OGH 2Ob247/12f

OGH2Ob247/12f14.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** B*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagten Parteien 1. N***** E*****, und 2. Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, beide vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 62.015,68 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 36.457,84 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2012, GZ 1 R 175/12p-42, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das Berufungsgericht bestätigte im Wesentlichen das Teil- und Zwischenurteil des Erstgerichts, welches dem Zahlungs- und Feststellungsbegehren des Klägers aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22. 9. 2010 - bei welchem der Kläger als mit Luftdruck die Fahrbahn reinigender Straßenarbeiter von dem von der Erstbeklagten gelenkten Pkw niedergestoßen wurde - stattgab.

Die Beklagten machen in ihrer außerordentlichen Revision geltend, dass das Berufungsgericht entgegen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere 2 Ob 157/09s und 2 Ob 28/89, ein Mitverschulden des Klägers verneint habe. Es treffe denjenigen die Pflicht zur Absicherung der Baustelle, der die Straßenbauarbeiten tatsächlich ausführe. Dem Kläger hätte die Unzulänglichkeit der Zusatztafel „Mäharbeiten“ klar sein müssen. Schließlich sei es leichtsinnig und sorglos gewesen, dass der Kläger Arbeiten im Bereich der Fahrbahn durchgeführt habe, ohne auf den Verkehr zu achten. Es treffe ihn ein Mitverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls im Ausmaß von 50 %.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

1. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung und Absicherung einer Straßenbaustelle trifft den Bauführer, nicht aber dessen Bediensteten (RIS-Justiz RS0023676). Ob der Bedienstete mit der Sicherung der Baustelle betraut wurde, ändert daran nichts (RIS-Justiz RS0023676 [T3]). Der Bedienstete des Bauführers haftet nur dann, wenn er einem (konkreten) Auftrag seines Dienstgebers zur Absicherung oder Kennzeichnung der Baustelle schuldhaft nicht nachgekommen ist (RIS-Justiz RS0107260).

2. Soweit sich die Beklagten auf die Entscheidung 2 Ob 157/09s berufen, übersehen sie, dass dort der Geschädigte Geschäftsführer des die Straßenbauarbeiten durchführenden Subunternehmens war und in dieser Eigenschaft die Baustelle leitend betreute und für die dort aufgestellten Verkehrsschilder verantwortlich war. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

3. Ein mit der Durchführung von Straßenarbeiten befasster Arbeiter ist nicht den Regeln der StVO über den Fußgängerverkehr unterworfen (RIS-Justiz RS0075503). Das enthebt ihn jedoch nicht, jene Sorgfalt gegenüber seiner körperlichen Integrität an den Tag zu legen, die unter den gegebenen Umständen unerlässlich ist, um ihn vor Schaden zu bewahren (RIS-Justiz RS0075503 [T2]).

In der Entscheidung 8 Ob 18/86 wurde ein Überqueren der Fahrbahn, ohne dem Verkehr dabei die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, als leichtsinnig und sorglos angesehen (Mitverschulden ¼).

Kein Mitverschulden des Geschädigten wurde in der Entscheidung 2 Ob 28/89 angenommen (kurzes Verweilen auf einer dem Baustellenverkehr vorbehaltenen Fahrbahnhälfte, keine Gehörwahrnehmung wegen Baustellenlärms, kein Kontrollblick hinsichtlich möglichen LKW-Verkehrs).

Die Entscheidung 2 Ob 157/09s legte dem Kläger, der sich nur auf seine Kontrollaufgaben konzentrierte, eine erhebliche Unaufmerksamkeit zur Last und gelangte - auch aufgrund einer Schutznormverletzung als Bauleiter - zu einer Mitverschuldensquote von einem Drittel.

Zuletzt verneinte der Senat in der Entscheidung 2 Ob 76/12h (Markierungsarbeiten im Bereich einer Autobahnauffahrt) eine Sorglosigkeit des Klägers.

4. Allen diesen Entscheidungen gemeinsam ist, dass sie auf die spezifischen Umstände des jeweiligen Unfallgeschehens Bedacht nahmen. Die Frage der gebotenen Sorgfalt und insbesondere der Zumutbarkeit einer aufmerksamen Beobachtung des Verkehrsgeschehens ist somit jedenfalls eine solche des Einzelfalls (vgl 2 Ob 76/12h = RIS-Justiz RS0075489 [T5]) und wäre daher nur bei krasser Fehlbeurteilung rechtserheblich.

5. Im vorliegenden Fall ist eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts nicht gegeben, sprechen doch Absicherung des Arbeitsbereichs durch das Gefahrenzeichen „Andere Gefahren“; die Warnleuchten am orangefarbenen Begleitfahrzeug sowie die auffällige Arbeitskleidung des Klägers gegen einen relevanten Sorgfaltsverstoß desselben. Der Umstand, dass die Zusatztafel „Mäharbeiten“ die Arbeit des Klägers nicht genau bezeichnete sowie das wegen der unzureichenden Gehörwahrnehmung erhöhte Aufmerksamkeitserfordernis fallen dem gegenüber nicht maßgeblich ins Gewicht. Die - ein Mitverschulden des Klägers verneinende - Beurteilung des Berufungsgerichts ist daher vertretbar.

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