European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00238.18S.0226.000
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Befangenheit des Richters des Oberlandesgerichts Innsbruck ***** festgestellt wird.
Begründung:
Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 3. 4. 2014, AZ 1 Nc 2/14f, erkannte dieses Gericht unter anderem die Befangenheitsanzeige des damaligen Richters des Landesgerichts Innsbruck ***** im Verfahren über den Rekurs des nunmehrigen Klägers gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck, AZ 4 P 299/08w, für berechtigt. Grund der damaligen Befangenheitsanzeige war der Vorwurf des Amtsmissbrauchs des nunmehrigen Klägers gegen drei Richter des Landesgerichts Innsbruck sowie die daraus resultierenden Erhebungen der Staatsanwaltschaft Innsbruck und damit im Zusammenhang stehende Wiederaufnahms‑ und Nichtigkeitsklagen vor dem Landesgericht Innsbruck. Aufgrund der „über den beruflichen Kontakt weit hinausgehenden freundschaftlichen Beziehungen“ zu den „schwer belasteten Richtern“ sah sich ***** nicht in der Lage, völlig unvoreingenommen und mit der erforderlichen Objektivität den nunmehrigen Kläger betreffende Entscheidungen zu tätigen. Er berief sich „auf die Geltung der bisher als berechtigt anerkannten Befangenheitsgründe in allen Verfahren, an denen Ing. M***** F***** beteiligt ist. Eine unterschiedliche Betrachtung der einzelnen Verfahren lasse sich nicht rechtfertigen“. Auch in den Verfahren über die Wiederaufnahms‑ und Nichtigkeitsklagen waren Befangenheitsanzeigen des damaligen Richters des Landesgerichts Innsbruck ***** für berechtigt erachtet worden. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Innsbruck wurde im April 2015 gemäß § 190 Z 1 StPO mit der Begründung eingestellt, dass kein Anhaltspunkt für amtsmissbräuchliches Handeln der beschuldigten Richter gefunden worden sei. Ein Fortführungsantrag des nunmehrigen Klägers wurde zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf die Einstellung wies auch das Landesgericht Innsbruck die Wiederaufnahms‑ und Nichtigkeitsklagen rechtskräftig zurück.
Im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts Innsbruck lehnte der Kläger den zuständigen Richter des Landesgerichts Innsbruck ab. Mit Beschluss vom 27. 11. 2017, AZ 2 Nc 9/17x, wies der Ablehnungssenat des Landesgerichts Innsbruck den Ablehnungsantrag zurück. Mit seinem dagegen gerichteten Rekurs lehnte der Kläger den Vorsitzenden dieses Ablehnungssenats ab. Diesen Ablehnungsantrag wies ein weiterer Ablehnungssenat des Landesgerichts Innsbruck mit Beschluss vom 15. 3. 2018, AZ 3 Nc 1/18d, zurück. Mit dem gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs lehnte der Kläger Mitglieder auch dieses Ablehnungssenats ab. Nach Zurückweisung des Ablehnungsantrags mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 11. 6. 2014, AZ 4 Nc 7/18v, lehnte der Kläger in seinem dagegen erhobenen Rekurs nunmehr auch Mitglieder dieses Ablehnungssenats ab. Der neuerliche Ablehnungsantrag wurde mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 2. 8. 2018, AZ 5 Nc 4/18k, zurückgewiesen.
Über den dagegen gerichteten Rekurs des Klägers hat nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck der Senat zu entscheiden, dessen Mitglied ***** nunmehr ist.
Nachdem dieser Umstand dem Kläger am 7. 9. 2018 zur Kenntnis gebracht worden war, lehnte dieser den Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck ***** als befangen ab. Wie sich aus der Begründung des Beschlusses vom 3. 4. 2014, AZ 1 Nc 2/14f, ergebe, sei der Richter nicht in der Lage, dem Kläger unvoreingenommen zu begegnen. Die Befangenheitsanzeige habe sich damals nicht nur auf den konkreten Sachverhalt, sondern vielmehr auf die Person des Klägers bezogen. Seitens des abgelehnten Richters sei ausdrücklich angemerkt worden, dass sich eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Verfahren nicht rechtfertigen lasse. Auch aktuell würden Richterkollegen krasse Verfehlungen in Bezug auf eine unobjektive und unfaire Prozessführung vorgeworfen.
