Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 15.643,98 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 2.607,33, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 19.8.1981 ereignete sich gegen 22,10 Uhr im 10. Wiener Gemeindebezirk in der Gudrunstraße auf Höhe der in der Favoritenstraße eingerichteten Fußgängerzone ein Verkehrsunfall, an dem Novica M*** als Halter und Lenker des bei der Klägerin haftpflichtversicherten PKW mit dem Kennzeichen W 573.579 und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Motorrades mit dem Kennzeichen N 27.215 beteiligt waren. Bei diesem Verkehrsunfall wurde unter anderem die am Motorrad mitfahrende Soziusfahrerin Eveline N*** schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen die beiden beteiligten Lenker zu 7 U 214/82 des Strafbezirksgerichtes Wien ein Strafverfahren eingeleitet. Gegen den Erstbeklagten wurde es gemäß § 90 StPO eingestellt. Novica M*** wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 19.5.1982 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, die im Straßenverkehr erforderliche Aufmerksamkeit und Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben. Die Klägerin erbrachte als Haftpflichtversicherer des PKW des M*** aus Anlaß dieses Verkehrsunfalles Schadenersatzleistungen an die verletzte Eveline N*** und an deren Sozialversicherungsträger. Sie bezahlte am 15.12.1983 S 487.400 an die Verletzte und am 17.10.1983 S 106.240 an den Sozialversicherungsträger, insgesamt somit S 593.640.
Im vorliegenden Rechtsstreit (die zunächst auf Zahlung von S 296.820 sA gerichtete Klage wurde am 18.7.1985 beim Erstgericht eingebracht; die Ausdehnung des Klagebegehrens auf S 395.760 sA erfolgte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9.1.1987) begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 395.760 sA im wesentlichen mit der Begründung, daß ihr die Beklagten zwei Drittel der von ihr erbrachten Leistungen zu refundieren hätten, weil den Erstbeklagten ein mit zwei Dritteln zu bewertendes Mitverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Der Erstbeklagte habe sein Motorrad in der rechten Fahrspur der Gudrunstraße vor einem PKW in Richtung Triesterstraße gelenkt. Als M*** diesen PKW überholt habe, habe der Erstbeklagte sein Motorrad plötzlich nach links gelenkt, um zum linken Fahrbahnrand zuzufahren. Dabei habe er sich weder ordnungsgemäß eingeordnet, noch habe er Blink- oder Handzeichen gegeben und sich durch einen Blick in den Rückspiegel vergewissert, daß er nicht überholt werde. Überdies habe der Erstbeklagte ein unmittelbar vor der Unfallstelle angebrachtes Gebotszeichen nach § 52 lit b Z 15 StVO nicht beachtet.
Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, der Erstbeklagte habe, nachdem er sich davon überzeugt gehabt habe, nicht überholt zu werden, ein Handzeichen gegeben; er habe sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet und nach links abbiegen wollen. M*** habe trotz dieses eindeutig erkennbaren Linksabbiegemanövers das Motorrad des Erstbeklagten mit stark überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h links überholen wollen. Das Alleinverschulden an diesem Unfall treffe daher M***. Im übrigen sei die Klagsforderung verjährt.
Das Erstgericht gab - im zweiten Rechtsgang - dem Klagebegehren statt.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Zur Unfallszeit fuhr M*** bei Dunkelheit (bei eingeschalteter Straßenbeleuchtung) mit seinem PKW auf der Gudrunstraße in Richtung Keplerplatz. Vor ihm befanden sich zwei oder drei Personenkraftwagen und dann das Motorrad des Erstbeklagten. Diese Kolonne fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h. M*** fuhr zunächst in der rechten Fahrspur in einem Abstand von 5 bis 6 m hinter dem vor ihm befindlichen PKW. Dann lenkte er nach links aus und beschleunigte auf eine Geschwindigkeit von jedenfalls 70 km/h. Er hatte bereits ein Fahrzeug überholt und war eben im Begriff, das nächste zu überholen, als der Erstbeklagte mit seinem Motorrad nach links ausschwenkte, um nach links zu einem auf der linken Fahrbahnseite der Gudrunstraße befindlichen Bankomaten zuzufahren. