Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.605,-- S (darin 1.267,50 S an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 29. September 1992 war der vom Versicherungsnehmer der Beklagten Günther M***** gehaltene Traktor mit dem behördlichen Kennzeichen St ***** bei der Beklagten haftpflichtversichert. Hugo M*****, der Großvater des am 10. 10. 1979 geborenen Roland W*****, entlieh den Traktor vom Halter (seinem Sohn). Gegen 15,30 Uhr des 29. September 1992 fuhr Hugo M***** mit dem Traktor auf der Gemeindestraße von Wetzelsdorf in Richtung Zabernegg, um auf seinem Wiesengrundstück Gras zu mähen. Auf dem Traktor fuhr Roland W***** mit. Hugo M***** ließ sodann Roland W***** (auf dessen Bitte) mit dem Traktor das Gras auf der Wiese mähen. Als dieser die Mäharbeit beendet hatte, befestigte er den Mähbalken am Traktor und wollte die Kehrmaschine, die sich auf der Wiese befand, holen. Während dieser Fahrt benützte er ein kurzes Stück die Gemeindestraße und bog dann "stark nach links" auf die Wiese ein, wobei der Traktor umstürzte. Dadurch wurde Roland W***** schwer verletzt.
Hugo M***** wurde mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Stainz wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung (durch gröbliche Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht gegenüber dem Unmündigen) gemäß § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
Die Klägerin erbrachte und erbringt Versicherungsleistungen für Roland W*****. Sie beruft sich auf die Legalzession gemäß § 332 Abs 1 ASVG und behauptet, die Beklagte habe für das grobe Verschulden des Hugo M*****, das in der Überlassung des Lenkens des Traktors an den Unmündigen gelegen sei, einzustehen. Ihr Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung gründe sich auch auf § 1 Abs 2 AKHB 1988. Überdies sei Hugo M***** Mithalter des Traktors im Sinn des § 5 EKHG gewesen. Sie begehre die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Pflichtaufwendungen an Roland W***** wegen des Unfalls vom 29. September 1992, soweit im Ersatzanspruch des Roland W***** gegen die beklagte Partei ein Deckungsfonds gegeben sei, wobei die Leistungspflicht der Beklagten mit ihrer Leistungspflicht aus dem im Unfallszeitpunkt für das Unfallsfahrzeug abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsbetrag begrenzt sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, den Halter treffe kein Verschulden am Unfall des Unmündigen. Dieser habe auf "eigene Gefahr gehandelt" und den Unfall selbst verschuldet, er sei auch nicht als geschädigter Dritter anzusehen. Im übrigen werde der Klageführung "unzulässige Rechtsausübung" entgegengehalten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht kam es zum Ergebnis, die Überlassung der Lenkung eines Traktors an den knapp 13jährigen Roland W***** stelle eine grobe Fahrlässigkeit (seines Großvaters) dar. Der Unmündige sei nicht als berechtigter Fahrer anzusehen, weshalb ein "objektiver Risikoausschluß" vorliege. Überdies sei das Begehren rechtsmißbräuchlich, weil ihm die Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme des Traktors bewußt gewesen sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Nach ständiger Rechtsprechung (ZVR 1991/110; JBl 1982, 213) sei ohne ausdrückliche Erlaubnis des Halters nicht zu vermuten, daß ein bloßer Entlehner des Kraftfahrzeuges berechtigt sein sollte, die ihm anvertraute Lenkung des Fahrzeuges an Dritte weiterzugeben, soferne nicht besondere Umstände dafür sprächen. Im konkreten Fall seien derartige Umstände gar nicht behauptet worden. Erst recht müsse dies für die Weitergabe des Fahrzeugs an eine nach dem Gesetz zu dessen Lenkung gar nicht berechtigte Person gelten. Gemäß § 1 Abs 1 der im Unfallszeitpunkt geltenden AKHB 1988 umfasse die Versicherung die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben würden, ua dann, wenn durch die Verwendung des Fahrzeuges gemäß § 1 Abs 1 KFG 1967 - also auf Straßen mit öffentlichem Verkehr - Menschen verletzt worden seien. Mitversicherte Personen seien der Eigentümer, der Halter und die Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätig geworden seien, mit seinem Willen mit dem Fahrzeug befördert würden oder den Lenker einwiesen. Hinsichtlich dieser Personen, soferne sie nicht Versicherungsnehmer seien, sei die Versicherung für fremde Rechnung geschlossen. Die mitversicherten Personen könnten ihre Ansprüche selbständig geltend machen (§ 1 Abs 2 AKHB 1988).
