OGH 2Ob2267/96p

OGH2Ob2267/96p13.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Johann S*****, vertreten durch Dr.Reinhard Griesshofer, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen S 206.892,-- s.A., infolge außerordentlicher Revision (Revisionsinteresse: S 51.723 sA) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. Oktober 1995, GZ 2 R 135/95-22, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 20.April 1995, GZ 5 Cg 221/94b-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gerhard K*****, der ein Hotel betreibt, ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** M*****, bestehend ua aus dem Grundstück Nr 913 Baufläche mit einem Gästeparkplatz. Der Beklagte ist (wie auch seine Tochter Gertraud D*****) Hälfteeigentümer der angrenzenden Liegenschaft EZ ***** GB ***** M*****, bestehend ua aus dem Grundstück Nr 832/2 Baufläche mit dem darauf befindlichen Wohnhaus Bad M***** 140. Das Grundstück Nr 913 schließt im Westen unmittelbar an das Grundstück Nr 832/2 an. Die Dachflächen des Hauses fallen nach Osten und Westen mit einer Neigung von rund 32 Grad ab. Das Dach ist mit Ziegeln gedeckt. Vorrichtungen zur Verhinderung des Abgangs von Schneelawinen (sog. Schneerechen) sind dort nicht vorhanden. Allerdings war an dieser Hausmauer eine Warntafel in DIN-A4-Größe mit dem Hinweis auf die Gefahr des Abgangs von Dachlawinen angebracht. Weitere Warnhinweise, wie etwa Schneestangen, waren im Zeitpunkt des Abgangs der hier schadenstiftenden Dachlawine nicht aufgestellt. Von der Gemeindestraße führt ein Weg zu dem auf dem Grundstück Nr 913 befindlichen Gästeparkplatz des Hotels K*****. Ab der asphaltierten Gemeindestraße ist der gesamte Bereich der Zufahrt bis zum Gästeparkplatz und auch dieser selbst mit Betonziegeln ausgelegt. Eine Abtrennung oder Absperrung zwischen der Gemeindestraße und der Zufahrt zum Parkplatz besteht nicht. Es existiert auch kein Hinweis darauf, daß es sich bei diesem Parkplatz um einen Privatparkplatz für das Hotel K***** handelt. Es ist für jedermann möglich, mit einem Fahrzeug zu diesem Parkplatz zuzufahren. Das Haus Nr 140 wurde im vorigen Jahrhundert errichtet. Seit Bestehen des Hauses sind von dessen Dach zur Winterszeit immer wieder Dachschneelawinen auf das Nachbargrundstück Nr. 913 abgegangen. Bis zum Ende Fünfzigerjahre war dieses Grundstück in der Natur ein Obstgarten. In weiterer Folge wurde hier für die Gäste der Hotelpension K***** ein Parkplatz errichtet. In den Wintermonaten wurde dieser Parkplatz zunächst in der Form vom Schnee gesäubert, daß der Schnee zur Westmauer des Hauses Nr 140 herangeschoben wurde. Die immer wieder vom Dach des Hauses herabfallenden Schneemassen bildeten gemeinsam mit dem vom Parkplatz herangeschobenen Schnee einen Schneewall, der bis etwa 3 m westlich der westlichen Mauer des Hauses Nr 140 reichte. Erstmals in der Wintersaison 1991/92 oder 1992/93 wurde infolge des Ausbaus des Hotels der Gästeparkplatz auf dem Grundstück 913 zur Gänze vom Schnee geräumt, also direkt bis an die Westseite des Hauses Nr 140 heran. Jedenfalls in den Wintern 1992/93 und 1993/94 parkten die Gäste des Hotels K***** ihre Pkw's bis unmittelbar an die Westmauer des Hauses Nr 140 heran. Am 7.1.1994 standen drei Gästefahrzeuge schräg zur Hausmauer des Hauses Nr 140 mit dem Abstand von rund 30 cm von diesem. Neuschnee war seit dem 5.1.1994 nicht mehr gefallen. Die Temperatur betrug 9,5 Grad Celsius, sie war seit dem 2.1.1994 von damals -0,5 Grad kontinuierlich gestiegen. Anfang Jänner 1994 fielen lediglich vom 1. bis 3.1. und am 5.1.1994 Neuschneemengen zwischen 2 und 10 cm pro Tag. Dem Beklagten war die Situation an Ort und Stelle aus eigener Anschauung bekannt, zumal er noch am 2.1.1994 einen Spaziergang durchführte, der ihn am Haus Nr 140 vorbeiführte. Zur Warnung vor abgehenden Dachschneelawinen hatte der Beklagte zunächst das Aufstellen von Warnstangen an der Westseite des Hauses Nr 140 veranlaßt. Da diese Warnstangen aber im Zuge der Schneeräumung des Parkplatzes immer wieder umgestoßen wurden, begnügte er sich in weiterer Folge mit der Anbringung der oben beschriebenen Warntafel an der Mauer des Hauses. Eine Aufforderung an den Eigentümer des Parkplatzes, dafür zu sorgen, daß die Hotelgäste nicht direkt an die westliche Hausmauer heranparkten, erfolgte nicht.

