Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.014,40, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 26.5.1993 ereignete sich in Wien *****, Ge*****straße, an der Kreuzung nach der A*****straße-Gu*****straße in Fahrtrichtung S***** Hauptstraße ein Verkehrsunfall, an dem der von Knuth K***** gelenkte PKW Honda Shuttle und zwei nachfolgende LKW beteiligt waren.
Die klagende Partei begehrt die Zahlung des Klagsbetrages mit der Begründung, sie habe aufgrund eines Kaskoversicherungsvertrages dem Eigentümer des PKW die Reparaturkosten in dieser Höhe ersetzt; der Anspruch sei auf sie übergegangen. Das Verschulden am gegenständlichen Unfall treffe Djordje D*****, welcher als Lenker des LKWs mit dem behördlichen Kennzeichen BL 187-991 (YU) auf einem vor ihm fahrenden LKW aufgefahren und diesen gegen das verkehrsbedingt wegen roten Ampellichtes angehaltene Klagsfahrzeug gestoßen habe.
Die beklagte Partei brachte dazu vor, daß der Lenker des Klagsfahrzeuges bei grünem Ampellicht abrupt angehalten habe, sodaß es zu dem Unfall gekommen sei. Offensichtlich sei der zwischen dem Fahrzeug der klagenden Partei und dem LKW mit dem Kennzeichen BL 187-991 (YU) befindliche LKW auf das Klagsfahrzeug aufgefahren.
Kurz vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz brachte die klagende Partei vor, daß das Klagebegehren auch darauf gestützt werde, daß ein Fehlverhalten des LKW-Lenkers, der unmittelbar hinter dem Klagsfahrzeug gefahren sei, Ursache des Verkehrsunfalles gewesen sei. Die Haftung der beklagten Partei ergebe sich daraus, daß auch dieser LKW ein Kennzeichen von Banja Luca getragen und eine Versicherungskarte gehabt habe.
Dies wurde von der beklagten Partei bestritten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Die Kreuzung, an der sich der Unfall ereignete, war durch eine Verkehrslichtsignalanlage geregelt. Die Fahrbahn wies an der Unfallsstelle in Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge ein leichtes Gefälle auf. Beim Klagsfahrzeug handelt es sich um einen Kombi mit einem Leergewicht von etwa 1.100 kg. Die beiden LKWs waren jeweils etwa 16-Tonner. Das Klagsfahrzeug fuhr in der Gu*****straße bzw in der Folge in der Ge*****straße in Richtung S***** Hauptstraße. Hinter ihm fuhren drei LKWs beladen mit Hilfsgütern. Sie sollten diese Güter in das ehemalige Jugoslawien transportieren.
Der zweite hinter dem Klagsfahrzeug fahrende LKW wurde von Djordje D***** gelenkt und gehörte der Firma I***** Banja Luca. Er trug das behördliche Kennzeichen BL 187-991 (YU).
Der direkt hinter dem Klagsfahrzeug fahrende LKW trug ebenfalls ein behördliches Kennzeichen von Banja Luca (YU). Sowohl der Name des Lenkers dieses Fahrzeuges als auch dessen Kennzeichen waren nicht feststellbar; es konnte auch nicht festgestellt werden, daß dieser LKW eine Versicherungskarte hatte.
In Annäherung des Klagsfahrzeuges an die Unfallskreuzung begann das Licht auf der Verkehrslichtsignalanlage grün zu blinken. Knuth K***** hielt das Klagsfahrzeug mit einer normalen Betriebsbremsung vor der Kreuzung an. Kurz darauf kollidierte der direkt nachfolgende LKW mit dem nicht näher bekannten Kennzeichen von Banja Luca mit dem bereits im Stillstand befindlichen Klagsfahrzeug.
Insgesamt kam es zu zwei Kollisionen, nämlich zwischen dem von Djordje D***** gelenkten zweiten LKW und dem vor ihm fahrenden LKW mit dem nicht näher bezeichneten Kennzeichen von Banja Luca und diesem LKW mit dem Klagsfahrzeug. Dabei wurde der von Djordje D***** gelenkte zweite LKW stärker beschädigt als der LKW direkt hinter dem Klagsfahrzeug. Der direkt hinter dem Klagsfahrzeug fahrende LKW wurde so leicht beschädigt, daß er ganz normal den Hilfstransport durchführen konnte.