Überlasse der berechtigte Lenker das Kraftfahrzeug einer anderen Person, die einen Verkehrsunfall verursache, so verliere er damit seine Eigenschaft als Mitversicherter im Sinne des § 1 Abs 2 AKHB (VR 1981, 156). Im konkreten Fall sei daher Hugo M***** nur bis zur Überlassung der Lenkung des Traktors an den Unmündigen mitversicherte Person gewesen. Unter "gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen" seien nicht nur jene des EKHG zu verstehen, sondern auch die Schadenersatznormen des ABGB.
Wer ein fremdes Kraftfahrzeug benutze, sei mangels Verfügungsgewalt nicht Halter, wenn er es nur für eine bestimmte Fahrt verwenden dürfe. Daher sei Hugo M***** am 29. September 1992 weder Halter noch Mithalter des Traktors gewesen. Benutze nun ein Dritter (der Unmündige) unbefugt das Kraftfahrzeug im Interesse der Vertrauensperson des Halters, so hafte diese Vertrauensperson als Schwarzfahrer nach § 6 Abs 2 EKHG. Wisse der unbefugte Lenker davon, sei auch er Schwarzfahrer. Da hier der Unmündige den Traktor im Interesse seines Großvaters benutzt habe, scheide eine Haftung des Halters und damit auch der Beklagten als Haftpflichtversicherer aus.
In dem vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fall ZVR 1988/31 habe ein alkoholisierter Lenker eines Motorrades einen Unfall verschuldet, bei dem er selbst zu Schaden gekommen sei, und gegen den Haftpflichtversicherer des Motorrades, das ihm der Versicherungsnehmer (Halter) des Fahrzeuges zur Lenkung überlassen habe (der auch selbst mitgefahren sei) Schadenersatzansprüche erhoben. In der genannten Entscheidung sei ausgeführt worden, die Voraussetzungen des (damals noch geltenden) § 59a Abs 1 KFG bzw des Art 1 Abs 1 AKHB (1967), nämlich die Verletzung des Klägers bei der Verwendung des haftpflichtversicherten Motorrades lägen vor, sodaß der Kläger zur Erhebung von auf das Verschulden des Versicherungsnehmers gestützten Schadenersatzansprüchen auch unmittelbar gegen den Versicherer berechtigt sei. Insofern sei der Kläger auch "geschädigter Dritter" im Sinne des damals geltenden § 3 Abs 1 KFG gewesen. Die in dieser Entscheidung enthaltenen rechtlichen Ausführungen, auf die sich die Klägerin im Verfahren beziehe, ließen sich schon wegen des anders gelagerten Sachverhaltes und Klagsgrundes nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur - immerhin denkmöglichen - Qualifi- kation des Lenkers eines Fahrzeuges als "geschädigter Dritter", bezogen auf die im Jahr 1992 geltenden Bestimmungen der AKHB 1988 und des KHVG 1987, fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das zweitinstanzliche Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Zentrale Frage des vorliegenden Rechtsstreites ist, ob der minderjährige Traktorlenker im Zusammenhang mit dem vorliegenden Unfallgeschehen gegen eine bei der beklagten Haftpflichtversicherung (mit-)versicherte Person begründete Ersatzansprüche hat, für welche die Beklagte als Versicherer einzustehen hat. Diese Frage wurde von den Vorinstanzen zutreffend verneint:
Zunächst ist dem Gericht zweiter Instanz beizupflichten, daß Hugo M***** durch die Entlehnung des Unfallstraktors für die Mahd eines Wiesengrundstückes nicht zum Mithalter des Fahrzeuges wurde; die Klägerin kommt auf diese ursprüngliche Behauptung in der Revisoin auch nicht mehr zurück. Eine Haftung des Fahrzeughalters scheidet allerdings schon deshalb gemäß § 3 Z 3 EKHG aus, weil der Minderjährige selbst als Lenker des Fahrzeuges "bei dessen Betrieb tätig war". Dabei ist es unbeachtlich, ob der Lenker Dienstnehmer des Halters war oder nicht (siehe hiezu Apathy EKHG Rz 15 f zu § 3; Schauer in Schwimann, ABGB2 Rz 15 f und 22 zu § 3 EKHG je mwN). Daher sind die Bestimmungen über die Gefährdungshaftung nach dem EKHG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, sodaß es auch nicht mehr darauf ankommt, ob der Großvater des Verletzten und der Verletzte selbst Schwarzfahrer waren.