Der Beklagte hatte weder mit den seinerzeitigen Eigentümern der Nachbarliegenschaft, noch mit deren nunmehrigem Eigentümer Gerhard K***** über das Problem des Abgangs von Dachlawinen von seinem Hause gesprochen. Lediglich als seinerzeit einmal die Errichtung von Garagen auf dem Parkplatzgrundstück Nr 913 geplant war, sprach sich der Beklagte wegen der Gefahr des Dachschneelawinenabgangs von seinem Haus dagegen aus, worauf ihm der damalige Eigentümer des Nachbargrund- stückes lediglich erklärte, daß dies sein eigenes Problem sei. Weder die Rechtsvorgänger des Gerhard K*****, noch dieser selbst haben jemals auf irgendwelche Unterlassungsansprüche gegen die Eigentümer der Liegenschaft mit Haus Nr 140 verzichtet.

Auch Gerhard K***** hat den Beklagten nicht aufgefordert, zweckentsprechende Maßnahmen zur Verhinderung des Abgangs von Dachschneelawinen von seinem Haus zu treffen. Auch hat er trotz der gänzlichen Räumung des Parkplatzes auf dem Grundstück Nr 913 und der damit verbundenen Möglichkeit des "Heranparkens" der Gästefahrzeuge unmittelbar an die Westseite des Hauses Nr 140 seine Hotelgäste nicht auf die damit verbundene Gefahr aufmerksam gemacht und zur erhöhten Vorsicht aufgefordert.

Am 7.1.1994 ging vom Dach des Hauses Nr 140 eine Schneelawine auf den Gästeparkplatz des Hotels Kogler ab, wodurch drei dort parkende Pkw's beschädigt wurden. Die klagende Partei als Haftpflichtversicherer des Gerhard K***** ersetzte den Sachschaden und wendete hiefür - unstrittig - den Betrag von insgesamt S 206.892,-- auf.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei vom Beklagten den Ersatz des von ihr aufgewendeten Betrages von S 206.892,-- sA. Sie brachte vor, der Beklagte habe gegen § 93 Abs 2 StVO sowie gegen die ihn treffende allgemeine Verkehrssicherungspflicht verstoßen, weil er, obwohl zum Schadenszeitpunkt ein etwa 30 cm hoher Schneewall auf dem Dach des Hauses Nr 140 gelegen sei, weder eine Räumung des Daches, auf dem keine Schneefänger angebracht gewesen seien, noch das Aufstellen von Warnstangen veranlaßt habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, als Miteigentümer des Grundstückes Nr 832/2 infolge einer ersessenen Dachschneelawinenservitut, die ihn berechtige, den Schnee vom Dach seines Hauses auf das unmittelbar westlich angrenzende Parkplatzgrundstück des Gerhard K***** herabfallen zu lassen, weder rechtswidrig noch schuldhaft gehandelt zu haben. Das dienende Grundstück Nr 913, das ursprünglich als Obstgarten genutzt worden sei, werde seit etwa 1957 als privater Gästeparkplatz des benachbarten Hotelbetriebes verwendet. Schon die Voreigentümer hätten anläßlich der Umwidmung aufgrund des ersessenen Dachschneelawinendienstbarkeitsrechtes auf die Geltend- machung von nachbarrechtlichen Schadenersatzansprüchen gegen den Beklagten und seine Miteigentümer verzichtet. Davon abgesehen treffe ihn auch deshalb kein Verschulden am Schadenseintritt, weil er durch eine an der westlichen Seite des Hauses angebrachte deutlich lesbare Warntafel mit der Aufschrift "Achtung Dachlawine" auf die Gefahr hingewiesen habe. Überdies könnten auf dem Dach des Hauses aus technischen Gründen keine Schneefänger angebracht werden. Auch sei es ihm aufgrund der zum Schadenszeitpunkt herrschenden Witterungsverhältnisse nicht zumutbar gewesen, das Dach vom Schnee freizuschaufeln (freischaufeln zu lassen). Weiters habe er Gerhard K***** als der Gästeparkplatz erstmalig zur Gänze vom Schnee geräumt und dieser auch entfernt wurde, abermals unter Berufung auf das ersessene Dachschneelawinendienstbarkeitsrecht darauf hingewiesen, daß er für Schäden durch den Abgang von Dachlawinen nicht hafte. Dieser sei damit einverstanden gewesen.

