Spruch:
Bei wesentlicher Geldentwertung kann der nach § 1327 ABGB. ersatzberechtigte Hinterbliebene vom Schädiger die Aufwertung seiner Rente verlangen.
Entscheidung vom 17. Oktober 1963, 2 Ob 197/63.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der am 7. Juli 1900 geborene F. D., der Gatte der Klägerin, ist am 30. März 1946 (gelegentlich ist das Datum mit 31. März 1946 bezeichnet) bei einem Verkehrsunfall durch das Verschulden des F. S. tödlich verunglückt. Im Vorprozesse des Erstgerichtes ist die beklagte Partei als Halterin des von F. S. geführten Lastkraftwagens verurteilt worden, der Klägerin den Betrag von 751 S 19 g sowie für die Zeit vom 1. April 1946 bis 30. Juni 1947 eine Monatsrente von je 65 S zu bezahlen; des weiteren ist die beklagte Partei schuldig erkannt worden "der Klägerin den Betrag von 7262 S 32 g s. A. sowie für die Zeit vom 1. Juli 1951 bis 30. Juni 1970 (dieser Endtermin ergab sich aus der angenommenen Lebenserwartung des Verunglückten) eine monatliche Rente von je 304 S 67 g im nachhinein an jedem Monatsletzten zu bezahlen; nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter E. D. erhöhe sich die der Witwe - der jetzigen Klägerin - zu leistende Monatsrente auf 435 S 25 g.
In der am 4. Jänner 1963 erhobenen Klage führt die Witwe aus, es sei anläßlich eines Lohn- und Preisabkommens zwischen ihr und der beklagten Partei im Jahre 1952 vereinbart worden, daß sich die Leistung der Beklagten an die Klägerin ab 1952 auf 505 S 25 g monatlich erhöhe (ein Großteil dieses Betrages werde nicht an die Klägerin, sondern in Anbetracht der ihr von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gewährten Witwenpension an diesen Sozialversicherungsträger ausbezahlt). In der Klage wird ferner vorgebracht, daß nunmehr wegen der Änderungen im Lohn- und Preisgefüge ein "Nachzahlungsanspruch" geltend gemacht werde. Für die Zeit vom Dezember 1959 bis einschließlich November 1962 werde ein aufgestockter Betrag von restlich (unter Berücksichtigung der Zahlungen der beklagten Partei von 505 S 25 g monatlich) 35.396 S 30 g s. A. verlangt, des weiteren ab 1. Dezember 1962 eine monatliche Rente von 1587 S 58 g s. A. im nachhinein an jedem Monatsletzten. In der Streitverhandlung hat die Klägerin das Begehren "um jene Beträge, die auf den Dezember 1959 entfallen", eingeschränkt. Die beklagte Partei hat im Hinblick auf die Entscheidung im bezogenen Vorprozesse die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache erhoben und daneben das Klagebegehren dem Gründe und der Höhe nach bestritten.
Das Erstgericht hat die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache verworfen und urteilsmäßig die beklagte Partei schuldig erkannt, der Klägerin den Betrag von 29.492 S 50 g s. A. sowie für die Zeit vom 1. Jänner 1963 bis 31. Dezember 1965 eine monatliche Rente von 923 S samt 4% Zinsen ab Fälligkeit im nachhinein an jedem Monatsletzten zu bezahlen; das Mehrbegehren pcto. 3959 S 05 g s. A. sowie hinsichtlich einer weiteren Monatsrente von 663 S 82 g hat das Erstgericht abgewiesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teile.
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Unterinstanzen auf und verwies die Streitsache zur Fortsetzung der Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.
Nach dem beiderseitigen Prozeßvorbringen der Parteien liegt ein Aufwertungsproblem vor; die Klägerin als unterhaltsberechtigte Hinterbliebene nach ihrem Gatten F. D. verlangt von der nach Art. IV EinfV. z. KraftfVerkG. und § 1327 ABGB. ersatzpflichtigen beklagten Partei eine Erhöhung der Ersatzleistung gegen Unterhaltsentganges; dabei ist der Ausgangspunkt des Aufwertungsbegehrens nicht die Entscheidung vom 4. August 1951 im Vorprozesse an sich, sondern die von der Klägerin behauptete und von der beklagten Partei zugegebene außergerichtliche Rentenerhöhungsvereinbarung aus dem Jahre 1952 (Leistung monatlicher 505 S 25 g). Die Klägerin begrundet ihr ab 1. Jänner 1960 aufrecht erhaltenes Erhöhungsbegehren damit, daß seit der "Angleichung" ihrer von der beklagten Partei zu leistenden Rente im Jahre 1952 sich laufende Änderungen im Lohn- und Preisgefüge, darunter mehrmals Erhöhungen der Bezüge der Bundesbediensteten - F. D. war laut Vorakten Vertragsbediensteter im Post- und Telegraphendienst in der Verwendungsgruppe E und wäre ab 1. Jänner 1950 pragmatisiert worden -, ergeben hätten; ihr Gatte wäre auf Grund seiner weiterhin zurückgelegten Dienstjahre "in höhere Bezugsstufen seiner Gehaltsklasse" vorgerückt; schließlich gibt die Klägerin bestimmte Zahlen eines fiktiven Gehalts ihres Gatten an und nimmt davon als ihren Entgang 50% in Anspruch, wovon sie die Leistungen der beklagten Partei in der Höhe von 505 S 25 g monatlich in Abzug bringt.
