OGH 2Ob2171/96w

OGH2Ob2171/96w26.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Baumann und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig und Dr. Renate Studentschnig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei U*****-AG, ***** vertreten durch Dr. Maximilian Motschiunig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 378.018,30 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 7. März 1996, GZ 5 R 28/96v-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. November 1995, GZ 24 Cg 221/95k-18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 7. 6. 1994 gegen 2 Uhr fuhr Helmut R***** als Lenker eines von der Klägerin gehaltenen LKW in Klagenfurt auf der St. Veiter Straße stadtauswärts. Er beabsichtigte, unter Benützung der B 83 in Richtung St. Veit weiterzufahren. Wegen Bauarbeiten, mit deren Durchführung die Beklagte von der Ö***** AG beauftragt worden war, wurden die aus Klagenfurt in Richtung St. Veit fahrenden Fahrzeuge auf die Zollfeldstraße L 71 umgeleitet. Diese Umleitung des Verkehrs erfolgte über eine scharfe Rechtskurve; an ihrer Außenseite sperrten einfärbig graue Betonleitwände die B 83 ab. Helmut R***** nahm diese Betonleitwände zu spät wahr und streifte sie; er verriß den LKW in der Folge nach rechts, wodurch dieser umkippte und schwer beschädigt wurde.

Die Klägerin begeht unter Einbekennung eines Mitverschuldens des Lenkers ihres LKW von 50 % die Hälfte des ihr bei dem Unfall entstandenen Schadens (Fahrzeugschaden S 642.150,83; Schaden infolge Warenbruch S 10.000.-, Mehraufwand für Bergung und Umladung des Transportgutes S 15.979,80; Mehraufwand für Aushilfsfahrer S 87.905,96), somit S 378.018,30 sA. Sie bringt dazu vor, daß die Beklagte den Umleitungsbereich ungenügend abgesichert habe, insbesondere sei eine behördlich angeordnete Leitblitzanlage nicht installiert worden.

Die Beklagte wendet ein, daß sie nicht das geringste Mitverschulden am Unfall treffe. Betonleitwände seien ständig im Straßenverkehr eingesetzt, ohne besonders gekennzeichnet zu sein; der vorgeschriebene Wechsel des Fahrstreifens an der Umleitungsstelle sei in mehrfacher Weise beschildert gewesen, so durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung, einen Voranzeiger gemäß § 53 Z 23 StVO, ein Verkehrsschild "Vorgeschriebene Fahrtrichtung" und einen "Vorwegweiser". Hinter den Betonleitwänden hätten sich zwei Fahrverbotszeichen in hochreflektierender Ausführung und zwei Leitbaken befunden; die Sperrlinie sei in den Kreuzungsbereich verlaufend in eine Sperrfläche übergegangen. Die im Bescheid vorgeschriebene Leitblitzanlage beziehe sich nicht auf den Umleitungsbereich für den Verkehr in Richtung St. Veit. Der Beklagten als Vertragspartnerin der Ö***** sei dieser Bescheid unbekannt gewesen, die Errichtung einer Leitblitzanlage sei ihr nicht aufgetragen worden. Unmittelbar nach Einrichtung des Umleitungsbereiches habe eine "Abnahme" durch die zuständige Behörde im Beisein des Postenkommandanten des GPK Maria Saal stattgefunden, ohne daß eine Beanstandung erfolgt wäre. Die Beklagte bestreitet weiters die Kausalität einzelner Schadenspositionen sowie (in Ermangelung einer Akkontierungsaufforderung) die Berechtigung auf erhöhte Verzugszinsen. Sie wendet als Gegenforderung den ihr an den Betonleitwänden und Verkehrszeichen entstandenen Schaden von S 44.030.- aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Klagsansprüche dem Grunde nach mit zwei Drittel, somit zu einem Drittel des Gesamtschadens, zu Recht bestehen und die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht besteht. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Breite des Fahrstreifens im Bereich der Umleitung von 7,5 m auf 6 m abnimmt und die Fahrbahn dort eine Rechtskurve mit rund 45 Grad beschreibt. Die Umleitungsstelle war zum Unfallszeitpunkt mit fünf Baustellenleuchten, einem 60 cm hohen Leitbaken und einer Fahrverbotstafel hinter den Betonleitwänden sowie einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h abgesichert. Mit Bescheid vom 13. 9. 1993 hat die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt der Ö***** für die Durchführung der Bauarbeiten an der späteren Unfallstelle unter Punkt 28. die Auflage erteilt, im Zuge der B 83 Kärntner Straße bei der Umleitung auf die L 71 Zollfeldstraße eine Leitblitzanlage aufzustellen. Helmut R***** näherte sich der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 74 km/h, am Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h war er noch 68 km/h schnell. Er nahm die Betonleitwände erstmals aus einer Entfernung von 25 bis 30 m und bei einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h wahr und lenkte nach rechts aus. Übliche Baustellenlampen sind auf 20 bis 50 m Distanz erkennbar, Blitzlampen bei vollem Akkumulator und sauberer Linse auf 100 m. Der der Beklagten entstandene Schaden ist bereits reguliert.

