Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat den beklagten Parteien die mit S 22.639,07 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.839,91 Umsatzsteuer und S 2.400,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 19.5.1982 stießen der vom Erstbeklagten gelenkte und von der zweitbeklagten Partei gehaltene LKW, Kennzeichen K 221.118, und der von der Klägerin gelenkte PKW, Kennzeichen K 155.697 in Klagenfurt auf der Kreuzung Villacher Straße-Wörthersee-Süduferstraße (Südring) zusammen, wodurch die Klägerin schwere Verletzungen erlitt. In der vorliegenden Klage wurde zunächst ein Mitverschulden des Erstbeklagten am Unfall im Ausmaß von einem Drittel behauptet und damit begründet, daß er mit einer zu hohen Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sei. In der Folge brachte die Klägerin weiters vor, der Erstbeklagte sei trotz blinkendem Grünlicht an die Kreuzung herangefahren, ohne auf die in dieser nach links abbiegenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen, und habe dabei auch riskiert, erst bei Gelblicht in die Kreuzung einzufahren. Demgemäß treffe ihn ein überwiegendes Verschulden am Unfall von zwei Dritteln. Auch werde die Haftung nach den Bestimmungen des EKHG in Anspruch genommen. Nach Klagsausdehnung begehrte die Klägerin zuletzt aus dem Titel des Schadenersatzes den Gesamtbetrag von S 833.465,52 s.A. sowie eine monatliche Rente von S 8.000 ab 1.10.1983 und stellte das Begehren, die Haftung der beklagten Parteien für ihre künftigen Ansprüche aus dem gegenständlichen Unfall im Ausmaß von zwei Dritteln festzustellen.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung mit der Begründung, die Klägerin habe als Linkseinbiegende den Vorrang des mit zulässiger Geschwindigkeit geradeaus fahrenden Erstbeklagten verletzt und solcherart den Unfall allein verschuldet. Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die Klägerin eine auf § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung, hilfsweise auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht traf folgende, für den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellungen: In der Anfahrtsrichtung des Erstbeklagten weist die Fahrbahn der Wörthersee-Süduferstraße vor der Kreuzung zwei geradeaus verlaufende Fahrspuren und eine Linksabbiegespur auf. Es besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h. Der Erstbeklagte fuhr mit dem mit 9 t Futtermittel beladenen LKW auf der linken Geradeausspur und hielt eine Fahrgeschwindigkeit von rund 55 km/h ein. Als er noch rund 45 m von der vor der Kreuzung befindlichen Haltelinie entfernt war, schaltete die Verkehrsampel von Grünlicht auf Grünblinklicht um. Daraufhin beschleunigte der Erstbeklagte den LKW auf ca.58,5 km/h und fuhr noch vor Einsetzen der Gelblichtphase über die Haltelinie und damit in den Kreuzungsbereich ein. Wegen eines zunächst neben ihm auf der linken Abbiegespur befindlichen LKW bemerkte er erst 2,5 m vor der Haltelinie den aus der Gegenrichtung kommenden und vor ihm auf der Kreuzung nach links in die Villacher Straße einbiegenden PKW der Klägerin. Er ging sofort vom Gaspedal weg, eine Sekunde nach der ersten Wahrnehmung des PKW durch den Erstbeklagten wurde seine mit einem Verzögerungsfaktor von 3,6 m/sec 2 durchgeführte Bremsung wirksam, 11 m danach stieß der LKW mit einer Geschwindigkeit von 48 km/h an die rechte Vorderecke des PKW der Klägerin, der sich zu diesem Zeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von unter 15 km/h in Bewegung befand. Von der ersten Wahrnehmung des PKW durch den Erstbeklagten bis zur Kollision hatte dieses Fahrzeug im Linkseinbiegevorgang eine Strecke von 6 bis 7 m zurückgelegt. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Klägerin sei als Linksabbieger gemäß § 38 Abs 2 StVO 1960 verpflichtet gewesen, dem geradeausfahrenden Erstbeklagten, der zulässigerweise, weil noch vor Beginn der Gelblichtphase, in die Kreuzung eingefahren sei, den Vorrang zu geben. Da sie dessen Vorrang verletzt habe, den Erstbeklagten aber weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung noch eine Reaktionsverspätung treffe, habe sie die Unfallsfolgen selbst zu vertreten. Auch eine Haftung der beklagten Parteien nach den Bestimmungen des EKHG komme nicht in Betracht, da nach der Judikatur bei eindeutigem Verschulden eines Beteiligten am Verkehrsunfall ein auf die Gefährdungshaftung wegen der Betriebsgefahr gestützter Anspruch auf Schadensausgleich im Sinne des § 11 Abs 1 EKHG nicht bestehe.
