OGH 2Ob212/68

OGH2Ob212/684.10.1968

SZ 41/126

Normen

ABGB §1315
Arbeitsgerichtsgesetz §2 (2)
DHG §3 (2)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)
JN §1
ABGB §1315
Arbeitsgerichtsgesetz §2 (2)
DHG §3 (2)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)
JN §1

 

Spruch:

Anwendung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes und Zulässigkeit des Rechtsweges bei Landesbeamten.

Keine Halterhaftung des Bundeslandes, wenn ein Landesbeamter einen Unfall auf einer Dienstreise verschuldet, zu der er, ohne hiezu verpflichtet zu sein, seinen eigenen PKW benützt.

Entscheidung vom 4. Oktober 1968, 2 Ob 212/68.

I. Instanz: Landesgericht Eisenstadt; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger, der nach beiderseitigem Vorbringen als Landesbeamter zur beklagten Partei in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, hat nach seinen Angaben als Lenker des ihm gehörigen PKWs am 4. August 1965 in der Nähe von S. durch den Zusammenstoß mit dem von R. Sch. geführten LKW des F. H. einen Verkehrsunfall erlitten. Der Kläger bringt vor, im Zusammenhange mit diesem Verkehrsunfalle der Übertretung nach § 431 StG. schuldig erkannt worden zu sein. Sein Verschulden nähere sich mehr einer entschuldbaren Fehlleistung als einer auffallenden Sorglosigkeit. Die Benützung des Wagens des Klägers für die Dienstfahrt im Baureferat vom 4. August 1965 sei mit Wissen und Willen sowie im Interesse seiner Dienstbehörde erfolgt, wenn auch dem Kläger für diese Dienstfahrt nur die Autobustarife laut Reiserechnung zuerkannt worden seien. Der Kläger habe an den unfallgeschädigten F. H. bzw. dessen Kaskoversicherer den Schaden aus dem Unfalle vom 4. August 1965 ersetzen müssen. Im Prozesse des Geschädigten gegen den Kläger sei der beklagten Partei der Streit verkundet worden. Im Einverständnis mit der beklagten Partei habe der Kläger den Schaden ersetzt. Nunmehr verlange er gemäß § 3 (2) DienstnHG., BGBl. Nr. 80/1965, die Vergütung von der beklagten Partei als seiner Dienstgeberin in der vorläufigen Höhe von 19.833.90 S s. A. Die Voraussetzungen dafür seien gegeben; in diesem Zusammenhange weist der Kläger darauf hin, daß der Geschädigte die Möglichkeit gehabt hätte, den Ersatz des Schadens gemäß § 19 EKHG. von der Beklagten zu verlangen; der Kläger sei mit Willen und im Interesse seiner geklagten Dienstgeberin beim Betriebe des Kraftfahrzeuges dienstlich tätig gewesen. Es wird noch vorgebracht, daß der Kläger zur Bereinigung der Unfallsfolgen 55.000 S und an Prozeßkosten des Gegners 2864.67 S und an eigenen Prozeßkosten 2149.23 S aufgewendet habe; er begehre den Ersatz dieser Beträge abzüglich 40.000 S, deren Geltendmachung er sich vorbehalte. In der Streitverhandlung hat der Kläger sein Vorbringen dahin ergänzt, er habe den ihm gehörigen PKW als Dienstkraftwagen benützt.

Die beklagte Partei hat das Begehren dem Gründe und der Höhe nach bestritten; richtig sei, daß der Kläger beim Verkehrsunfall vom 4. August 1965 im dienstlichen Auftrage unterwegs gewesen sei; der Unfall vom 4. August 1956 sei auf grobe Fahrlässigkeit des Klägers zurückzuführen; der Kläger habe seinen Wagen zur Unfallszeit ohne die erforderliche ausdrückliche Bewilligung der Landesregierung benützt; eine derartige Bewilligung sei dem Kläger erst am 25. Jänner 1967 erteilt worden; eine Haftung der beklagten Partei gegenüber dem Geschädigten habe nicht bestanden; Halter des Fahrzeugs sei ja der Kläger gewesen; die Tatsache der Streitverkündigung und des Einverständnisses mit der Zahlung der vom Kläger genannten Beträge an den Geschädigten bzw. dessen Kaskoversicherer wird als richtig zugegeben.