In seiner rechtlichen Burteilung bejahte das Erstgericht eine Verletzung der die Beklagte treffenden Verkehrssicherungspflicht infolge unterbliebener Installation einer Leitblitzanlage; im Hinblick auf das "doch gravierende Fehlverhalten" des Lenkeres des LKW hielt es eine Verschuldensteilung 2 : 1 zu Lasten der Klägerin für gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hob das Zwischenurteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, und vertrat die Ansicht, daß es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, sich beim Bauherrn nach etwaigen Auflagen betreffend die Absicherung der Baustelle zu erkundigen; unabhängig davon setze die Verkehrssicherungspflicht jedoch auch ohne behördliche Auflagen ein. Das Berufungsgericht billigte die Verschuldensteilung des Erstgerichtes, hielt die Sache jedoch unter anderem deshalb noch nicht für spruchreif, weil Feststellungen über die Kausalität einzelner Schadenspositionen sowie darüber, ob die Klägerin die Beklagte zu einer Bevorschussung aufgefordert habe, fehlten; ein Zwischenurteil dürfe aber erst dann ergehen, wenn es über sämtliche Ansprüche und Einwendungen dem Grunde nach abspreche. Das Berufungsgericht sah den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluß als zulässig an, weil es Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstelle, wie weit einem Bauführer die mangelnde Kenntnis einer behördlichen Auflage als Verschulden anzulasten sei bzw. ob die Installation einer Leitblitzanlage trotz anderer auf eine Umleitung hinweisender Ankündigungen und Maßnahmen eine Überspannung der Verkehrssicherungspflicht eines Bauführers bedeute.

Der Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Beklagte vertritt zusammengefaßt den Standpunkt, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt sei dahin zu interpretieren, daß er keine Anordnung zur Montage einer Leitblitzanlage an der Unfallstelle enthalte; im übrigen komme ihr nur die Stellung einer Vertragspartnerin des Bauherrn zu, weshalb ihr der Bescheid auch nie zugegangen sei und ihr dessen mangelnde Kenntnis nicht als Verschulden angerechnet werden könne, zumal die Baustellenabsicherung vom Gendarmerieposten Maria Saal, dessen Beamte als Sachverständige im Sinne des § 1299 ABGB zu qualifizieren seien, ohne Beanstandungen "abgenommen" worden sei. Unter diesen Umständen bedeute es eine Überspannung der Verkehrssicherungspflicht, das Fehlen einer Leitblitzanlage als schuldhafte Unterlassung zu beurteilen. Schließlich trete ein allfälliges Mitverschulden der Beklagten gegenüber dem groben Fehlverhalten des Lenkers der Klägerin so weit in den Hintergrund, daß es bei der Schadensteilung vernachläßigt werden könne.

Diese Ausführungen überzeugen nicht.

Rechtliche Beurteilung

Wie sich aus den Bestimmungen der §§ 90 und 32 Abs 6 StVO ergibt, trifft den Bauführer, der Arbeiten auf oder neben einer Straße ausführt, eine Verkehrssicherungspflicht zur Kennzeichnung und Absicherung der Baustelle (ZVR 1975/94; ZVR 1978/240; ZVR 1979/223; ZVR 1981/14; SZ 53/49 = ZVR 1980/342). Hinsichtlich dieser Pflicht sind an den Bauführer strenge Anforderungen zu stellen (JBl 1963, 154; ZVR 1974/154; 8 Ob 95/78). Es obliegt ihm in erster Linie, von der Behörde erteilte Auflagen im Sinne des § 90 Abs 3 StVO zu beachten. Hat er selbst nicht die entsprechende Bewilligung zur Durchführung der Bauarbeiten beantragt (§ 90 Abs 1 StVO), muß er sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, durch Nachfrage beim Bauherrn Kenntnis von allfälligen behördlichen Auflagen iS des § 90 Abs 3 StVO verschaffen; die Bewilligungspflicht derartiger Bauführungen muß ihm dabei als Sachverständiger iS des § 1299 ABGB (SZ 42/139; ZVR 1981/14) bekannt sein.