Gemäß § 1 Abs 1 der auf den vorliegenden Fall noch anzuwendenden AKHB 1988 umfaßt die Kfz-Haftpflichtversicherung die Befriedigung begründeter Ersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn ua durch die Verwendung des Fahrzeuges gemäß § 1 Abs 1 KFG 1967 Menschen verletzt oder getötet werden. Unter "gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen" iS dieser Regelung sind nicht nur jene des EKHG zu verstehen, sondern auch die Schadenersatznormen des ABGB (ZVR 1988/31 mwN). Im vorliegenden Fall könnte der Verletzte gegen die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer daher auch dann Ansprüche aus dem Verkehrsunfall geltend machen, wenn der ihm wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht haftende Hugo M***** im Rahmen des mit dem Halter abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages als mitversicherte Person anzusehen wäre. Gemäß § 1 Abs 2 AKHB 1988 sind zwar - neben dem Eigentümer und Halter des Kraftfahrzeugs - ua die Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätig sind, mitversichert. Der Lenker ist jedoch nur solange Mitversicherter, als er tatsächlich "gefahren" ist (7 Ob 43/78). Überläßt er das Kraftfahrzeug aber einer anderen Person, die mit diesem einen Verkehrsunfall verursacht, so verliert er damit seine Eigenschaft als Mitversicherter und hat daher keinen Deckungsanspruch (SZ 52/195 = VR 1981, 156 = VersR 1981, 1143; SZ 69/172). Erbringt in einem solchen Fall die Kfz-Haftpflichtversicherung Leistungen an die durch den Verkehrsunfall geschädigten Dritten, so kann sie gegen den seinerzeitigen Lenker des späteren Unfallsfahrzeuges Regreßansprüche nach §§ 158 f VersVG nicht geltend machen, weil diese nur gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden können (ZVR 1964/138; SZ 52/195 = VR 1981, 156 = VersR 1981, 1143; SZ 69/172). Der geschädigte Dritte hat in einem solchen Fall auch nicht die Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer, weil diese ein bestehendes Haftpflichtversicherungsverhältnis über das Unfallsfahrzeug voraussetzt. Gemäß § 22 Abs 1 KHVG 1987, welcher auf den vorliegenden Fall noch anzuwenden ist, kann der geschädigte Dritte den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch nämlich nur "im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages auch gegen den Versicherer geltend machen". Besteht aber kein solcher, dann versagt auch die Direktklage.
Dem Ergebnis steht die Entscheidung ZVR 1988/31 nicht entgegen. Gegenstand dieser Entscheidung war ebenfalls nur ein sich aus dem ABGB ergebender Schadenersatzanspruch. Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers hatte Erfolg, weil der geschädigte Lenker seine Berechtigung zum Lenken des versicherten Kraftfahrzeuges vom Halter und Versicherungsnehmer ableiten konnte.
Schon diese Erwägungen führen zur Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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