Das Erstgericht hat Beweise nicht aufgenommen und das Zahlungsbegehren puncto 19.833.90 S s. A. schon nach dem Klagsvorbringen als unbegrundet abgewiesen. Die Verpflichtung zum Rückersatz durch den Dienstgeber bestehe nur dann, wenn dieser vom Geschädigten zum Ersatz des Schadens hätte gesetzlich in Anspruch genommen werden können. Diese Frage sei zu verneinen, sodaß die weiteren Voraussetzungen für den erhobenen Anspruch unerörtert bleiben könnten. Der Kläger habe seinen Personenkraftwagen nach seinem Vorbringen mit Kenntnis seiner Dienstbehörde zur Dienstfahrt verwendet. Als Entschädigung habe er nur jene Kosten ersetzt bekommen, die bei Benützung des Linienautobusses aufgelaufen wären. Der Kläger als Eigentümer des Fahrzeuges habe somit die volle Verfügungsmacht über den Wagen gehabt und dieses Fahrzeug auf eigene Rechnung betrieben. Die beklagte Partei sei nicht Halterin dieses Kraftwagens gewesen und hätte somit vom Geschädigten wegen der Unfallsfolgen nicht in Anspruch genommen werden können. Damit fehle es an einer wesentlichen Voraussetzung für den Anspruch auf Vergütung nach § 3 (2) DienstnHG.

Der Berufung der klagenden Partei, worin diese das Ersturteil zur Gänze angefochten hatte, hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei; darin wird dieses Urteil dem ganzen Inhalte nach angefochten und aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4. ZPO. die Aufhebung des Berufungsurteils und die Rückverweisung der Sache beantragt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Vorerst ist mit Rücksicht auf die unbestrittene Tatsache, daß der Kläger als Landesbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Partei steht, zu bemerken, daß die Regelung nach dem DienstnHG. vom Gesetzgeber bewußt (vgl. den Bericht des Justizausschusses in 653 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, X. GP.) für alle Kategorien von Dienstnehmern unter dem Gesichtspunkte der Zugehörigkeit zum Schadenersatzrecht dem Zivilrechtswesen zugeordnet worden ist, sodaß der Rechtsweg zulässig ist. Für diesen Rechtsstreit ist die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gegeben, weil gemäß der Ausnahmebestimmung des § 2 (2) ArbGerG. Personen in ihrer Eigenschaft als öffentliche Beamte - wie der Kläger - nicht Beschäftigte im Sinne des ArbGerG. sind.

In der allein erhobenen Rechtsrüge macht der Kläger geltend, daß ihm die Verfügungsgewalt insofern entzogen oder beschränkt worden sei, als er sein Fahrzeug für dienstliche Zwecke verwendet habe; nach der tatsächlichen Verwendung des Kraftwagens für dienstliche Zwecke sei die Haltereigenschaft der beklagten Partei zu bejahen; die Berufungsinstanz habe diese Frage nicht nach der faktischen Situation, sondern lediglich nach formalen Gesichtspunkten beurteilt; zumindest sei bei der Anwendung der Bestimmungen des DienstnHG. der Halterbegriff ausdehnend auszulegen, um sämtliche denkbaren aus dem Dienstverhältnis resultierenden Ansprüche gegen den Dienstgeber im gegebenen Rahmen zu erfassen; schließlich verweist der Revisionswerber auf die Entscheidung EvBl. 1968 Nr. 4.