Rechtliche Beurteilung
Das Revisionsgericht bejaht mit den Vorinstanzen - die Frage des Beginns der Verpflichtung zur Leistung aufgewerteter Unterhaltsentgangs-Ersatzbeträge wird später zu erörtern sein - grundsätzlich die Berechtigung eines nach § 1327 ABGB. Ersatzberechtigten zur Geltendmachung einer durch eine wesentliche Geldentwertung bedingten Erhöhung der ihm gebührenden Rente; das Ausmaß dieser Erhöhung kann je nach den Grundlagen der seinerzeitigen gerichtlichen Festsetzung dieser Rente oder der zwischen dem Hinterbliebenen und dem Ersatzpflichtigen getroffenen Vereinbarung auch aus dem Verhältnisse der seinerzeit angenommenen Dienstbezüge zu den nunmehr geltenden Lohn- oder Gehaltsbezügen, soweit die Erhöhung der Bezüge auf der bezeichneten Geldentwertung beruht, ermittelt werden. In dieser Hinsicht ist auf die ständige Praxis des Revisionsgerichtes (vgl. die grundlegenden Ausführungen in SZ. IV 65) zu verweisen. Der Revisionswerberin ist aber darin beizupflichten, daß für die Beurteilung des Ausmaßes der Aufwertung nur allgemeine in der Geldentwertung begrundete Änderungen der Lohnverhältnisse, nicht aber individuelle Beförderungsmöglichkeiten und Vorrückungen in höhere Bezugsstufen berücksichtigt werden können. Dies ergibt sich aus der richtigen Anwendung der clausula rebus sic stantibus. Die Grundlagen der Rentenbemessung können bei der Aufwertung nur insoweit eine Änderung erfahren, als verhindert werden soll, daß die Witwe zufolge der eingetretenen Geldentwertung vom Ersatzpflichtigen wesentlich weniger erhält, als was ihr nach den seinerzeitigen Bemessungsgrundlagen real zugekommen wäre, wenn sich nicht die Preis- und Lohnverhältnisse geändert hätten. Abgesehen davon, kann auf bei der seinerzeitigen Rentenbemessung nicht berücksichtigte Umstände im Aufwertungsprozeß nicht Bedacht genommen werden; es handelt sich ja nicht um ein Wiederaufnahmsverfahren.
Dem von der beklagten Partei schon in erster Instanz erhobenen und im Rechtsmittelverfahren aufrecht erhaltenen Einwand der Verjährung kommt aber keine Berechtigung zu. Denn es liegt zwar kein Feststellungserkenntnis zu Gunsten der Klägerin vor, wie die Revisionswerberin zutreffend hervorhebt, und eine Entschädigungsklage wäre gemäß § 1489 ABGB. in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Beschädigers (Ersatzpflichtigen) dem Beschädigten bekannt wurde. Darum handelt es sich aber vorliegendenfalls nicht. Das Begehren geht ja auf Aufwertung der im Jahre 1952 vereinbarten Rente, welche Rentenvereinbarung wiederum auf das Urteil des Erstgerichtes im Vorprozesse vom 4. August 1951 zurückzuführen ist, so daß nicht mehr die Frage der Entschädigung an sich zur Erörterung steht; die Verjährungseinrede kann also gegenüber dem auf die Geldentwertung gegrundeten Aufwertungsbegehren nicht durchgreifen. Bei diesen Umständen ist die Streitsache zunächst schon deswegen nicht spruchreif, weil die Relation zwischen der Vereinbarung vom Jahre 1952 und dem Aufwertungsbegehren nicht erörtert worden ist; es mangeln ja sogar Feststellungen darüber, unter welchen Gesichtspunkten die Parteien im Jahre 1952 die Erhöhung der Rente vereinbart haben. Die Grundlagen des Rentenzuspruchs im erstgerichtlichen Urteile vom 4. August 1951 sind zwar aktenkundig; es bleibt aber offen, ob diese Grundlagen nicht durch die Vereinbarung vom Jahre 1952 eine Änderung in den für die Aufwertung nach den obigen Ausführungen maßgeblichen Umständen erfahren haben. Sollten die Grundlagen des Zuspruchs der Rente laut Urteil des Erstgerichtes vom 4. August 1951 unverändert geblieben sein, müßte im künftigen Verfahren die Relation zwischen den Bezügen laut den konkreten Annahmen in diesem Urteile und dem derzeitigen Einkommen eines Beamten derselben Kategorie, soweit es infolge der Geldentwertung nominell höher ist als früher, geprüft werden. In dieser Hinsicht sind die Untergerichte selbst über das Klagsvorbringen (vgl. die obigen Ausführungen hinsichtlich der Begründung der Aufwertung seitens der Klägerin) hinausgegangen. Selbst für den Fall der unveränderten Weitergeltung der Grundlagen des Urteils vom 4. August 1951 kann derzeit nicht entschieden werden, weil das Erstgericht mit Billigung der Berufungsinstanz individuelle Beförderungsmöglichkeiten hinsichtlich des F. D. in der Berechnung berücksichtigt hat, die im Aufwertungsprozesse ausscheiden müssen. In allen Beziehungen liegen also Feststellungsmängel vor.
