OGH 2Ob2370/96k

OGH2Ob2370/96k14.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 13.Juli 1979 geborenen Susanne S*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Linz - Amt für Jugend und Familie als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 5.September 1996, GZ 13 R 129/96y-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 8. Februar 1996, GZ 2 P 2638/95y-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 8.6.1995 wurde Giuseppe V*****, Marineoffizier, wohnhaft in Antwerpen, als Vater der am 13.7.1979 geborenen Susanne S***** festgestellt und gleichzeitig für schuldig erkannt, für das Kind ab 1.8.1994 einen monatlichen Unterhalt von S 6.000,-- zu bezahlen.

Gestützt auf diesen Unterhaltstitel begehrt das Kind einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 6.000,--, jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach §§ 293 Abs 1 Buchst.c bb erster Fall, 108 f ASVG. In dem Antrag wird geltend gemacht, die Führung einer Exekution scheine aussichtslos, weil der Unterhaltsschuldner seinen Wohnsitz in Belgien habe und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen lediglich im Wege des VN-Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.1956, BGBl Nr. 316/69 eingeleitet werden könnten. Erfahrungsgemäß seien solche Verfahren mit großem Zeitaufwand verbunden.

Das Erstgericht bewilligte den beantragten Unterhaltsvorschuß für die Zeit vom 1.1.1996 bis 31.7.1998.

Das dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in der monatlichen Höhe von S 6.000,-- ab 1.1.1996 bis 31.7.1998 abgewiesen wurde; der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht führte aus, daß im vorliegenden Fall eine Exekutionsführung im Ausland nicht aussichtslos sei oder scheine. Es sei der Aufenthalt des Vaters bekannt, aus der Vernehmung der Mutter als Zeugin im Vaterschaftsverfahren gehe hervor, daß er gut verdiene und über eine Agentur für verschiedene Fahrten als Seeoffizier anheuere. Ein Zugriff auf das Vermögen des Vaters erscheine nicht aussichtslos. Weiters habe Belgien das Haager Unterhaltsabkommen vom 15.4.1958, BGBl 1961/294 ratifiziert, sodaß die Vollstreckung des Exekutionstitels durch einen internationalen Vertrag gesichert sei. Konkrete Umstände, die aufgrund von Erfahrungen über die Behördenpraxis eine Aussichtslosigkeit befürchten ließen, seien nicht behauptet worden.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zulässig, weil - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, es ist auch berechtigt.

In dem Rechtsmittel wird geltend gemacht, es seien weder der Aufenthalt des Vaters bekannt, noch dessen Dienstgeber, sodaß schon deshalb eine Aussichtslosigkeit der Exekution gegeben sei. Überdies seien sämtliche aufgrund des VN-Übereinkommens geführten Exekutionen, wenngleich nicht in Belgien, so doch in Italien oder England erfolglos geblieben, obwohl sie schon jahrelang anhängig seien.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 4 Z 1 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 leg cit aussichtslos scheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, hebt zwar § 4 Z 1 UVG die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland als Beispiel einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung heraus, doch ist die im Ausland notwendige Exekutionsführung gegen den Unterhaltsschuldner dann nicht aussichtslos und erscheint auch nicht als aussichtslos, wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt sind und die Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß geordnet, sondern durch die konkrete Behördenpraxis gewährleistet ist (1 Ob 516/95 = ÖA 1996, 29; ZfRV 1993; 215; EvBl 1992/42 uva). Ob nun im vorliegenden Fall geordnete Vollstreckungsbeziehungen zu Belgien bestehen, kann dahingestellt bleiben, weil der Dienstgeber des Vaters nicht aktenkundig ist und auch die Zustellung des Beschlusses des Erstgerichtes an den Vater unter der aktenkundigen Anschrift nicht möglich war. Im Hinblick auf diese Umstände scheint die Exekutionsführung im Ausland aussichtslos, sodaß der vom Rekursgericht herangezogene Grund für die Abweisung des Antrages auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses nicht zutrifft.

Es bestehen aber auch keine begründeten Bedenken, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht zu hoch festgesetzt ist (§ 7 Abs 1 Z 1 UVG). Begründete Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG, die zu einer (gänzlichen oder teilweisen) Versagung der Vorschüsse führen, sind nämlich erst dann gegeben, wenn nach der Sachlage bei der Entscheidung über den Vorschußantrag mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht schon bei der Schaffung des Titels unangemessen war oder infolge einer darnach eingetretenen Änderung der Bemessungsgrundlage unangemessen geworden ist (6 Ob 542, 543/95; EFSlg 75.700 uva). Daß ein Marineoffizier in Belgien netto den Gegenwert von S 30.000,-- verdient, ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig, sodaß kein Grund für die Versagung der begehrten Unterhaltsvorschüsse gegeben ist.

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