Das Erstgericht erkannte ausgehend vom gleichteiligen Verschulden der Hauseigentümer und des Parkplatzeigentümers der klagenden Partei den halben Klagsbetrag zu, die andere Hälfte wies es - unbekämpft - ab.

Es ging dabei noch von folgenden weiteren Feststellungen aus: Es könne nicht festgestellt werden, daß auf dem Dach des Hauses Nr 140 keine Schneefänger angebracht werden können. Auch daß bereits vor dem streitgegenständlichen Ereignis vom 7.1.1994 Schäden durch Dachlawinen verursacht worden sind, lasse sich nicht feststellen. Die Eigentümer des Grundstückes Nr 913 haben sich niemals gegen den Abgang von Dachschneelawinen vom Haus Nr 140 ausgesprochen.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung verneinte der Erstrichter die Ersitzung einer Dachschneelawinenservitut. Es liege aber auch kein Verzicht der Eigentümer des Grundstücks Nr 913 auf die Geltendmachung nachbarrechtlicher Ansprüche gegen den Beklagten wegen des Abgangs von Dachlawinen vor. Der Beklagte als Miteigentümer des Hauses hafte somit gemäß § 93 Abs 2 StVO im Zusammenhalt mit den §§ 1295 ff ABGB, weil es ihm oblegen wäre, Maßnahmen zur Verhinderung des Parkens der Fahrzeuge der Hotelgäste entlang der westlichen Mauer des Hauses zu treffen oder durch Kontaktaufnahme zu Gerhard K***** zu veranlassen. Aber auch den Eigentümer des Gästeparkplatzes Gerhard K***** treffe im Hinblick darauf, daß auch er keine Vorkehrungen getroffen habe, um Schäden an den Fahrzeugen seiner Gäste durch Dachschneelawinen hintanzuhalten, ein Verschulden am Schadenseintritt. Eine gleichteilige Verschuldensaufteilung sei gerechtfertigt.

Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil dahin ab, daß es diesen lediglich zum Ersatz eines Viertels des Gesamtanspruchs der klagenden Partei, sohin des Betrages von S 51.723,-- sA verpflichtete, und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat folgende Rechtsauffassung:

Selbst wenn ein Dienstbarkeitsrecht, den Schnee vom Dach des eigenes Hauses auf das Grundstück des Nachbarn abzuleiten, unter bestimmten Umständen ersessen werden könne, sei zu berücksichtigen, daß das vom Beklagten behauptete Servitutsrecht als dienendes Gut das Nachbargrundstück als Obstgarten zur Grundlage gehabt habe. Auch möge das Dienstbarkeitsrecht, solange die abgegangenen Dachschneelawinen gemeinsam mit dem vom Eigentümer des Nachbargrundstückes herangeschobenen Schnee einen Schneewall gebildet haben, der bis etwa 3 m westlich der Westmauer des Hauses Nr 140 gereicht habe, noch bestanden haben, weil keine Gefahr für geparkte Fahrzeuge vorlag.. Ein Dienstbarkeitsrecht jedoch, dessen Ausübung die (in Kauf genommene!) Gefahr der Beschädigung fremden Eigentums in sich berge oder das gegen ein gesetzliches Gebot (§ 93 Abs 2 StVO) verstoße, sei denkunmöglich. Daher könne sich der Beklagte zumindest seit der Wintersaison 1992/93, ab welcher die Gäste der Hotelpension K***** ihre Fahrzeuge bis unmittelbar an die westliche Mauer des Hauses Nr 140 heranparkten, wodurch erst eine Gefahr einer Beschädigung der Pkw's durch abgehende Dachschneelawinen entstanden sei, keinesfalls mehr auf ein Servitutsrecht berufen.

