OGH 2Ob250/65

OGH2Ob250/652.12.1965

SZ 38/208

Normen

ABGB §1336
ABGB §1336

 

Spruch:

Die Vertragsstrafe setzt als abhängige Verpflichtung eine gültige Hauptverbindlichkeit voraus

Entscheidung vom 2. Dezember 1965, 2 Ob 250/65

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Das Erstgericht hat die beklagte Partei gemäß dem Klagebegehren verurteilt, der Klägerin den Betrag von 48.615 S s. A. zu bezahlen. Es hat festgestellt, daß die beklagte Partei am 27. Juni 1961 an die Klägerin einen Kaufantrag (eine Bestellung) hinsichtlich eines näher bezeichneten Caterpillars zum Preis von 486.150 S zur prompten Lieferung gerichtet habe; die Bezahlung des Kaufpreises sollte in 36 Monatsraten bei Einräumung eines Kredites der Verkäuferin unter Bürgschaft des Karl P. (eines Gesellschafters der beklagten Gesellschaft und ihres jetzigen Geschäftsführers) erfolgen; der Kaufvertrag sei unter dem Vorbehalt der Kreditgenehmigung gedacht gewesen, um welche die beklagte Partei unter einem am 27. Juni 1961 bei der Klägerin angesucht habe. Der Kaufantrag der beklagten Partei sei von der Verkäuferin (der klagenden Partei) gegen Ende Juni oder Anfang Juli 1961 angenommen worden. Das verkaufte Gerät sei bei der Klägerin zur jederzeitigen Auslieferung ab diesem Zeitpunkt bereitgestanden; die Dringlichkeit der Lieferung sei der Klägerin bekannt gewesen. Was die Kreditfrage betreffe, sei der Klägerin bekannt gewesen, daß die beklagte Partei wie auch ihr Gesellschafter und Bürge Karl P. zur Zeit der Bestellung ohne Barmittel gewesen seien; die Bedingungen der Kreditsicherung seien im Wege einer persönlichen Aussprache des Prokuristen der Klägerin Heinz R. mit Karl P. festzulegen gewesen, zu welchem Zweck die Klägerin Einladungen bzw. Urgenzen mit den Schreiben vom 26. Juli 1961, 28. November 1961, 19. Juli 1962 und 17. September 1962 an den Genannten bzw. die beklagte Partei gerichtet habe. Der Kredit sei der beklagten Partei von der Klägerin noch nicht gewährt worden; gegenüber der beklagten Partei oder Karl P. sei auf von der Klägerin nicht erklärt worden, daß der Kredit in einer bestimmten Form bereits bewilligt worden sei. Die Klägerin sei nicht in Lieferverzug gekommen, weil laut den maßgeblichen Bedingungen die Lieferfrist erst mit dem Zeitpunkt der Genehmigung des Kredites zu laufen begonnen hätte. Auf die genannten Einladungen und Urgenzen habe die beklagte Partei in keiner Weise reagiert; erst am 11. Jänner 1963 habe der Machthaber der beklagten Partei der Klägerin zu Handen ihres Rechtsanwaltes mitgeteilt, daß die Klägerin die Lieferverpflichtungen nicht eingehalten habe; rund 1 1/2 Jahre nach der Bestellung habe die beklagte Partei kein Interesse mehr an der Lieferung; die Übernahme des Caterpillars werde abgelehnt und die Bestellung als storniert betrachtet. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Stornogebühr in der Höhe von 10% der Kaufpreissumme sei bei diesen Umständen laut den maßgeblichen Verkaufs- und Lieferbedingungen begrundet. Denn die beklagte Partei habe durch ihre Untätigkeit die Voraussetzungen für die Kreditgewährung nicht erfüllt und die Verzögerung der Lieferung, welche von der Krediteinräumung abhängig war, selbst herbeigeführt; bis zur Stornierung der Bestellung seitens der beklagten Partei sei die Klägerin lieferbereit gewesen; die Kreditgewährung sei bis dahin immer noch in Aussicht gestanden; die Klägerin habe insolange an eine Ablehnung nicht gedacht.