Ein Rechtsirrtum der Vorinstanzen liegt nicht vor. Denn abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen für den in § 3 (2) bzw. (3) DienstnHG. normierten Vergütungsanspruch des Dienstnehmers gegen seinen Dienstgeber ist dieser Anspruch nur dann gegeben, wenn der Dienstgeber auf Grund der §§ 1313a bis 1316 ABGB. oder auf Grund einer anderen gesetzlichen Verpflichtung vom Dritten zum Ersatz des Schadens in Anspruch hätte genommen werden können. Schon nach dem Prozeßvorbringen des Klägers ist aber ersichtlich, daß der durch den Verkehrsunfall vom 4. August 1965 geschädigte Dritte (F. H. bzw. dessen Kaskoversicherer) von der beklagten Partei Schadenersatz mit Erfolg nicht hätte fordern können. In der vom Revisionswerber zitierten hg. Entscheidung EvBl. 1968 Nr. 4 ist ein Problem der Haftung des Bestandgebers für den Schaden seines Bestandnehmers aus der Tätigkeit der vom Vermieter bei Arbeiten am Stiegenumbau eingesetzten Gewerbsleute im Sinne des § 1313a zu Gunsten des Mieters gelöst worden. Daraus kann aber für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden, weil eine Haftung der beklagten Partei gegenüber dem durch den Verkehrsunfall des Klägers Geschädigten mangels einer vertraglichen Beziehung oder einer sonstigen Verpflichtung nicht auf die Bestimmungen des § 1313a ABGB. gegrundet werden kann. Von den im DienstnHG. zitierten Bestimmungen des ABGB. käme nach den Umständen von vornherein nur § 1315 ABGB. in Betracht; der Kläger hat aber die Voraussetzungen dieser Vorschrift (er müßte sich ja selbst als untüchtig oder gefährlich im Sinne des § 1315 ABGB. bezeichnen) nicht einmal behauptet. Es kommt also, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, nur die Norm des § 19 (2) EKHG.

- ein Anwendungsfall des § 1315 ABGB. unter modifizierten Voraussetzungen - in Betracht. Dementsprechend hängt die Entscheidung zunächst davon ab, ob die beklagte Partei Halterin des vom Kläger zur Unfallszeit geführten Kraftfahrzeuges gewesen ist. Diese Frage ist aber schon nach dem Prozeßvorbringen des Klägers mit den Untergerichten zu verneinen. Eine rechtlich relevante Beziehung der beklagten Partei zu dem vom Kläger benützten Fahrzeug im Sinne des § 19 (2) EKHG. hat nicht bestanden. Eine Verpflichtung des Klägers, dieses Fahrzeug als Dienstkraftwagen zu verwenden, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers vor dem Erstgericht nicht. Es hat sich um das eigene Fahrzeug des Klägers gehandelt. Seine Verwendung für die Dienstreise ist dem Kläger nach den Tarifen des Linienautobusses von der beklagten Partei vergütet worden. Daraus allein läßt sich aber die Haltereigenschaft der beklagten Partei nicht begrunden. Es ist nicht ersichtlich, wieso bei der Anwendung der Bestimmungen des DienstnHG. der Begriff des Halters eines Kraftfahrzeuges zugunsten des Dienstnehmers anders auszulegen wäre als in den sonstigen Fällen. § 3 (2) und (3) DienstnHG. weisen ohne Einschränkung oder Erweiterung auf die §§ 1313a bis 1316 ABGB. oder andere gesetzliche Verpflichtungen hin. Es darf schließlich nicht außer Betracht bleiben, daß durch die zufolge der Zulassung des Kraftfahrzeuges zum Verkehr für den Dienstnehmer obligatorische Haftpflichtversicherung das Risiko des Betriebs des Kraftwagens durch den Dienstnehmer in der Regel gedeckt sein wird, sodaß unter diesem Gesichtspunkte eine Ausdehnung des Halterbegriffes im Sinne des Revisionsvorbringens nicht erforderlich ist.

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