Weiters führte das Berufungsgericht aus, daß § 93 Abs 2 StVO die Eigentümer von Liegenschaften verpflichte, dafür zu sorgen, daß Schneewächten oder Eisbildungen von den Dächern ihrer an der Straße gelegenen Gebäude entfernt werden. § 93 Abs 2 StVO sei im Zusammenhalt mit den §§ 1295 ff ABGB zu verstehen, wonach eine Haftung der Hauseigentümer nur dann auszuschließen sei, wenn sie die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hätten. Im Hinblick auf die Witterungsverhältnisse, die Dachneigung von 32 Grad sowie die dem Beklagten bekannte Räumung des Gästeparkplatzes bis an die Mauer heran, hätten der Beklagte und dessen Tochter Gertraud D***** als Eigentümer des Hauses Nr 140 mit dem Abgang von Dachschneelawinen rechnen müssen. Ihnen wäre daher oblegen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen oder zu veranlassen. Die Anbringung einer Warntafel in "DIN- A4-Größe" sei infolge des mangelnden Auffälligkeitswertes zur Warnung unzureichend gewesen.

Abgesehen vom Verschulden der Liegenschaftseigentümer des Hauses Nr 140 sei jedoch auch eine Haftung des Eigentümers des Parkplatzes, des Versicherungsnehmers der klagende Partei, zu bejahen. Dieser habe trotz der ihm bekannten Tatsache, daß immer wieder Dachschneelawinen vom Haus Nr 140 abgegangen seien, keine Vorkehrungen durch Anbringen entsprechender Absperrvorrichtungen am Parkplatz oder durch die Aufforderung an seine Gäste, mit den Fahrzeugen einen entsprechenden Abstand von der westlichen Mauer des Hauses Nr 140 einzuhalten, getroffen. Die Verschuldensaufteilung des Erstgerichtes werde daher gebilligt.

