwiesen werden kann (vgl nur RS0011737; RS0103058).
Die Beklagte wendet in ihrer Rekursbeantwortung zwar zutreffend ein, der mittelbare Störer müsse nach der Rechtsprechung die rechtliche Möglichkeit oder gar Pflicht haben, den Eingriff durch Verbote oder Anweisungen abzustellen, die bloß faktische Möglichkeit der Einflussnahme auf Dritte genüge nicht (4 Ob 236/99f SZ 69/10; 7 Ob 80/17s).
Damit ist für die Beklagte aber nichts gewonnen: Auch dazu kann auf die Erwägungen des Erstgerichts verwiesen werden, wonach die Beklagte während der zehn (!) Jahre, in denen die durch ihre Geschäftstätigkeit verursachten Probleme bestehen, durch geeignete tatsächliche, aber auch rechtliche Maßnahmen (zB entsprechende Vertragsgestaltung mit ihren Geschäftspartnern) vorsorgen hätte können und müssen, um Rechtsverletzungen durch die unmittelbaren Störer zu verhindern. Dabei ist entscheidend, dass die Beklagte durch ihren Betrieb die Grundlage für die Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger geschaffen hat und sie deshalb die Verpflichtung zur Abwehr der von ihr verursachten Störungen durch geeignete Maßnahmen trifft, erforderlichenfalls auch durch Reduzierung der Aufträge (vgl 17 Ob 22/11a). Angesichts der langen Dauer der Störungen und der dadurch schon lange gegebenen Notwendigkeit, aber auch Möglichkeit, das Problem dauerhaft und grundsätzlich zu lösen, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte etwa hier und jetzt auf die konkreten Lkw-Lenker, die Fahrzeuge behindernd geparkt haben, erfolgreich einwirken kann. Das Klagebegehren ist daher auch nicht (etwa betreffend die „Fremdfahrzeuge“) zu weit gefasst.
2. Reichweite des Eigentumsschutzes
2.1. Das Berufungsgericht hat sich auf die oberstgerichtliche Rechtsprechung gestützt, wonach Grundeigentümern und Straßenerhaltern kein privatrechtlich durchsetzbarer Unterlassungsanspruch gegen Verletzungen der Verkehrsvorschriften durch Verkehrsteilnehmer zusteht (6 Ob 72/07t; 5 Ob 262/08b; RS0030105). Es hat weiter aus der Entscheidung 2 Ob 56/12t = RS0127925 gefolgert, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe nur für die Haus- und Grundstückseinfahrt.
Insoweit ist dem Berufungsgericht jedoch eine Fehlbeurteilung unterlaufen: Hier ist nicht maßgeblich, dass Private wie die Kläger Verstöße gegen die StVO (als öffentlich‑rechtliche Norm; hier kommen vor allem die Vorschriften über das Halten und Parken sowie über Halte- und Parkverbote [§§ 23 f StVO] in Betracht) nicht ahnden können. Es geht vielmehr um die ausschließlich nach privatrechtlichen Kriterien zu beantwortende Frage, ob durch die immer wieder gegebene und von der Beklagten verursachte Unmöglichkeit, mit (zweispurigen) Kraftfahrzeugen vom öffentlichen Straßennetz zum Grundstück der Kläger oder von dort zum öffentlichen Straßennetz zu gelangen, in das Eigentumsrecht der Kläger an ihrem Grundstück eingegriffen wird. Für diese Beurteilung ist es aber irrelevant, dass die Beklagte weder Grundeigentümerin noch Straßenerhalterin der Gemeindestraße ist, dass diese als Straße mit öffentlichem Verkehr nach § 1 Abs 1 StVO zu qualifizieren ist und ob und gegebenenfalls gegen welche Normen der StVO die Lenker der Lkws verstoßen haben.
2.2. Die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung 2 Ob 56/12t (= EvBl 2012/140 [zust Pesek ] = ZVR 2013, 131 [zust Stowasser ]) ist mit dem vorliegenden Fall insofern nicht vergleichbar, als dort durch ein sichtbehindernd abgestelltes Wohnmobil das Ausfahren aus dem Grundstück der Klägerin zwar erschwert war, aber nicht verhindert wurde. Hier steht hingegen fest, dass es immer wieder unmöglich war, mit Kraftfahrzeugen zu der Liegenschaft der Kläger zu gelangen oder von dieser wegzufahren.
2.3. Nach § 354 ABGB umfasst das Eigentum die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. § 362 ABGB ergänzt, dass der Eigentümer in der Regel seine Sache nach Willkür benützen oder unbenützt lassen kann.
Das Eigentum umfasst also auch das Recht, die Sache zu nutzen. Zur Nutzung einer Liegenschaft, die – wie hier – an das öffentliche Straßennetz angrenzt, gehört auch die Möglichkeit, von diesem auf das Grundstück und von dort auf die Straße zu gelangen. Nach heutigen Maßstäben umfasst dies aber regelmäßig auch die Erreichbarkeit mit zweispurigen Kraftfahrzeugen. Diese ist aber nicht nur dann nicht gegeben, wenn die unmittelbare Grundstückseinfahrt verstellt ist, sondern auch, wenn wie im vorliegenden Fall durch in einiger Entfernung von der Grundstückszufahrt geparkte Fahrzeuge die Zu- und Abfahrt zum und vom Grundstück der Kläger verhindert wird.