Der Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht Folge gegeben und in Abänderung des Ersturteils das Zahlungsbegehren punkto 48.615 S s. A. abgewiesen. Es hat die in der Berufung bekämpften Feststellungen des Erstrichters, der von er beklagten Partei laut Kreditantrag vom 27. Juni 1961 angestrebte Kredit in der Höhe des Kaufpreises von 486.150 S sei von der Klägerin bisher nicht gewährt und von der Klägerin sei auch keine bindende Zusage in dieser Richtung gemacht worden, als unbedenklich übernommen und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, der Berufung komme aus von der Berufungswerberin nicht geltend gemachten Erwägungen Berechtigung zu; es könne dahingestellt bleiben, ob die schriftliche Mitteilung der beklagten Partei vom 11. Jänner 1963 als Storno-Erklärung anzusehen sei und ob die Beklagte zu einer solchen Erklärung berechtigt gewesen sei; jedenfalls räume die Mitteilung der Beklagten vom 11. Jänner 1963 der Klägerin nicht das Recht ein, den bedingt abgeschlossenen Kaufvertrag als einen unbedingt geschlossenen Vertrag zu betrachten oder die vereinbarte Bedingung der Gewährung des Kredites als erfüllt anzusehen und aus dem noch nicht in Rechtswirksamkeit getretenen Vertrag eine Stornogebühr, also eine Vertragsstrafe, gegenüber der beklagten Partei geltend zu machen. Das Begehren sei allein auf die Vereinbarung der Stornogebühr gegrundet worden; eine solche gebühre aber der Klägerin mangels Rechtswirksamkeit des Vertrages nicht; der Vorbehalt, daß das Kauf- und Lieferungsgeschäft nur im Falle der Kreditgewährung in Wirksamkeit trete, sei als Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung anzusehen und mangels ihres Eintrittes sei der Kaufvertrag nicht wirksam geworden. Die Klägerin habe ihr Begehren nicht darauf gegrundet, daß ihr durch Verschulden der Beklagten die Möglichkeit genommen worden sei, den Kreditantrag einer aufrechten Erledigung zuzuführen, woraus der Klägerin ein ziffernmäßig zu bestimmender und in der behaupteten Höhe nachzuweisender Schaden entstanden sei. Eine Stornogebühr als Vertragsstrafe könne die Klägerin nicht wirksam verlangen. Somit könne ungeprüft bleiben, ob zwischen den Parteien ein Fixgeschäft vereinbart worden sei und was daraus zu folgern wäre; des weiteren, ob es als Verschulden der Beklagten zu werten sei, daß sie den Einladungen der Klägerin zur Besprechung der Kreditangelegenheit nicht nachgekommen sei; es seien auch nähere Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der beklagten Partei oder ihres Gesellschafters Karl P. zur Zeit der Bestellung (27. Juni 1961) entbehrlich, ebenso darüber, in welchem Zeitraum nach einer allfälligen Kreditgewährung die Auslieferung der Arbeitsmaschine nach den Kauf- und Lieferbedingungen hätte erfolgen sollen.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und wies die Streitsache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von der Berufungsinstanz gebrauchte einzige Klagsabweisungsgrund trifft nicht zu. Zwar ist eine vereinbarte Stornogebühr als Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB.) zu werten (vgl. z. B. 8 Ob 224/64) und der Berufungssenat hat auch zutreffend dargelegt, daß die Vertragsstrafe als abhängige Verpflichtung eine gültige Hauptverbindlichkeit voraussetze (vgl. Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 192, zu und in Fußnote 64, sowie z. B. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30. Jänner 1884, GlU. Nr. 9866); es kommt auch dem Hinweis der Revisionswerberin auf den Spruch Nr. 234 vom 3. 3. 1914 vorliegendenfalls keine Bedeutung zu; es gilt nämlich zwar eine Bedingung als eingetreten, wenn der Eintritt dieser Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert worden ist; die Kreditgenehmigung als Bedingung des Kaufvertrages laut Antrag vom 27. Juni 1961 ist aber nicht als eine zum Nachteil der beklagten Partei gesetzte Bedingung anzusehen, so daß die Grundsätze des bezeichneten Spruches diesfalls keine Anwendung finden. Die Revisionswerberin macht aber mit Recht geltend, daß sie ihr Leistungsbegehren nicht auf den Rechtsgrund der vereinbarten Konventionalstrafe gestützt habe.

Schon in der Klage heißt es: "Da die beklagte Partei erstmalig mit Schreiben vom 11. Jänner 1963 die Stornierung des Vertrages aussprach, sind wir berechtigt, aus dem Titel des Schadenersatzes den Verdienstentgang, der mehr als 10% des Kaufpreises beträgt, zu begehren, wobei wir jedoch lediglich 10% der Kaufsumme begehren, da laut unseren Kauf- und Lieferungsbedingungen eine 10%ige Stornogebühr vom Käufer zu bezahlen ist." Als Beweis wird Korrespondenz und Parteienvernehmung angeboten. Aus dem bezeichneten Prozeßvorbringen der Klägerin ist abzuleiten, daß sie wegen des von ihr behaupteten vertragswidrigen Verhaltens der beklagten Partei Ersatz von Verdienstentgang begehrt, dessen Höhe auf 10% des Kaufpreises eingeschränkt wird, entsprechend der in den Bedingungen aufscheinenden 10%igen Stornogebühr, gerechnet von der vollen Kaufsumme. Gegenüber den Ausführungen des Berufungsgerichtes macht also die Revisionswerberin zutreffend geltend, daß ihr Begehren nicht auf Zahlung der Stornogebühr, sondern auf Ersatz von Verdienstentgang, limitiert mit 10% der Kaufsumme, gerichtet sei. Der Nennung der Stornogebühr im Prozeßvorbringen der Klägerin kommt nicht die Bedeutung der Anführung des Klagegrundes auf Leistung einer Konventionalstrafe zu, vielmehr wird damit nur begrundet, warum die Höhe des Verdienstentgangsersatzanspruches mit 10% der Kaufsumme begehrt wird.

Daraus ergeben sich für die Erledigung die nachstehenden Folgerungen:

Der vom Berufungssenate gebrauchte Klagsabweisungsgrund ist nicht gegeben. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Berufungsinstanz die Berufung der beklagten Partei gegen das Ersturteil beweis- und tatsachenmäßig nicht erledigt, so daß in dritter Instanz nicht abschließend entschieden werden kann. Sollte das Berufungsgericht im künftigen Verfahren zum Ergebnis kommen, daß das Schadenersatzbegehren der Klägerin dem Gründe nach zu bejahen sei, wird es Feststellungen zur Höhe des Verdienstentganges zu treffen oder zu veranlassen haben, da diese Frage noch offen ist (das Erstgericht hat die Entscheidung über die Höhe auf die 10%ige Stornogebühr abgestellt, was nach den obigen Ausführungen abzulehnen ist; es ist ja nicht nachgewiesen, daß der konkrete Verdienstentgang der Klägerin diese Höhe erreicht hat).

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