Darüber hinaus sei jedoch zu berücksichtigen, daß der Beklagte nicht Alleineigentümer, sondern nur Hälfteeigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Nr 140 sei. Wenn aus einem Schadensfall mehrere Täter solidarisch haften und der Haftpflichtversicherer nur eines von ihnen den gesamten Schaden ersetze, erwerbe er dadurch den Regreßanspruch, der jenem Schädiger gegen die anderen gemäß §§ 1302, 896 ABGB zustehe. Gemäß § 1302 ABGB hafte für einen widerrechtlich zugefügten Schaden durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit mehrerer Personen, wenn die Beschädigung in einem Versehen begründet sei und die Anteile sich bestimmen lassen, jeder der Verantwortlichen nur für den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt werde oder wenn die Anteile der einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften alle für einen und einer für alle. Da sich die Schadensanteile des Gerhard K***** und der Eigentümer des Hauses Nr 140 nicht bestimmen ließen, sei eine solidarische Haftung für die Schäden an den geparkten Fahrzeugen der Gäste des Hotels gegeben. Nach der zutreffenden Verschuldensaufteilung sei aber der Beklagte als Hälfteeigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Nr 140 nur verpflichtet, ein Viertel des Gesamtschadens zu ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zwar zulässig, weil eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob eine Dachschneelawinenservitut durch Ersitzung begründet werden und eine solche bei Änderung der Benützung des dienenden Grundstückes allenfalls erlöschen könne, nicht vorliegt. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Dienstbarkeiten (Servituten) sind beschränkte dingliche Nutzungsrechte an fremden Sachen, denen die Pflicht ihres jeweiligen Eigentümers zur Duldung dieser Nutzung (bejahende Servituten) oder Unterlassung eigener Nutzung (verneinende Servituten) gegenübersteht (Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 472 mwN). Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu tun, sondern nur einem anderen die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigentümer sonst zu tun berechtigt wäre (§ 482 ABGB). Typischer Inhalt einer Servitut ist die Verpflichtung des Eigentümers der dienenden Sache nur zu einem Dulden oder Unterlassen. Im Unterschied zur Reallast darf die Pflicht zu positiven Leistungen nicht Hauptinhalt sein, sondern nur Mittel zum Zweck (Petrasch aaO Rz 1 zu § 482 mwN); bei Dienstbarkeiten ist also ein Tun des Verpflichteten nur insoweit ausgeschlossen, als es den Hauptinhalt des Rechts bilden soll (Ehrenzweig2 I/2, 305). Demnach kann eine Dienstbarkeit, den Schnee vom Dach auf das Nachbargrundstück herabfallen zu lassen, dann nicht begründet werden, wenn die Verpflichtung zu einer positiven Leistung des Servitutspflichtigen den Hauptinhalt des Rechtes bildet und nicht bloß der Servitut in untergeordneter Weise dient. Dies wurde bei einem Sachverhalt, wo der Schnee vom Dach auf einen dauernd benützten Weg gefallen ist, sodaß der Eigentümer dieses Weges von Anfang an zum Wegräumen des herabfallenden Schnees genötigt wurde, angenommen (JBl 1967, 207). Der dortige Sachverhalt ist zwar mit dem des vorliegenden Anlaßfalles, bei welchem der Schnee bzw (die Dachlawinen vom Dach des Hauses des Beklagten über Jahre hinweg in einen Obstgarten und später auf den "umfunktionierten" Hotelparkplatz fielen, nicht vergleichbar, weil dort die Handlungspflichten des Eigentümers des dienenden Grundstückes (nämlich Entfernen des Schnees infolge Unmöglichkeit des Passierens des Weges und die Anbringung von Schneerechen) viel stärker ausgeprägt waren als im vorliegenden Fall. Alleine aufgrund der (hier nicht a priori vorliegenden, wohl aber aus dem Vertragsverhältnis des Gerhard K***** zu seinen Hotelgästen als Parkplatzbenützern bestehenden) Handlungspflichten des Belasteten könnte sohin hier die Begründung oder der Bestand einer Dachschneelawinenservitut noch nicht verneint werden.

