Spruch:
Der Rekurs der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 7.303,68 (hierin enthalten S 1.217,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Bei einem Verkehrsunfall am 20. 6. 1996 in Feldkirch wurden die Ehefrauen der Kläger getötet. Der Erstbeklagte wurde aus Anlass dieses Unfalls zwischenzeitlich rechtskräftig mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. 11. 1999, Bl 116/99, wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB strafgerichtlich verurteilt. Die zweitbeklagte Partei ist Halter und die Drittbeklagte Haftpflichtversicherer des vom Erstbeklagten gelenkten Unfallfahrzeuges.
Mit der am 24. 2. 1999 eingebrachten Klage stellten die Kläger das Feststellungsbegehren, es werde den beklagten Partei gegenüber festgestellt, dass diese den beiden Klägern gegenüber zur ungeteilten Hand für alle aus diesem Unfall entstandenen wie auch in Zukunft entstehenden Schäden und nachteiligen Folgen zu haften haben; die Haftung der drittbeklagten Partei gegenüber den Klägern ist mit der Haftpflichtversicherungssumme zum Unfallszeitpunkt für den Reisebus, amtliches Kennzeichen: ***** begrenzt.
Zur Begründung brachten sie vor, dass ihnen als Ehegatten der Getöteten gegenüber den beklagten Parteien ua Ansprüche bezüglich des Ersatzes der sie treffenden Todfallkosten, der entstandenen Sachschäden sowie der Bezahlung einer Hausfrauenrente zustünden; die Klagseinbringung sei wegen drohender Verjährung und Bestreitung der Haftung durch die beklagten Partei auch dem Grunde nach erforderlich. Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Erstbeklagten, weil dieser durch Blinkerbetätigung ein Abbiegesignal gesetzt, tatsächlich jedoch richtungsbeibehaltend weiter gefahren und so mit dem aufgrund des irrigen Blinkersignals in die Unfallkreuzung eingebogenen PKW der beiden Frauen zusammengestoßen sei.
Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Das Alleinverschulden treffe die Lenkerin des PKWs, die den Vorrang des Busses, der auch keinen Blinker betätigt habe, missachtet habe. Schließlich wurde auch eingewendet, dass die Kläger ihre geltend gemachten Schadenersatzansprüche bereits im Klagezeitpunkt allesamt ziffernmäßig bestimmen hätten können, sodass die Voraussetzungen für eine (bloße) Feststellungsklage nicht gegeben seien.
In der Streitverhandlung vom 19. 1. 2000 dehnten die Kläger hierauf ihr Begehren - unter Beibehaltung des Feststellungsbegehrens - dahin aus, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig seien, dem Erstkläger aus dem Titel der Hausfrauenrente für den Monat Jänner 2000 einen Betrag von S 10.500 und dem Zweitkläger ebenfalls aus dem Titel der Hausfrauenrente für denselben Monat eine Rente von S 11.500 zu bezahlen.
Die beklagten Parteien sprachen sich gegen die Zulassung dieser Klageänderung aus.
Das Erstgericht sprach mit in sein Urteil aufgenommenem Beschluss zunächst aus, dass die wie vor vorgenommene Klageänderung nicht zugelassen werde und wies im Übrigen das Klagebegehren, gerichtet auf Feststellung, ab. Durch die vorgenommene Klageänderung werde die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes in unzulässiger Weise überschritten; hinsichtlich aller geltend gemachten Schadenersatzansprüche wären die Kläger verpflichtet (und bereits in der Lage) gewesen, ein Leistungsbegehren zu stellen, was ihnen zufolge ziffernmäßiger Bestimmbarkeit auch möglich gewesen wäre.
Das Berufungsgericht gab dem Rekurs gegen die Nichtzulassung der Klageänderung keine Folge - dieser Teil ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht mehr weiter bekämpfbar (JBl 1997, 186; 6 Ob 154/98k; 7 Ob 45/99i) und damit rechtskräftig -, wohl aber der Berufung der Kläger; es hob das angefochtene Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes bleibe sehr wohl die Möglichkeit offen, dass das schädigende Ereignis den Eintritt jedenfalls eines künftigen Schadens dahingehend verursache, dass allenfalls eine Erhöhung der begehrten Hausfrauenrente nach § 1327 ABGB möglich sei, sodass grundsätzlich im derzeitigen Verfahrensstadium ein Feststellungsinteresse an der Haftung der beklagten Parteien für alle nachteiligen Folgen aus dem gegenständlichen Unfall nicht verneint werden könne. Ungeachtet des Umstandes, dass allfällige - zum jetzigen Zeitpunkt bereits exakt bezifferbare und fällige - Ansprüche bei einer Geltendmachung nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB bereits verjährt sein mögen, da dieselben mit einer Leistungsklage geltend gemacht hätten werden müssen, seien nachteilige Folgen aus dem Unfall insbesondere im Hinblick auf Ansprüche nach § 1327 ABGB nicht auszuschließen, sodass das Erstgericht zu Unrecht ein rechtliches Interesse verneint und das Klagebegehren abgewiesen habe.