Zur Frage des Beginnes der Verpflichtung zur Leistung aufgewerteter Beträge an Ersatz des dem Hinterbliebenen Entgangenen (§ 1327 ABGB.) ist folgendes festzuhalten:
Die vorliegende Klage ist am 4. Jänner 1963 erhoben worden; nach dem letzten Stande des erstgerichtlichen Verfahrens verlangt die Klägerin die erhöhten Ersatzbeträge (in Form einer aufgestockten Rente und ab 1. Dezember 1962 als laufende Monatsrente) ab 1. Jänner 1960; die Untergerichte haben ihr 29.492 S 50 g s. A. für die Zeit vom 1. Jänner 1960 bis Ende 1962 und eine Monatsrente von 923 S 76 g mit Fälligkeit an jedem Monatsletzten im nachhinein für den Zeitraum vom 1. Jänner 1963 bis 31. Dezember 1965 (diesen Endtermin hat die Klägerin ohne Rüge hingenommen) zuerkannt. Es ist nun zu erörtern, ob das Aufwertungsbegehren für die Zeit vor Klagszustellung an die beklagte Partei - 9. Jänner 1963 laut Rückschein - gerechtfertigt ist (abgesehen von den bereits oben behandelten Fragen der Aufwertung selbst). Das Ersatzbegehren nach § 1327 ABGB. ist ein solches auf Schadenersatz, auch wenn es Unterhaltsentgang zum Inhalte hat (vgl. z. B. 2 Ob 616/55, ZVR. 1956, Spruchbeilage Nr. 47). Es kommt also der Grundsatz, daß Alimente pro praeterito nicht gefordert werden können, auf diesen Anspruch nicht zur Anwendung und auch die von der Judikatur (vgl. z. B. SZ. XXXIV 90) entwickelten Rechtssätze zur Frage der rückwirkenden Aufwertung von Unterhaltsforderungen können auf das vorliegende Aufwertungsproblem nicht unmittelbar angewendet werden. Daraus ist aber für den gegenwärtigen Rechtsstreit doch festzuhalten, daß nach dem Klagebegehren die Aufwertung der Ersatzbeträge vom Richter auf Grund der clausula rebus sic stantibus vorzunehmen ist; in einem derartigen Falle hat die Rechtsprechung (vgl. SZ. XXIV 90) die rückwirkende Aufwertung von Forderungen aus Unterhaltsverträgen abgelehnt, weil dabei im Zeitpunkt der Fälligkeit die erst auf Grund der clausula rebus sic stantibus vom Richter neu festzusetzende Leistung dem Schuldner noch nicht bekannt sein und er demnach diesbezüglich auch nicht in Verzug geraten sein kann. Diese Auffassung ergibt die richtige Lösung des Problems auch im vorliegenden Falle, wenn es sich auch um die Aufwertung einer Schadenersatzforderung handelt. Es kann also nicht gebilligt werden, wenn die Vorinstanzen das Klagebegehren ohne weiteres für die Zeit ab 1. Jänner 1960 für berechtigt angesehen haben; sie haben dabei nicht entsprechend berücksichtigt, daß nicht Schadenersatz an sich, sondern die Aufwertung bereits gerichtlich zuerkannter oder von den Parteien vereinbarter Ersatzbeträge (im Sinne obiger Ausführungen) begehrt wird, ein Verzug in der Leistung der infolge der Aufwertung erhöhten Ersatzbeträge auf Seite des Schuldners nur dann in Betracht kommen kann, wenn ihm das Begehren des Gläubigers zumindest außergerichtlich zur Kenntnis gelangt ist. Nun hat die Klägerin schon in der Klage vorgebracht, seit dem Jahre 1952 mehrmals versucht zu haben, die beklagte Partei zu einer Angleichung der ihr zustehenden Rente an die tatsächlichen Lebensverhältnisse zu bewegen; zuletzt habe sie die beklagte Partei durch ihren Machthaber am 25. September 1962 aufgefordert, zu ihren Ansprüchen bis 5. Oktober 1962 Stellung zu nehmen; eine Antwort darauf sei nicht erfolgt. Nach den dargelegten Grundsätzen und in sinngemäßer Anwendung des § 1417 ABGB. ist davon auszugehen (§ 511 (1) ZPO.), daß die beklagte Partei mit dem Tage zur Leistung der erhöhten Ersatzbeträge verpflichtet war, an welchem die Einmahnung der ziffernmäßig bekanntgegebenen erhöhten Rentenbeträge geschehen war. Dieser Umstand wird also im künftigen Verfahren für die Zeit ab 1. Jänner 1960 zu erörtern und festzustellen sein, wenn die Aufwertung an sich gerechtfertigt wäre.
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