Bei Rechten, die wie etwa bejahende Servituten auf ein Dulden eines anderen gerichtet sind, ist die Vornahme der zu duldenden Handlung als eines Rechts, also mit dem ersichtlichen Willen, dadurch ein dem Handelnden zustehendes Recht auszuüben, und die "Gestattung" des Gegners erforderlich. Die Besitzausübung muß so beschaffen sein, daß derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten Rechtes erkennen kann (SZ 55/30 mwN). Es ist nicht zur Begründung einer Servitut hinreichend, daß sich durch die Einwirkung der Naturkräfte ohne jedes menschliche Tun oder Unterlassen eine solche Beziehung ergibt (SZ 21/74). Auch bei der in § 489 ABGB geregelten Dienstbarkeit der Dachtraufe geht es nicht um das Recht des natürlichen Ablaufes des Regenwassers, sondern um dessen Sammlung in Rinnen oder anderweitige künstliche Ableitung, insbesondere um Ableitung auf das Dach des Nachbarn. Doch muß danach der Dienstbarkeitsberechtigte solche Vorkehrungen treffen, daß dadurch die Dienstbarkeit für den Pflichtigen nicht lästiger werde. Ebenso muß er häufig gefallenen Schnee zeitig hinwegräumen, wie auch die zum Abfluß bestimmten Rinnen unterhalten. Für den natürlichen Ablauf des Regenwassers bedarf der Eigentümer hingegen keiner Dienstbarkeit (Klang in Klang2 II 570). Für die Begründung einer Servitut durch Ersitzung ist sohin eine für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung während der Ersitzungszeit im wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken und im bestimmten Umfang notwendig (Petrasch aaO Rz 3 zu § 480 mwN). Beim Abgang von Dachschneelawinen von einem Gebäude handelt es sich jedoch nicht um ein willentlich beherrschbares Verhalten des Dienstbarkeitsberechtigten, sondern um ein den örtlichen Gegebenheiten entsprechendes Naturereignis. Die Begründung einer Dachschneelawinenservitut durch Ersitzung ist somit infolge des Umstandes, daß der Abgang von Dachlawinen keine erkennbare Rechtsausübung darstellt, grundsätzlich zu verneinen. Die Verneinung der Ersitzungsfähigkeit einer sogenannten Dachschnee- lawinenservitut folgt auch aus der Erwägung, daß der Inhalt und die Nützlichkeit der behaupteten Servitut wohl doch nicht darin allein bestehen kann, daß die Pflichten der Hauseigentümer gemäß § 93 Abs 2 StVO auch im Wege der Ersitzung (einer sogenannten Dachschneelawinenservitut und einer Dienstbarkeit des Schadenverzichtes) analog § 93 Abs 5 StVO auf den duldungspflichtigen Nachbarn übertragen werden, der sodann die Sicherheitsvorkehrungen zu schaffen, den Schnee zum Zweck der vollen Nutzung seines Parkplatzes wegräumen und für die Schneelawinenabgänge zu haften hätte. Ein Dachschneelawinendienstbarkeitsrecht des Beklagten scheidet auch deshalb aus, weil sich ein schonender Eingriff durch den Servitutsberechtigten gar nicht sicherstellen ließe. Es käme vielmehr ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen, deren Zuweisung an den Berechtigten aber das Recht entkleidete, deren Auflage an den Verpflichteten aber dem essentiale der Servitut (servitus in faciendo consistere nequit) widerspräche, zu einer unkontrollierten Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum der Benützer des dienenden Grundstückes, was dem Wesen einer Servitut zuwiderliefe. Der Auffassung der Vorinstanz, daß ein Dienstbarkeitsrecht, dessen Ausübung die (in Kauf genommene!) Gefahr der Beschädigung fremden Eigentums in sich berge oder das gegen ein gesetzliches Gebot (§ 93 Abs 2 StVO) verstoße, denkunmöglich sei, ist unter den dargelegten Gesichtspunkten auch zu folgen.

Zur weiteren Behauptung des Revisionswerbers, daß die jeweiligen Eigentümer des benachbarten Gästeparkplatzes auf nachbarrechtliche Schritte und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen abgehender Dachlawinen verzichtet hätten, ist auszuführen, daß ein derartiger Verzicht der Eigentümer der "dienenden Liegenschaft" einerseits nicht festgestellt wurde.

Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt ist wohl die jahrelange, unter den Nachbarn "unkommentierte" Duldung der abgehenden Dachschneelawinen durch die Eigentümer des Nachbargrundstückes Nr 913 allenfalls als eine selbstverständliche nachbarliche Gefälligkeit ohne jede rechtliche Auswirkung anzusehen, solange dieses Grundstück nicht zur Gänze als Parkplatz genutzt wurde. Die Änderung der Nutzungsart dieses Grundstückes Nr 913 durch Gerhard K***** bewirkte sodann sowohl für diesen, als auch für die Eigentümer des Hauses Nr 140 Veränderungen im bisherigen Verhalten gegenüber den Dachschneelawinen, die zumindest der Beklagte durch Aufstellen der (bei der Schneeräumung wieder entfernten) Warnstangen und durch Anbringung einer - wenn auch unzureichenden - Warntafel auch - im vorliegenden Fall allerdings unzureichend - wahrnahm. Eine Dachschneelawinenservitut des Beklagten ist aus den dargelegten Gründen aber nicht anzunehmen. Es erübrigen sich daher auch Ausführungen zu den Möglichkeiten der Beendigung einer solchen Berechtigung, allenfalls im Zusammenhang mit der Änderung der Kulturgattung (Bewirtschaftung) des dienenden Grundstückes.

Zu den Fragen der Haftung des Beklagten (und seiner Tochter) als Miteigentümer des Hauses Nr 140 gemäß § 93 Abs 2 StVO iVm den §§ 1295 ff ABGB, sowie zur Aufteilung des Verschuldens zwischen den beiden Nachbarn und zum Umfang der Berechtigung des klägerischen Regreßanspruches wird auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO.

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