Das Berufungsgericht hielt weder die Mängel- und Beweisrüge noch die Rechtsrüge der Klägerin für gerechtfertigt. Darauf, daß der Erstbeklagte nicht den rechten, sondern den linken Geradeausfahrstreifen benützt und dadurch das Rechtsfahrgebot verletzt habe, sei der Mitverschuldenseinwand der Klägerin in erster Instanz nicht gestützt worden, sodaß das diesbezügliche Berufungsvorbringen unbeachtlich sei. Die Klägerin habe ihr Linksabbiegemanöver nur durchführen dürfen, wenn sie mit Sicherheit habe rechnen können, daß sie hiedurch die geradeaus fahrenden und somit im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmer nicht zu unvermittelter Bremsung nötigen werde. Wegen der gegebenen ungünstigen Sichtverhältnisse habe sie vorliegendenfalls eine solche Sicherheit nicht gehabt. Da der Erstbeklagte noch vor dem 'Umspringen der Ampel' auf Gelblicht in die Kreuzung eingefahren sei, treffe ihn kein Mitverschulden am Unfall. Auch ein von der Klägerin behaupteter Ausgleichsanspruch nach § 11 Abs 1 EKHG sei nicht gegeben, weil die gewöhnliche Betriebsgefahr gegenüber dem Verschulden eines Beteiligten in der Regel überhaupt zurücktrete und eine vorliegendenfalls vom LKW ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr im Hinblick auf das schwerwiegende Verschulden der Klägerin ebenfalls zu vernachlässigen sei.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO rügt die Klägerin zunächst, die vom Berufungsgericht übernommene erstgerichtliche Feststellung, es sei nicht feststellbar, ob der PKW der Klägerin im Kreuzungsbereich zum Stillstand gekommen gewesen sei oder nicht, erscheine unrichtig, weil diesbezügliche Beweisergebnisse vorlägen. Dem ist zu entgegnen, daß die Beurteilung, ob eine Tatsache feststellbar ist oder nicht, in den Bereich der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen fällt und daher vor dem Revisionsgericht nicht mehr auf ihre Richtigkeit überprüft werden kann (JBl 1981, 206; ZVR 1982/16 uva).
Weiters rügt die Klägerin, die Unterinstanzen hätten zu ihren im einzelnen geltend gemachten Ansprüchen keine Feststellungen getroffen. Hiezu ist zu sagen, daß solche Feststellungsmängel, die grundsätzlich dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO zuzuordnen wären, im Sinne der folgenden Ausführungen zur Rechtsrüge mangels Bestehens eines Ersatzanspruches der Klägerin nicht vorliegen. In der Rechtsrüge bringt die Klägerin wie schon vor dem Berufungsgericht vor, dem Erstbeklagten falle ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des eine Schutzvorschrift im Sinne des § 1311 ABGB darstellenden § 7 Abs 1 StVO 1960 zur Last, weshalb die beklagten Parteien ihrerseits den Nachweis zu führen gehabt hätten, daß der Schaden auch ohne diese übertretung in gleicher Weise eingetreten wäre. Das Erstgericht habe diesbezüglich ausdrücklich festgestellt, 'daß sich der Erstbeklagte auf der zweiten Spur von rechts befunden habe'. Diese Feststellung sei rechtlich jedenfalls zu würdigen. Auch dieser Ansicht der Revisionswerberin kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, hat nach der ständigen Judikatur die Prüfung des Verschuldens sich auf jene tatsächlichen Umstände zu beschränken, auf welche der Kläger seinen Verschuldensvorwurf gründete. Vorliegendenfalls hat die Klägerin in erster Instanz das Verschulden des Erstbeklagten am Unfall auf eine zu hohe Geschwindigkeit bzw. ein wegen der gegebenen Ampelphase riskantes Einfahren in die Kreuzung gestützt. Auf diese Einwendungen ist sie demnach im Rechtsmittelverfahren beschränkt. Eine überprüfung, ob der Erstbeklagte, der nach den Feststellungen den mittleren Fahrstreifen gewählt hatte, um 50 m später die Fahrspur für die Autobahn zu gewinnen, diesen Fahrstreifen berechtigterweise benützte, hat daher zu unterbleiben. In gleicher Weise kann aber auch auf die Behauptung der Klägerin, der Erstbeklagte habe lediglich mit einem Verzögerungsfaktor von 3,6 m/sec 2 statt mit einem erreichbaren von 6 m/sec 2 gebremst, von vornherein nicht Bedacht genommen werden.
Gemäß § 38 Abs 1 StVO 1960 gilt gelbes, nicht blinkendes Licht - ausgenommen den die Straßenbahn betreffenden Fall des § 53 Z 10 a - als Zeichen für 'Halt'. Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge vor der Haltelinie anzuhalten (§ 38 Abs 1 lit a). Nach § 38 Abs 2 StVO 1960 haben Fahrzeuglenker, die sich bei gelbem, nicht blinkendem Licht bereits auf der Kreuzung befinden, diese so rasch wie möglich und erlaubt zu verlassen. Links einbiegende Fahrzeuglenker haben den entgegenkommenden, geradeausfahrenden Fahrzeugen den Vorrang zu geben. Vorliegendenfalls steht für den Obersten Gerichtshof bindend fest, daß der Erstbeklagte jedenfalls noch vor Beginn der Gelblichtphase die Haltelinie passiert hat und damit vor dem Zeichen 'Halt' in die Kreuzung eingefahren ist, wobei er eine im Hinblick auf die Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h zulässige Geschwindigkeit von ca. 58 km/h einhielt. Die ihm gegenüber von der Klägerin in erster Instanz erhobenen Verschuldensvorwürfe sind daher nicht berechtigt (ZVR 1980/12, 1983/266, 1977/56, 1969/137 uva). Vielmehr hat die Klägerin auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen gegen ihre Pflicht, als Linksabbiegerin den geradeausfahrenden Verkehrsteilnehmern den Vorrang zu geben, verstoßen und den Unfall solcherart selbst verschuldet. Schließlich kann auch den Revisionsausführungen zur Gefährdungshaftung nach dem EKHG nicht gefolgt werden. Zwar kann eine Ausgleichspflicht nach § 11 Abs 1 EKHG auch bei Verschulden des anderen Beteiligten am Unfall dann in Betracht kommen, wenn der Schaden auf eine außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen ist (ZVR 1965/36, 1973/11; 8 Ob 58/84 ua). Eine solche außergewöhnliche Betriebsgefahr ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im Betrieb gelegener Umstände vergrößert werden (ZVR 1979/139, 1983/15, 1984/32 ua). Solche Umstände lagen hier aber nicht vor. Der somit insgesamt ungerechtfertigten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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