Die Vorinstanzen haben den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt nach seinem insofern eindeutigen Wortlaut zutreffend dahin ausgelegt, daß darin die Errichtung einer Leitblitzanlage an der Unfallstelle angeordnet wird (Punkt 28 iVm Punkt 1 des Bescheides Beilage A); es liegt deshalb bereits in der Nichtbefolgung dieser Auflage ein pflichtwidriges Handeln der Beklagten. Die Ansicht, eine Haftungsbefreiung sei allein deshalb eingetreten, weil das Fehlen der vorgeschriebenen Anlage von Gendarmeriebeamten nicht bemängelt worden sei, ist jedenfalls verfehlt, weil von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft bescheidmäßig angeordnete Auflagen nicht durch Untätigwerden der Sicherheitsbehörde außer Kraft treten.

Darüber hinaus wäre für die Beklagte auch nichts gewonnen, wenn - wie sie behauptet - die Aufstellung der Betonleitwände erst nach Erlassung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft durch die straßenpolizeiliche Aufsicht angeordnet worden wäre, die Leitblitzanlage sich daher denknotwendig nicht auf die Absicherung dieser Betonleitwände beziehen habe können: Es entspricht stRSp, daß die Verkehrssicherungspflicht einsetzt, sobald dem Verpflichteten eine Gefahrenquelle bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar war (RZ 1982, 50; JBl 1975, 544; EvBl 1974/109). Deshalb befreit es nicht von der Haftung für eingetretene Unfallsfolgen, daß bei einer behördlichen Betriebsbewilligung keine besonderen Auflagen zur Sicherung einer erkennbaren Gefahrenstelle erteilt wurden, wenn nur die Gefahrenquelle als solche dem Verkehrssicherungspflichtigen bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar war (EvBl 1975/3; ZVR 1983/280). Selbst die Beobachtung behördlicher Anordnungen schließt die Verpflichtung zu weitergehender, durch die Umstände bedingte Vorsicht nicht aus (SZ 42/139; 2 Ob 291/67). Daß aber eine Straßenumleitung, in deren Verlauf die Fahrbahn eine Kurve mit 45 Grad beschreibt, wobei die Fahrbahnbegrenzung an der Außenseite der Kurve durch einfärbig graue Betonleitwände gebildet wird, gerade in der Nacht eine Gefahrenquelle schafft, die besondere Sicherungsmaßnahmen erfordert, bedarf keiner weiteren Begründung.

Aus den Bestimmungen des § 89 Abs 1 iVm § 32 Abs 6 StVO ergibt sich die Verpflichtung des Bauführers, ein bei Straßenbauarbeiten auf der Straße vorhandenes Verkehrshindernis bei Dunkelheit durch Warnleuchten entsprechend zu kennzeichnen. Die Beklagte hat nun zwar fünf Baustellenlampen im Bereich der Straßenumleitung aufgestellt; berücksichtigt man aber, daß diese nur auf eine Entfernung von 20 m bis maximal 50 m wahrgenommen werden können, eine Leitblitzanlage hingegen nicht nur durch ihre doppelt so große Leuchtkraft, sondern auch infolge der gestaffelten blitzartigen Wirkung einen wesentlich höheren Auffälligkeitswert besitzt als gewöhnliche Baustellenlampen, war unter den gegebenen besonders gefährlichen Umständen (schmale Fahrbahn, enger Kurvenradius, einfärbig graue Betonleitwände) die Montage einer derartigen Anlage zusätzlich zu den ohnehin getroffenen Ausschilderungen jedenfalls geboten. Der Vorwurf an die Beklagte, diese dringend gebotene Sicherungsmaßnahme nicht durchgeführt zu haben, tritt auch gegenüber dem überwiegenden Verschulden des Lenkers des LKW der Klägerin nicht so weit zurück, daß er gänzlich vernachläßigt werden könnte; die von den Vorinstanzen getroffene Verschuldensteilung begegnet unter diesen Umständen keinen Bedenken.

Dem Rekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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