Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger macht Schadenersatzansprüche nach dem Bundesgesetz über den erweiterten Schutz für Verkehrsopfer BGBl. 322/1977 geltend. Im Revisionsverfahren ist nur noch umstritten, ob ihn an seiner Beschädigung ein Mitverschulden von 25 % trifft, weil er in Kenntnis des Umstandes, daß er nur noch wenig Benzin im Tank seines PKWs hatte, auf der Autobahn A 23 in Richtung Norden fuhr, wobei ihm auf der Praterbrücke das Benzin ausging, sodaß der Fahrzeugmotor abstarb und er den PKW mangels Vorhandenseins eines Pannenstreifens am rechten Fahrbahnrand anhielt.
Das Erstgericht sprach mit Teil- und Zwischenurteil ein Schmerzengeld von S 350.000,-- s.A. zu und weiters aus, daß die beklagte Partei dem Kläger für seine weiteren Leistungsansprüche von S 1,948.997,-- dem Grunde nach hafte. Der Kläger habe nach dem Stillstand seines Fahrzeuges sogleich die Warnblinkanlage eingeschaltet und sich zum Kofferraum begeben, um ein Pannendreieck herauszunehmen. Dabei sei er von einem auf der drei Fahrspuren aufweisenden Autobahn nachkommenden, unbekannt gebliebenen PKW angefahren und schwer verletzt worden. Der Unfallbereich sei durch die dort vorhandene, eingeschaltete Straßenbeleuchtungsanlage hinreichend beleuchtet gewesen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Umstand, daß dem Kläger das Benzin ausgegangen sei, er also vor Antritt der Fahrt nicht für genügend Treibstoff gesorgt habe und deshalb zum Stillstand gekommen sei, stelle kein meßbares Mitverschulden dar, sodaß seine Ansprüche nicht zu kürzen seien. Das Berufungsgericht verwies darauf, daß die Unfallstelle zur Unfallszeit hinlänglich künstlich beleuchtet gewesen und zwischen dem Anhalten des Fahrzeuges und der Kollision mit dem unbekannt gebliebenen PKW eine so große Zeitspanne vergangen sei, daß ein nachkommender Fahrzeuglenker jedenfalls auf das durch die Warnblinkanlage abgesicherte, stehende Fahrzeug unfallsverhindernd reagieren hätte können. Unter diesen Umständen bestehe kein Grund, den Kläger zur Mittragung seiner Schäden heranzuziehen, sodaß auf die Frage, ob ein durch zu geringen Treibstoffvorrat bedingtes Anhalten auf der Autobahn ein Mitverschulden begründen könne, nicht eingegangen werden müsse.
In der Revision bringt die beklagte Partei vor, dem Kläger sei ein 25 %iges Mitverschulden anzulasten, weil er Schutzbestimmungen iS des § 1311 ABGB übertreten habe, und er die Verpflichtungen nach den § 102, 103 KFG 1967 hätte einhalten müssen. Er habe wissentlich trotz geringen Treibstoffvorrates die Autobahn benützt, auf welcher ein Anhalten gemäß § 46 StVO verboten sei. Somit falle ihm ein Verschulden zur Last, welches unabhängig vom Gewicht des Verschuldens des unbekannt gebliebenen Lenkers, für welchen die beklagte Partei Kraft Gesetzes einzustehen habe, festzusetzen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dem Standpunkt der beklagten Partei kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 46 Abs. 3 StVO ist ein Fahrzeug, welches auf der Autobahn "wegen eines Gebrechens o.dgl. angehalten werden muß, möglichst auf dem Pannenstreifen abzustellen". Diese Gesetzesstelle schließt also ein Anhalten aus wichtigen Gründen im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 26 StVO auch auf der Fahrbahn nicht aus. Als solche wurden an einem Fahrzeug plötzlich auftretende Defekte (ZVR 1984/186; 8 Ob 204/82), auch plötzliche Übelkeit des Lenkers und ähnliches anerkannt. Das Befahren einer Autobahn mit erkennbar zu geringem Treibstoffvorrat kann, weil im allgemeinen ohne weiteres vermeidbar, grundsätzlich nicht als ein Grund angesehen werden, der das ungewollte zum Stillstand-Bringen des Fahrzeuges entschuldigen würde. Einem Autolenker, der solcherart den Stillstand seines Fahrzeuges auf einer Autobahn ganz bewußt riskiert, fällt demgemäß ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 46 Abs. 3 StVO zur Last. Damit ist vorliegendenfalls aber für die beklagte Partei nichts gewonnen.
Nach dem Inhalt des dem Akt angeschlossenen polizeilichen Unfallberichtes besteht im Unfallsbereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h. Der Unfallsbereich war zur Unfallszeit, wie auch aus den angeschlossenen Lichtbildern ersichtlich ist, umfassend künstlich beleuchtet. Das angehaltene Fahrzeug des Klägers, an welchem durch hinreichende Zeit auch die Warnblinkanlage eingeschaltet war, konnte daher leicht und rechtzeitig wahrgenommen werden. Die besondere Gefahr, welche im Hinblick auf die auf Autobahnen eingehaltenen hohen Geschwindigkeiten sonst von einem stehenden Fahrzeug auf der Fahrbahn ausgeht, war durch diese Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h ganz bedeutend herabgesetzt. Das Fehlverhalten des Klägers tritt daher gegenüber jenem des unbekannt gebliebenen Lenkers, der den stehenden PKW streifte und den Kläger niederfuhr, weitgehend in den Hintergrund.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist der auf die Bestimmungen des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer gegründete Anspruch gegenüber dem Fachverband - von den im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen - inhaltlich gleich jenem, der gegen einen versicherungspflichtigen Schädiger besteht (8 Ob 37/86). Es ist daher die Judikatur zu § 1304 ABGB, § 11 EKHG anzuwenden und vorliegendenfalls der Ansicht des Erstgerichtes zu folgen, daß das Mitverschulden des Klägers am Unfall vernachlässigt werden kann.
Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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