Normen
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §6 (1)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §6 (1)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)
Spruch:
Halterhaftung des Werkstätteninhabers für den von einem Bediensteten bei einer verbotswidrigen Fahrt mit einem Kundenfahrzeug verschuldeten Schaden, wenn die Einhaltung des Verbotes nicht wirksam kontrolliert wurde.
Entscheidung vom 4. Oktober 1968, 2 Ob 227/68.
I. Distanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Am 10. Dezember 1966 stießen auf der P.-Bundesstraße ein vom Kläger und ein von Helmut W. gelenkter PKW. zusammen. Hiebei wurden beide Fahrzeuge beschädigt und der Kläger schwer verletzt.
Der Kläger macht gegen den Beklagten als Halter des von Helmut W. gelenkten Wagens Schadenersatzansprüche in der Höhe von 24.501 S s. A. zur ungeteilten Hand mit dem zu 18 Cg ... des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz abgesondert durch einen Vergleich verpflichteten Helmut W. geltend.
Der Beklagte bestreitet die Haltereigenschaft.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, dem Kläger 23.601 S s. A. zur ungeteilten Hand mit Helmut W. zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 900 S s. A. wurde abgewiesen. Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgendes fest:
Der Beklagte betreibt in G. eine Tankstelle mit Servicestation. In letzterer ist seit 7. Juni 1966 ausschließlich Helmut W. beschäftigt. Es werden die üblichen Servicearbeiten an Kraftfahrzeugen durchgeführt, darunter auch das Absprühen des Unterbodens mit Rostschutzmitteln. Zu diesem Zweck muß zuerst der Unterboden gereinigt werden und sodann der Rostschutz auf den trockenen Unterboden aufgesprüht werden. In der Servicestation des Beklagten wurde dies so gehandhabt, daß das Kundenfahrzeug nach der Unterwäsche nicht wie sonst üblich mit Preßluft getrocknet, sondern einfach vom Beklagten oder in dessen Abwesenheit von W. trockengefahren wurde. Dabei zeigte es sich, daß eine Strecke von der Tankstelle bis T. und zurück (zirka 15 km) notwendig ist, um den Unterboden durch den Fahrtwind zu trocknen.
Im November 1966 fuhr W. wieder einmal ein Kundenfahrzeug trocken und wurde hiebei von der Kundin gesehen. Sie beschwerte sich, und der Beklagte verbot dem W. das Trockenfahren von Kundenfahrzeugen. Bereits vorher wurde der Beklagte von einem Vertreter einer Benzinfirma auf die Unzulässigkeit des Trockenfahrens und die drohende Haftung aufmerksam gemacht. Das Verbot wurde aber so lax gehandhabt bzw. nicht mit dem nötigen Nachdruck durchgesetzt, so daß W. der Meinung war, das Trockenfahren werde vom Beklagten, der selbst auch wieder Kundenfahrzeuge trockenfuhr, stillschweigend erlaubt bzw. im guten Glauben war, trockenfahren zu dürfen, da auch keine Beanstandung erfolgte.
Am Nachmittag des 10. Dezember 1966 übergab Rudolf G. seinen PKW. dem Beklagten zum Absprühen des Unterbodens mit Rostschutz. Das Fahrzeug wurde W. übergeben, der zuerst eine Unterwäsche vornahm und sodann in Anwesenheit des Beklagten, der sich mit dem Kunden im Glaskiosk der Tankstelle befand, mit diesem PKW. aus der Waschkoje heraus in Richtung T. fuhr, um den Wagen, wie gewohnt, trockenzufahren. G. hatte hievon keine Kenntnis und hatte auch keine Erlaubnis zur Fahrt gegeben.
Auf der Rückfahrt von T. geriet W. bei einem Überholmanöver ins Schleudern und fuhr auf den PKW des Klägers hinten auf. W. wurde nach § 335 StG. rechtskräftig verurteilt. Von der Anklage nach § 467b StG. wurde er im Zweifel freigesprochen, weil das Gericht seiner Verantwortung Glauben schenkte, er habe der Meinung sein können, das Kundenfahrzeug trockenfahren zu dürfen. Der Schaden am Kundenfahrzeug wurde durch die Betriebsversicherung des Beklagten ersetzt.
Der Kläger belangte zu 18 Cg ... des Landesgerichtes für ZRS. Graz den Helmut W. mit denselben Ansprüchen wie in der vorliegenden Klage. W. verpflichtete sich mit Vergleich vom 3. Juli 1967, dem Kläger einen Betrag von 23.901 S s. A. bis 1. September 1967 zu bezahlen. Er stattet jedoch diesen Betrag in monatlichen Raten von 500 S ab 17. Juli 1967 ab.
In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Meinung, daß der Beklagte durch die Übernahme des Fahrzeuges des G. zur Auftragung eines Unterbodenrostschutzes Halter dieses Wagens geworden sei. Er habe nicht alles vorgekehrt, daß das Fahrzeug nicht unbefugt in Betrieb genommen werde und hafte daher gemäß § 19 (2) EKHG. für das Verschulden des W.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Ersturteiles und bestätigte dieses insofern als Teilurteil, als der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger 21.101 S s. A. zur ungeteilten Hand mit Helmut W. zu bezahlen. Hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren 2500 S s. A. wurde aber das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Revision des Beklagten bekämpft das Berufungsurteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bestreitet der Beklagte weiterhin seine Haltereigenschaft. Es habe sich nur um Waschen und Sprühen des Unterbodens des PKWs. des Kunden in der Werkstätte gehandelt. Der Halter dieses Wagens habe sich während dieser Zeit nur wenige Meter entfernt in der zur Werkstätte dazugehörenden Tankstelle befunden und habe die Haltereigenschaft nicht verloren.
Die Untergerichte haben jedoch in Übereinstimmung mit der einhelligen Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, daß ein Werkstätteninhaber zum Halter des ihm übergebenden Kraftfahrzeuges für die Dauer der Reparatur bis zur Rückstellung des Wagens wird (SZ. XXV 208, ZVR. 1957 Nr. 38 und 128). Das Fahrzeug hat sich im gegenständlichen Fall zum Waschen und Sprühen des Unterbodens, wenn auch nur für beschränkte Zeit, in der ausschließlichen Gewahrsame des beklagten Werkstätteninhabers befunden.
Von seiner Haftung als (vorübergehender) Halter des ihm zur Reparatur übergebenden PKWs. für den von Helmut W. verschuldeten Schaden nach §§ 5, 19 (2) EKHG. könnte sich der Beklagte nur entlasten, wenn ihm der Nachweis gelungen wäre, daß es sich bei der Unfallsfahrt um eine Schwarzfahrt des W. gehandelt habe (§ 6 (1) EKHG.). Die Untergerichte haben jedoch festgestellt, daß der Beklagte zwar einige Zeit vorher ein Verbot des Fahrens mit Kundenwagen ausgesprochen hatte, daß dieses Verbot aber von W. nicht eingehalten wurde. Der Beklagte hat nicht für eine wirksame Kontrolle der Einhaltung seines Verbotes gesorgt. Dies wäre aber umso notwendiger gewesen, als ja in seinem Betrieb bis dahin allgemein mit Kundenwagen ausgefahren wurde. Wenn aber der Beklagte es hingehen ließ, daß sein Verbot nicht ernst genommen wurde, so hat er die nachteiligen Folgen zu tragen (§ 6 (1) Satz 2 EKHG.).
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