OGH 2Ob187/23y

OGH2Ob187/23y25.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, die Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Christopher Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2023, GZ 40 R 16/23h‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00187.23Y.1025.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzenwiesen das Räumungsbegehren des Klägers mit der wesentlichen Begründung ab, dass dieser auf sein Fruchtgenussrecht, auf das er seine Aktivlegitimation stütze, wirksam verzichtet habe.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revisionkeine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] 1. Die (erkennbar) behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[4] 2. Gemäß § 524 iVm § 1444 ABGB ist einer der möglichen Gründe für ein Erlöschen des Fruchtgenussrechts der Verzicht des Berechtigten (RS0011842). Nach herrschender Rechtsprechung handelt es sich beim Verzicht um einen Vertrag, der durch Erklärung des Verzichts und Annahme dieser Erklärung durch den Schuldner zustande kommt (vgl RS0033948). Die Annahme kann auch konkludent erfolgen (RS0014090 [T1]), wobei dafür bereits die widerspruchslose Entgegennahme der Erklärung durch den Schuldner genügt (2 Ob 35/17m Punkt 2.1. mwN). Der Verzicht auf ein beschränktes dingliches Recht wird Dritten gegenüber aufgrund des auch insofern geltenden Eintragungsgrundsatzes erst mit der Einverleibung der Löschung wirksam (RS0012149 [T1]). Daraus folgt, dass der Berechtigte, der auf das Recht verzichtet hat, vor der Einverleibung der Löschung noch über das Recht verfügen kann. Aus dem Verzicht folgt aber, dass er dazu gegenüber dem Eigentümer des dienenden Gutes nicht mehr befugt ist (2 Ob 35/17m Punkt 2.2. und 2.3.).

[5] 3. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042871). Darin, dass eine andere Auslegung vertretbar wäre, liegt dagegen keine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung (RS0042776 [T2]; RS0112106 [T2, T4]).

[6] 3.1. Das Berufungsgericht hat bei Auslegung der Verzichtserklärung des Klägers auf den darin erwähnten Punkt 5.06 des Vergleichs Bedacht genommen, der eine treuhändige Abwicklung durch einen Notar nach Vorliegen von Löschungserklärungen vorsieht.

[7] 3.2. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung einer treuhändigen Abwicklung keine Bedingung für die Wirksamkeit des Verzichts, sondern eine bloße Nebenvereinbarung gewesen sei, ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

[8] 3.3. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, die im Vergleich vereinbarte Umschuldung vorgenommen zu haben, sodass Löschungserklärungen vorliegen würden. Da der Kläger diesem Vorbringen nicht substantiiert entgegengetreten ist, obwohl diese Behauptungfür ihn offenbar leicht widerlegbar sein musste (RS0039927; § 267 ZPO), konnten die Vorinstanzen dieses Vorbringen ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legen und insoweit in nicht korrekturbedürftiger Weise von der Erfüllung der im Vergleich vorgesehenen Verpflichtungen durch die Beklagte ausgehen.

[9] 3.4. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die einzelfallbezogen zu lösende Frage nach der Auslegung des Vorbringens des Klägers (vgl RS0042828) in nicht korrekturbedürftiger Weise dahin beantwortet, dass er sich in erster Instanz nicht darauf gestützt habe, dass die Beklagte eine der weiteren, in der Berufung aufgezählten, allerdings nicht in Punkt 5.06 des Vergleichs erwähnten „Bedingungen“ nicht erfüllt habe.

[10] 3.5. Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Grundsatz, dass Verzichtserklärungen einschränkend auszulegen sind (RS0038546), ist nicht zu erkennen.

[11] 4. Soweit der Kläger sekundäre Feststellungsmängel zu Punkt 6.03 des Vergleichs vom Februar 2021 behauptet, ist ihm zu erwidern, dass er sein Klagebegehren in erster Instanz nicht auf das in diesem Vergleichspunkt erwähnte Wohnungsgebrauchsrecht gestützt hat.

[12] 5. Insgesamt war die außerordentliche Revision damit zurückzuweisen.

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