Der abgelehnte Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck äußerte sich dahin, dass er sich nicht als befangen erachte. Hintergrund seiner damaligen Befangenheitsanzeige sei der Vorwurf des Amtsmissbrauchs des Klägers gegen drei Richterkollegen des Landesgerichts Innsbruck und als Folge davon ein Strafverfahren gegen diese Richter sowie eine Wiederaufnahms‑ und Nichtigkeitsklage gewesen. Die Verfahren seien mittlerweile abgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Innsbruck den Ablehnungsantrag zurück. Die den Anlass der damaligen Befangenheitsanzeige des abgelehnten Richters des Oberlandesgerichts Innsbruck bildenden Verfahren lägen schon länger zurück und seien mittlerweile abgeschlossen. Es gebe keine Anhaltspunkte, aus der damaligen Befangenheitsanzeige eine Befangenheit im gegenständlichen Verfahren abzuleiten.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Befangenheit des abgelehnten Richters festgestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Rekurswerber macht geltend, sein Vorbringen sei nicht bzw nur scheinbar behandelt worden, sodass das erstinstanzliche Verfahren wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs nichtig und auch mangelhaft geblieben sei. Es fehlten Feststellungen zum Inhalt und zu den näheren Umständen der seinerzeitigen Befangenheitsanzeige des nunmehr abgelehnten Richters. Diese habe nicht nur auf den damaligen konkreten Sachverhalt, sondern vielmehr auf die Person des Klägers insgesamt Bezug genommen. Der abgelehnte Richter habe damals selbst zum Ausdruck gebracht, dass er gegen die Person des Klägers Vorbehalte hege. Es gebe keine Hinweise, weshalb sich dies geändert haben sollte. Damit sei einer differenzierten, auf das konkrete Verfahren bezogenen Betrachtung der Boden entzogen.
Hiezu wurde erwogen:
1. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, den der Rekurswerber offenbar im Auge hat, ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS‑Justiz RS0007484). Derartiges liegt hier nicht vor. Auch seiner Begründungspflicht ist das Erstgericht ausreichend nachgekommen und hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb– ausgehend vom Vorbringen des Klägers – die geltend gemachten Ablehnungsgründe seiner Ansicht nach nicht vorliegen. Ein Begründungsmangel wird daher ebenfalls nicht aufgezeigt.
2. Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Für die Annahme des Vorliegens einer Befangenheit genügt nach ständiger Rechtsprechung, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der äußere Anschein der Voreingenommenheit des zur Entscheidung berufenen Richters entstehen könnte (RIS-Justiz RS0046052 [T2, T10], RS0045949 [T2, T6]), selbst wenn dieser tatsächlich unbefangen sein sollte (RIS-Justiz RS0045949 [T5]). Dabei ist im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0045949).
3. Im vorliegenden Fall hat der abgelehnte Richter selbst erklärt, den Kläger wegen dessen Vorgehens gegen befreundete Richter in allen ihn betreffenden Verfahren nicht unbefangen behandeln zu können. Auch wenn diese Befangenheitsanzeigen schon weiter zurückliegen und sich ***** in seiner Entscheidungsfreiheit subjektiv nicht (mehr) beeinträchtigt fühlt, könnte für einen objektiven Beobachter zumindest der Eindruck entstehen, dass die aktuell zu treffende richterliche Entscheidung von den damaligen Vorbehalten des abgelehnten Richters gegenüber der Person des Klägers, sohin von sachfremden Motiven, beeinflusst sein könnte.
Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und die Befangenheit des abgelehnten Richters festzustellen.
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