OGH 2Ob2419/96s

OGH2Ob2419/96s12.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton R*****, vertreten durch Dr.Heinz-Dieter Flesch, Rechtsanwalt in Voitsberg, wider die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Griss und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 115.092,80 (Revisionsinteresse: S 67.197,81) sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3.Juni 1994, GZ 3 R 201/93-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11.Juni 1993, GZ 16 Cg 74/93z-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach rechtskräftigem Zuspruch eines Betrages von S 47.894,99 samt 4 % Zinsen seit 18.4.1990 mit Teilurteil ON 16 (bestätigt vom Gericht zweiter Instanz mit Urteil ON 22) ist nur noch Streitpunkt, ob die beklagte Partei aufgrund der vollen Haftung für alle Schadensfolgen des Verkehrsunfalls vom 27.3.1990 auch noch den strittig verbliebenen Betrag von S 67.197,81 auf den der Höhe nach unstrittigen Fahrzeugschaden von S 111.000,-- zu ersetzen hat.

Der Kläger gründet dieses Begehren neben umfangreichem Vorbringen über die Modalitäten und den Inhalt des über das Unfallfahrzeug mit einer Leasinggeberin geschlossenen Leasingvertrages und seiner daraus abgeleiteten Klagslegitimation auch darauf, daß die Leasinggeberin ihm (und seiner Ehegattin, die ihm ihre Rechte weiter abgetreten hat) alle Ansprüche gegenüber "der schädigenden Haftpflichtversicherung" (=Haftpflichtversicherung des Schädigers bzw Fahrzeughalters des gegnerischen Unfallsfahrzeuges) abgetreten habe.

Die beklagte Partei brachte im ersten Rechtsgang dazu vor, der Kläger mache unzulässigerweise einen mittelbaren Schaden geltend, nur die als Fahrzeugeigentümerin tatsächlich geschädigte Leasinggeberin sei zur Klage legitimiert. Gegen das im zweiten Rechtsgang erstattete weitere Tatsachenvorbringen des Klägers erstattete sie kein weiteres Tatsachenvorbringen.

Das Erstgericht wies das verbliebene Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger (sowie seine Ehegattin) als Leasingnehmer sei nur zur Geltendmachung jenes Schadens berechtigt, der ihn im Umfang der Vertragsabrechnung getroffen habe (und ihm bereits mit Teilurteil zugesprochen worden sei). Bezüglich der Differenz zum Fahrzeugwert (Zeitwert abzüglich Wrackwert bzw Wrackerlös) käme ein Schadenersatzanspruch des Leasingnehmers nur dann in Betracht, wenn der Leasinggeber aus dem Unfall einen typischen Schaden erlitten und die sich daraus ergebenden Ansprüche an den Leasingnehmer abgetreten hätte. Die vom Kläger behauptete Abtretung stellte das Erstgericht allerdings nicht fest.