2.4. Demgemäß wurde in der Entscheidung 6 Ob 201/98x SZ 72/55 (zust Kodek, Besitzstörung [2002] 239) ausgesprochen, dass mit der Blockade einer Zufahrtsstraße zu einem Bauplatz durch Demonstranten, wodurch die Bautätigkeit an einem öffentlichen Bauvorhaben verhindert wird, ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Liegenschaftseigentümers verbunden ist, wenn die Blockade auf die dauerhafte Entziehung der Benützung der Bauliegenschaft ausgerichtet war (RS0111925). Auch die Entscheidung 4 Ob 97/88 SZ 61/220 spricht – wenn auch obiter – aus, der Eigentümer könne sich dagegen zur Wehr setzen, dass die Nutzung seines Grundstücks durch Handlungen beeinträchtigt wird, die außerhalb der ihm gehörigen Liegenschaft begangen werden, wie etwa die Blockierung einer Zufahrt (zust Kietaibl in Klang 3 [2011] § 354 ABGB Rz 14).
2.5. Nach diesen Erwägungen liegt ein Eingriff in das Eigentum der Kläger daher auch durch Lastkraftfahrzeuge vor, die nicht unmittelbar auf der Zufahrt zum Grundstück der Kläger, sondern in einiger Entfernung von diesem auf der Gemeindestraße so parken, dass den Klägern das Zu- und Abfahren zu und von ihrer Liegenschaft verwehrt ist.
3. Zuletzt ist auf die (weiteren) Argumente der Beklagten in der Rekursbeantwortung einzugehen.
3.1. Die festgestellten Bemühungen der Beklagten in der letzten Zeit, das Problem zu lösen, sind zwar anzuerkennen. Wenn es der Beklagten aber während der zehn Jahre, seit die Probleme erstmals aufgetreten sind, nicht gelungen ist, das Problem dauerhaft in den Griff zu bekommen, waren ihre Bemühungen offensichtlich unzureichend. Es geht nicht an, dass die Beklagte ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum dadurch ausweitet, dass sie dauerhaft in Kauf nimmt, dass Lkw‑Lenker in großem Stil gezwungen sind, ihre Fahrzeuge so zu parken, dass Anrainer wie die Kläger empfindlich in ihrem Grundeigentum beeinträchtigt werden. Dass die Wiederholungsgefahr beseitigt worden wäre, geht aus den Feststellungen jedenfalls nicht hervor.
3.2. Die Rekursgegnerin bringt vor, die Kläger hätten gegen die falsch parkenden Frächter oder deren Arbeitgeber verwaltungsstrafrechtlich und zivilrechtlich vorgehen können.
Dazu ist zunächst auf die sich aus den Feststellungen ergebenden faktischen und rechtlichen Schwierigkeiten (Lenker sperren sich im Lkw ein; Rechtsverfolgung im Ausland ua) zu verweisen, die diese Rechtsschutzmöglichkeiten als nur schwer zumutbar erscheinen lassen. Vor allem aber würden derartige rechtliche Möglichkeiten der Kläger nicht zum Erlöschen der Pflichten der Beklagten führen.
3.3. Die Entscheidung 7 Ob 703/82 ZVR 1983/123 (vgl RS0012129) ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil dort – anders als hier – der Kläger durch die Fahrzeuge, die Kunden des Beklagten unerlaubt auf dem Parkplatz des Klägers parkten, nicht daran gehindert wurde, mit einem mehrspurigen Fahrzeug auf sein Grundstück zu gelangen. Insoweit lag ein gleichartig schwerer Eingriff in das Eigentum nicht vor.
3.4. Auch aus der Entscheidung 1 Ob 625/94 SZ 68/145 (dazu krit Graf , Der sichtbare Dritte – Zur Haftung des sogenannten mittelbaren Störers, JBl 2015, 17 [33]) ist für die Beklagte nichts zu gewinnen: Dort war ein Wanderkartenhersteller auf Unterlassung des Vertriebs einer Wanderkarte geklagt, auf der der Beklagte ua unzutreffend einen Privatweg, der über Grundstücke des Klägers führte und von diesem durch Fahrverbotstafeln und Schranken gesperrt worden war, als markierten Radwanderweg dargestellt hatte. Der Oberste Gerichtshof wies das Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung ab, von der Wanderkarte angesprochene Radfahrer könnten zwar ungeachtet der fehlenden Zustimmung des klagenden Waldeigentümers zum Befahren des Waldes und damit zum Eingriff in das Eigentumsrecht des Klägers veranlasst werden. Spätestens jedoch, wenn ein Radfahrer an Ort und Stelle mit der Absperrung der Forststraße durch den Schranken und die Fahrverbotstafel konfrontiert sei, müsse ihm klar sein, dass er auf die Richtigkeit der Wanderkarte der Beklagten insoweit nicht mehr vertrauen dürfe, weil sich die Verhältnisse in der Natur eben anders darstellten. Bei Landkarten müsse immer mit einer gewissen Fehlerhaftigkeit gerechnet werden.
Der Eingriff in das Eigentumsrecht des dortigen Klägers durch eine falsche Einzeichnung in einer Wanderkarte kann schon in ihrer Intensität mit der hier vorliegenden Verhinderung der Zufahrt zum Grundstück der Kläger nicht verglichen werden. Im damaligen Fall konnten sich die Radfahrer an Ort und Stelle dazu entscheiden, auf dem gesperrten Weg eben nicht weiterzufahren und eine andere Route zu wählen. Im vorliegenden Fall sind wegen der festgestellten zeitweise mangelnden Stellplatzkapazitäten auf Grundstücken der Beklagten Lkw-Lenker mangels Alternativen faktisch gezwungen, irgendwo rechtswidrig zu parken und dadurch die festgestellten massiven Behinderungen zu verursachen.
4. Demgemäß besteht das Klagebegehren im vollen Umfang zu Recht, weshalb das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Der ERV‑Zuschlag beträgt im Rechtsmittelverfahren nur 2,10 EUR (vgl RS0126594 [T1]).
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