Der Rekurs wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob im Falle der Möglichkeit des Erhebens einer Leistungsklage bei unvorhersehbaren Schäden (wenn demnach ein Verjährungseinwand nicht zu besorgen ist), dennoch ein rechtliches Interesse des Geschädigten auf alsbaldige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes anzunehmen oder, da eine Leistungsklage erhoben werden könne, zu verneinen sei.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte "Revisionsrekurs" (richtig Rekurs: § 519 ZPO) der beklagten Parteien mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des (klageabweislichen) Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.
Die klagenden Parteien haben eine Rekursbeantwortung erstattet (§ 521a Abs 1 Z 2 ZPO), in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels als unzulässig (wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage), in eventu die Bestätigung der bekämpften Entscheidung beantragt wird.
Der Rekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne der §§ 502 Abs 1, 519 Abs 2 ZPO nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Dies aus folgenden Erwägungen:
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Einbringung einer (schadenersatzrechtlichen) Feststellungsklage - welche nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Umfang nach dient (SZ 41/153, 56/38, 68/5) - ua immer dann zulässig, wenn unfallbedingte, jedoch erst künftig entstehende Ersatzansprüche nicht auszuschließen sind, also die Möglichkeit künftiger Unfallschäden besteht (SZ 41/153, 68/5, 71/5; ZVR 1970/122, 1980/151, 1985/51). Zur Bejahung des Feststellungsinteresses im Sinne des § 228 ZPO genügt dabei bereits der allgemeine Hinweis, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit auszuschließen sind; konkrete Angaben über die Art der zu erwartenden Schäden sind nicht erforderlich (OGH EFSlg 41.687; Danzl in Schmerzengeld7 214). Ein Feststellungsinteresse ist daher schon dann zu bejahen, wenn nur die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte (ZVR 1985/51, 1997/75; JBl 1993, 191; SZ 68/5). Ein Feststellungsbegehren wird selbst dann als zulässig erachtet, wenn der Anspruch nur eine Rente nach § 1327 ABGB zum Gegenstand hat (SZ 71/5 mwN; ZVR 1969/269). Der Satz, dass eine Feststellungsklage nicht zuzulassen ist, wenn eine Leistungsklage eingebracht werden kann, gilt nur dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch zur Gänze ausgeschöpft wird, dh wenn weitere als die durch das Leistungsbegehren umfassten Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder Rechtes nicht in Betracht kommen (ZVR 1985/51; SZ 68/5).
Schon aus diesen allgemeinen und der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entstammenden Rechtssätzen ergibt sich die Zulässigkeit des von den Klägern erhobenen Feststellungsbegehrens. Mag es auch sein, dass die von ihnen in der Klage ohnedies nur beispielhaft (arg "ua") aufgezählten - weiteren - Schadenspositionen, nämlich Todfallkosten und Sachschäden, bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung ziffernmäßig bestimmbar waren und so zum Gegenstand bereits einer Leistungsklage gemacht hätten werden können (müssen), so verbleiben doch jedenfalls auch ihre auf den Titel des § 1327 ABGB gestützten Ansprüche auf Bezahlung einer sog Hausfrauenrente, deren Absicherung angesichts drohender Verjährung und Haftungsbestreitung der beklagten Parteien auch dem Grunde nach die Erhebung der verfahrensgegenständlichen Feststellungsklage rechtfertigte. Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat (1 Ob 82/00s), kann nämlich ein Feststellungsbe- gehren - infolge seiner Subsidiarität - nur dann nicht von Erfolg sein, wenn bereits eine Leistungsklage erhoben werden könnte und deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigte; auch unter diesem Gesichtspunkt gereicht es daher den Klägern nicht zum Nachteil, dass sie ihr Feststellungsbegehren nicht in ein (teilweises) Leistungsbegehren geändert haben.
Das Berufungsgericht hat sich an diese Rechtsprechungsvorgaben des Obersten Gerichtshofes gehalten, wobei - dies nur abschließend und klarstellend - die Ausführungen und Überlegungen zur allfälligen künftigen Anpassung eines Hausfrauenrentenbegehrens an zukünftige Entwicklungen (zur Abgrenzung einer Leistungs- von einer Feststellungsklage) für dieses rechtliche Ergebnis entbehrlich gewesen wären, weil nach der Rechtsprechung des Höchstgerichtes die Frage der Zulässigkeit des Begehrens auf Aufwertung einer Forderung (Rente) ohnedies nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden kann, weil die Aufwertbarkeit einer Forderung weder ein Rechtsverhältnis noch ein Recht im Sinne des § 228 ZPO, sondern nur eine Eigenschaft des geltend gemachten Anspruches ist (SZ 71/5). Darum geht es jedoch vorliegendenfalls ohnedies nicht.
Die dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes zugrunde liegende Rechtsansicht ist somit (jedenfalls im Ergebnis) richtig. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 (iVm § 519 Abs 2) ZPO war der Rekurs der beklagten Parteien sohin als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagenden Parteien haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels aus dem Grunde des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage ausdrücklich hingewiesen. Damit waren die Kosten der Rekursbeantwortung nicht der weiteren Endentscheidung vorzubehalten, sondern konnten sogleich zum Ersatz auferlegt werden.
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