Das Gericht zweiter Instanz stellte ergänzend fest, daß die Leasinggeberin des beschädigten Fahrzeuges mit Schreiben vom 7.6.1990 alle ihre Ansprüche gegenüber "der schädigenden Haftpflichtversicherung" (damit gemeint: der Haftpflichtversicherung des unfallsgegnerischen Fahrzeuges und damit der beklagten Partei) an die Leasingnehmer (den Kläger und dessen Ehegattin) abgetreten hat, und sprach dem Kläger auch den strittig verbliebenen Betrag zu. Sei dieser Anspruch nicht schon aufgrund des in erster Instanz eingenommenen Prozeßstandpunktes der beklagten Partei ("nur die tatsächlich geschädigte Leasinggeberin sei zur Einbringung der Klage legitimiert") und der ergänzenden Feststellung über die Abtretung begründet, dann sei er es jedenfalls auch nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen. Das Erstgericht irre mit seiner Ansicht, die Leasinggeberin sei nur in Höhe der "Totalschadensabrechnungssumme" gegenüber den Leasingnehmern geschädigt worden und hätte daher auch nur Ansprüche in dieser Höhe abtreten können. Ein Schaden gemäß § 1293 ABGB sei jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Gemäß § 1323 (gemeint: § 1332) ABGB sei der Ersatz für eine Sache nach dem gemeinen Wert zur Zeit ihrer Beschädigung zu leisten. Sei die Sache beschädigt worden, so sei der objektive Schaden durch Vergleich des gemeinen Wertes der Sache vor der Beschädigung und ihres Wertes nach der Beschädigung zu ermitteln, im Falle des vorliegenden Totalschadens also mit dem der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 111.000,--. Da im Fall der objektiven Schadensberechnung nur auf das verletzte Rechtsgut allein und nicht auf das gesamte Vermögen des Geschädigten abgestellt werde, könnten Vorteile, die im sonstigen Vermögen des Geschädigten durch das schädigende Ereignis entstanden seien, nicht berücksichtigt werden. Obwohl im sonstigen Vermögen der Leasinggeberin zufolge der von den Leasingnehmern vertraglich übernommenen und im Anlaßfall auch erfüllten Verpflichtungen kein Schaden eingetreten sei, könne die "Drittleistung" der Leasingnehmer daher nicht zur Entlastung des nach den Bestimmungen des EKHG zum Schadenersatz Verpflichteten führen. Somit habe die beklagte Partei als "abgetretene Schuldnerin" gegenüber dem Kläger als Zessionar für den im Vermögen der Leasinggeberin eingetretenen restlichen (daher insgesamt für den vollen) Fahrzeugschaden einzustehen. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedürfe es keiner Erörterung der Frage, ob dem Leasingnehmer ein eigener Ersatzanspruch aufgrund der Beeinträchtigung seines Gebrauchsrechtes zustehe. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bestehe keine Veranlassung für die Zulassung der ordentlichen Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zwar zulässig, weil die zu lösende Frage der Berechnung des Schadens des Leasinggebers zufolge eines bei einem Unfall beschädigten Leasingfahrzeuges die in § 502 Abs 1 ZPO geforderte Bedeutung aufweist; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Vorweg ist der Revisionswerberin - wie dies schon das Berufungsgericht tat - vor Augen zu führen, daß es hier nicht entscheidend um die Problematik der Schadensverlagerung (vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer) und schon gar nicht um die zwischen den Parteien des Leasingvertrages bestehenden Rechtsbeziehungen über die Beendigung des Leasingvertrages zufolge des beim vorliegenden Unfall eingetretenen Totalschadens des Leasingfahrzeuges geht, sondern darum, welchen Schaden die Leasinggeberin durch den gegenständlichen Verkehrsunfall, für dessen Folgen die beklagte Partei voll haftet, erlitten und demnach an den Kläger (und dessen Ehegattin) als Leasingnehmer abgetreten hat. Es erübrigt sich daher, auf die Revisionsausführungen über den - je nach der Dauer des jeweiligen Leasingvertrages unterschiedlichen - Buchwert eines Leasingfahrzeuges, sowie auch die Dauer des konkreten Leasingvertrages und die vom Kläger und seiner Ehegattin geleisteten Leasingraten und dergleichen einzugehen.

Das im Unfallszeitpunkt im Eigentum der Leasinggeberin stehende Fahrzeug hatte vor dem Unfall einen Zeitwert von S 120.000,--, nach dem Unfall einen Wrackwert von S 9.000,--. Der eingetretene Sachschaden betrug daher nach der schon vom Berufungsgericht zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) dargelegten objektiv-abstrakten Schadensermittlung den der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 111.000,--. In diesem Ausmaß erfuhr die Vermögenslage der Leasinggeberin daher unabhängig davon eine Minderung, daß aufgrund des mit dem Kläger und seiner Ehegattin geschlossenen Leasingvertrages über dieses Fahrzeug die Leasinggeberin vor und nach dem Unfall Vertragsentgelte lukrierte. Der Ersatz des objektiven Wertes beruht auf dem Gedanken der Rechtsfortwirkung; daher wird nur auf das verletzte Rechtsgut allein, nicht auch auf das gesamte sonstige Vermögen des Geschädigten abgestellt; Vorteile die - ausgelöst durch das schädigende Ereignis - im sonstigen Vermögen des Geschädigten entstehen, sind nicht "schadensmindernd" zu berücksichtigen (Koziol, Haftpflichtrecht**2 I 199 f). Der unmittelbar Geschädigte kann somit stets den objektiv berechneten Schaden als Ersatz begehren (siehe auch Koziol/Welser10 I 468). Dies ist auch aus der Sicht des Schädigers sachgerecht, der rechtswidrig und schuldhaft die Beschädigung der fremden Sache verursacht und damit ihre objektive Wertminderung zu vertreten hat (vgl Koziol/Welser aaO).

Die zutreffende Entscheidung der Vorinstanz ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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