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Erstbeklagte bereits den auf der Überholspur befindlichen PKW des M*** sehen müssen. M*** erkannte das Motorrad erst, als es nach links gelenkt wurde, weil es nicht zur Fahrbahnmitte eingeordnet war und daher vorerst durch die dazwischen befindlichen Fahrzeuge verdeckt wurde. Aus diesem Grund konnte M*** auch ein allenfalls von N*** bzw. dem Erstbeklagten gegebenes Handzeichen nicht sehen. Als M*** seine Reaktion setzte, betrug sein Tiefenabstand zum Motorrad etwa 18 m. Er reagierte 1,6 Sekunden vor dem Kontakt in einer Entfernung von 26 bis 27 m. Im Kontaktzeitpunkt hatte das Motorrad die linke Begrenzung der parkenden Fahrzeuge noch nicht erreicht; es befand sich in einer relativ starken Schrägstellung von etwa 30 bis 40 Grad. Die Kontaktgeschwindigkeit des Motorrades lag im Bereich von 15 bis 20 km/h. Der Kontakt am Motorrad erfolgte hinten links seitlich, der am PKW rechts vorne. Bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h wäre der Kontakt durch M*** vermeidbar gewesen. Im Unfallsbereich befindet sich auf Höhe der CA-BV in Fahrtrichtung der Beteiligten ein Gebotszeichen gemäß § 52 lit b Z 15 StVO.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, der Erstbeklagte habe sich nicht ordnungsgemäß nach links eingeordnet. Ein allenfalls gegebenes Handzeichen, das er vor seinem Ausschwenken nach links gesetzt habe, sei daher für den nachfolgenden Verkehr nicht sichtbar gewesen. Der Erstbeklagte habe sich auch nicht davon überzeugt, daß niemand zum Überholen angesetzt hatte. Es treffe ihn daher jedenfalls ein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles, das gegenüber dem Verschulden des M*** überwiege. Dieser habe zwar jedenfalls eine wesentlich überhöhte Geschwindigkeit eingehalten, im übrigen aber prompt und ohne Verspätung auf das verkehrswidrige Verhalten des Erstbeklagten reagiert. Im übrigen habe M*** darauf vertrauen dürfen, daß das im Unfallsbereich für die Fahrtrichtung der Beteiligten angebrachte Gebotszeichen nach § 52 lit b Z 15 StVO vom Erstbeklagten beachtet werde. Unter diesen Umständen erweise sich eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten als gerechtfertigt. Hinsichtlich der Verjährungsfrage sei auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes in dessen Aufhebungsbeschluß ON 30 zu verweisen.
Das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung. Einem Verstoß des PKW-Lenkers M*** gegen § 20 Abs 1 StVO stehe das unfallsauslösende Verhalten des Erstbeklagten gegenüber, der an einer Stelle zum linken Fahrbahnrand zufahren habe wollen, an welcher dies untersagt gewesen sei. In der Verjährungsfrage sei das Erstgericht an die im Aufhebungsbeschluß ON 30 geäußerte Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes gebunden gewesen. Ein Rückgriffsanspruch aus deliktischer Gesamthaftung unterliege der 30-jährigen Verjährungsfrist.
Soweit die Beklagten in ihrer Rechtsrüge darzutun versuchen, daß der Klagsanspruch verjährt sei, ist ihnen zu entgegnen, daß nach ständiger Rechtsprechung, von der abzugehen kein Anlaß besteht, Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Ersatzpflichtigen nach Erfüllung von Ersatzansprüchen Dritter im Sinne des § 11 Abs 1 erster Satz EKHG - und nur ein solcher Anspruch wird von der Klägerin geltend gemacht - der 30-jährigen Verjährung unterliegen (SZ 43/15 mwN; 2 Ob 228/81; 8 Ob 73/86 uva; siehe dazu auch Gamerith in Rummel, ABGB, § 896 Rz 11; SZ 60/55 mwN ua). Mit Recht sind daher die Vorinstanzen dem Verjährungseinwand der Beklagten nicht gefolgt. Was aber die Frage der Verschuldensteilung anlangt, ist davon auszugehen, daß dem Erstbeklagten im Sinne des § 7 Abs 4 StVO das von ihm beabsichtigte Zufahren zum linken Fahrbahnrand jedenfalls nur unter der Voraussetzung gestattet war, daß er damit andere Straßenbenützer nicht gefährdete oder behinderte. Von einer Beachtung dieser Verpflichtung durch den Erstbeklagten kann keine Rede sein, wenn er ohne Rücksicht auf den Nachfolgeverkehr und insbesondere ohne Beachtung des bereits für ihn wahrnehmbaren in Überholposition befindlichen PKW des M*** zum linken Fahrbahnrand zuzufahren versuchte. Das Argument der Beklagten, der Erstbeklagte habe nicht damit rechnen müssen, überholt zu werden, geht schon deswegen fehl, weil die festgestellte Kollisionsgeschwindigkeit des Erstbeklagten nur im Bereich von 15 bis 20 km/h lag.
Gewiß ist M*** die von ihm begangene unfallskausale Geschwindigkeitsüberschreitung als Verschulden anzulasten. Sie kann, da die von ihm eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h die im Sinne des § 20 Abs 2 StVO zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritt, nicht vernachlässigt werden. Ein darüber hinausgehendes Fehlverhalten ist ihm aber nicht anzulasten; insbesondere hat er auf das Fehlverhalten des Erstbeklagten nach Erkennbarkeit prompt und verzögerungsfrei reagiert. Stellt man dem gegenüber, daß der Erstbeklagte durch seine der Vorschrift des § 7 Abs 4 StVO grob widersprechende Fahrweise in höchst unvorsichtiger Weise das den Unfall einleitende Fehlverhalten setzte, dann ist in der von den Vorinstanzen vorgenommenen Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.
Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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