Die Reihenfolge der Kollisionen, ob nämlich zuerst der von Djordje D***** gelenkte zweite LKW auf den vor ihm fahrenden LKW auffuhr oder zuerst dieser LKW auf das Klagsfahrzeug, war nicht feststellbar. Es ist möglich, daß der zweite LKW noch während des Bremsvorganges des ersten diesem auffuhr, es ist aber auch möglich, daß zuerst der erste LKW dem Klagsfahrzeug auffuhr und dann erst der zweite LKW dem ersten LKW. Im ersteren Fall (Auffahren des zweiten LKWs während des Bremsvorganges des ersten LKWs) wären die Schäden am Klagsfahrzeug auf den zweiten LKW zurückzuführen; für den zweiten Fall (Auffahren zuerst des ersten LKWs und dann erst des zweiten LKWs) konnte nicht festgestellt werden, daß der Schaden am Klagsfahrzeug auf den zweiten LKW zurückführbar wäre.
Jedenfalls erfolgten die Kollisionen nicht so, daß der hinter dem Klagsfahrzeug fahrenden LKW zunächst kollisionsfrei zum Stillstand gebracht wurde und erst danach auf diesen der von Djordje D***** gelenkte LKW auffuhr und den LKW auf das Klagsfahrzeug aufschob.
Aufgrund des starken Masseunterschiedes der beiden Fahrzeuges zueinander wäre bei einem primären Auffahren des ersten LKWs gegen das Klagsfahrzeug die dadurch bedingte Bremswegsverkürzung für den nachfolgenden LKW von untergeordneter Bedeutung, im Bereich von wenigen Zentimetern gelegen. In diesem Falle wäre das Auffahren des zweiten LKW gegen den ersten LKW primär auf zu geringen Tiefenabstand und/oder Reaktionsverspätung zurückzuführen.
Daß das Auffahren des von Djordje D***** gelenkten zweiten LKW auf den vor ihm fahrenden LKW kausal für die Schäden am Klagsfahrzeug war, war nicht feststellbar.
Daß den Lenker des LKW, der direkt hinter dem Klagsfahrzeug fuhr, ein Verschulden an der Kollision seines LKWs mit dem Klagsfahrzeug traf, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß die beklagte Partei für den LKW mit dem Kennzeichen BL.187-991 (YU) nicht hafte, weil nicht nachgewiesen worden sei, daß der Schaden am Klagsfahrzeug durch diesen LKW verursacht worden sei. Die beklagte Partei hafte jedoch für den Schaden, den der unmittelbar hinter dem Klagsfahrzeug fahrende LKW verursacht habe, da auch an diesem Fahrzeug ein jugoslawisches Kennzeichen angebracht gewesen sei.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
Das Berufungsgericht führte aus, daß der Schaden am Klagsfahrzeug jedenfalls von einem der beiden LKWs verursacht worden sei, sodaß die Haftung der beklagten Partei nach dem EKHG gegeben sei, zumal sie auch für den ersten LKW hafte. Gemäß § 27a Z 9 KDV sei bei Fahrzeugen mit einem amtlichen Kennzeichen aus Jugoslawien (YU) der Nachweis der Haftung eines entsprechenden Versicherers erbracht. Die beklagte Partei gestehe selbst ihre Haftung für den Fall zu, daß ein amtliches Kennzeichen an einem ausländischen Fahrzeug montiert sei; dies sei aber auch beim ersten LKW der Fall gewesen. Es habe sich bei diesem Fahrzeug um ein solches mit einem amtlichen jugoslawischen Kennzeichen gehandelt, dessen Ziffernfolge nicht bekannt sei; wohl aber der Zulassungsbericht und das Herkunftsland. Nach dem Wortlaut des § 62 Abs 1 KFG iVm § 27 a KDV sei der Haftungsnachweis für ausländische Fahrzeuge bereits durch die Tatsache eines ausländischen Kennzeichens erbracht, wobei es nicht erforderlich sei, daß das Kennzeichen in allen Einzelheiten bekannt sei.
Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil es eine Rechtsprechung zur Frage, ob ein ausländisches Kennzeichen zur Begründung des Haftungsnachweises im Sinne des § 27 a KDV in allen Einzelheiten bekannt sein müsse, nicht vorliege.
Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, daß zum Zeitpunkte des Unfalles am 26.5.1993 die Bestimmung des § 27 a Abs 1 Z 9 KDV aufgehoben gewesen sei, da die 35.Nov zur KDV 1967 am 29.10.1992 rechtswirksam geworden sei. Die rechtliche Beurteilung habe daher nicht auf der Basis des "amtlichen Kennzeichens" im Sinne des § 27 a KDV zu erfolgen, sondern sei die Haftung nach § 62 Abs 1 KFG zu beurteilen. Fahrzeuge aus "Restjugoslawien" hätten daher ab 29.10.1992 eine "grüne Versicherungskarte" eines jener Staaten haben müssen, welcher diesem Abkommen beigetreten sei oder sie hätten an der Grenze eine Versicherung abschließen müssen. Die Beurteilung des "amtlichen Kennzeichens" stehe daher mit der Beurteilung der grünen Versicherungskarte und des darin genannten Kennzeichens in engem Zusammenhang. Da die beklagte Partei nur für ein bestimmtes amtliches Kennzeichen hafte, könne sie nur aufgrund der grünen Versicherungskarte für jenes Fahrzeug haften, dessen Kennzeichen in der grünen Versicherungskarte festgelegt sei. Die Behauptung, es sei ein Kennzeichen, welches in Restjugoslawien ausgegeben wurde, auf dem schadensstiftenden LKW montiert gewesen, genüge nicht, um die Haftung der beklagten Partei herbeizuführen; es sei erforderlich, das bestimmte Kennzeichen im Sinne der Richtlinien oder der gesetzlichen Bestimmungen des Zulassungsstaates zu benennen. Im gegenständlichen Fall sei das "amtliche Kennzeichen" nicht bekannt, es sei nicht bekannt, ob hiefür eine grüne Versicherungskarte ausgegeben wurde oder eine Versicherung an der Grenze abgeschlossen wurde, sodaß eine Grundlage für eine Haftung der beklagten Partei nicht bestehe. Fehlende Buchstaben- oder Nummerkombinationen gingen ausschließlich zu Lasten des Klägers. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Berufungsgericht zur Auffassung gelangen müssen, daß im gegenständlichen Fall ein bestimmtes amtliches Kennzeichen von der klagenden Partei nicht spezifiziert wurde, ein solches Kennzeichen fehle, sodaß die Klage als unschlüssig abzuweisen gewesen wäre.
Hiezu wurde erwogen:
Auszugehen ist davon, daß die beklagte Partei eine allfällige Leistungspflicht für Schäden, die auf den zweiten LKW mit dem Kennzeichen BL.187-991 (YU) schlüssig zugestanden hat (§ 267 ZPO). Sie hat hinsichtlich dieses Fahrzeuges nur vorgebracht, daß der Schaden nicht auf diesen LKW zurückzuführen sei, sie hat aber ihre Schadensdeckungspflicht als solche (im Zusammenhang mit dem ausländischen Kennzeichen) weder im Verfahren erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren bestritten. Auch in der Revision wird die Schadensdeckungspflicht mit der Begründung abgelehnt, daß eine Haftung nur dann eintreten könne, wenn das ausländische Kennzeichen bestimmt und im vollen Umfang spezifiziert werde.
Geht man von der grundsätzlichen Schadensdeckungspflicht der beklagten Partei für den zweiten LKW aus, dann erweist sich das Klagebegehren als berechtigt, weil entweder der erste oder der zweite LKW ursächlich für den Schaden waren, dessen Ersatz mit der vorliegenden Klage begehrt wird; es liegt also eine alternative Kausalität vor. Die Haftung bei alternativer Kausalität setzt voraus, daß jeder der potentiellen Schädiger ein Verhalten gesetzt hat, das bis auf den strikten Nachweis der Ursächlichkeit alle haftungsbegründenden Elemente enthält (JBl 1991, 110 = ecolex 1991, 81 = EvBl 1991/15; Koziol, Haftpflichtrecht I**2 68). Die Grundsätze der alternativen Kausalität (solidarische Haftung) gelten nicht nur im Bereich der Verschuldenshaftung, sie sind im Bereich der Gefährdungshaftung analog anzuwenden (Reischauer in Rummel**2, Rz 12 zu § 1302; SZ 54/63; SZ 57/25). Voraussetzung der Haftung wegen alternativer Kausalität ist allerdings auch im Bereich der Gefährdungshaftung, daß alle Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Gefährdungshaftung erfüllt sind, sich aber nicht feststellen läßt, wessen Gefahrenquelle kausal wurde (Reischauer, Die Haftung wegen möglicher Kausalität am Beispiel eines Auffahrunfalles, VR 1987, 208 f). Im vorliegenden Fall sind nun hinsichtlich der Halter (Versicherung) beider LKWs alle Tatbestandsmerkmale der Gefährdungshaftung erfüllt, weil sich der Unfall beim Betrieb dieser Fahrzeuge ereignete und der Nachweis der Unvermeidbarkeit des Unfalles nach § 9 Abs 2 EKHG nicht erbracht wurde.
Es war somit der Revision der beklagten Partei ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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