OGH 2Ob184/99v

OGH2Ob184/99v2.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert R*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. R***** GmbH & Co KG, und 2. R***** GmbH, jeweils *****, beide vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 117.567,59 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. März 1999, GZ 4 R 92/99d-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 2. Dezember 1998, GZ 2 C 1076/98m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.923,20 (darin enthalten S 1.487,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 1. 2. 1981 ereignete sich am R***** im Bereich der Talstation des Gipfelschleppliftes der Sektion III ein Schiunfall, bei dem der Kläger gegen einen im Bereich der Einsteigstelle des Liftes befindlichen Holzzaun geprallt ist. Dabei zog er sich einen Unterschenkelbruch mit Sprunggelenksbeteiligung zu; es wurde im Rahmen der Heilbehandlung notwendig, eine Zehe zu amputieren und das Fußsohlengewebe am verletzten Bein abzutragen. Mit Urteil vom 10. 5. 1986 verpflichtete das Landesgericht Innsbruck die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 150.000,-- sA. Weiters wurde gegenüber den beklagten Parteien festgestellt, dass diese dem Kläger für alle derzeit noch nicht erkennbaren Schäden aus dem Unfall vom 1. 2. 1981 im Ausmaß von 50 % haften.

Gestützt auf dieses Feststellungsbegehren beantragt der Kläger nunmehr den Zuspruch von S 117.567,59 sA. Er sei aufgrund der Dauerfolgen aus diesem Unfall vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden und verfüge daher über ein Pensionseinkommen, das deutlich unter seinen Aktivbezügen liege. Da er zum Zeitpunkt seines Pensionsantrittes erst das 56. Lebensjahr vollendet gehabt habe, habe er einen erheblichen Verdienstausfall erlitten, den die beklagten Parteien zur Hälfte zu ersetzen hätten. Dieser werde in Höhe des Klagebetrages für das zweite Halbjahr 1995 sowie für die Jahre 1996 und 1997 geltend gemacht. Der Betrag errechne sich aus der Differenz zwischen den hypothetisch zu ermittelnden Aktivbezügen des Klägers und seinem Pensionseinkommen, welche sodann entsprechend der rechtskräftig festgestellten Mitverschuldensquote um 50 % zu kürzen sei.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Dem Kläger sei deshalb kein Schaden entstanden, weil nach ständiger Rechtsprechung vorerst der tatsächlich eingetretene Schaden entsprechend dem Mitverschulden zu teilen und sodann vom verbleibenden Betrag das Pensionseinkommen zur Gänze abzuziehen sei. Das Klagebegehren sei daher bereits dem Grunde nach nicht berechtigt, wozu komme, dass der Kläger durch seine Pensionierung keine Arbeitsleistungen mehr erbringe und sich alle damit zusammenhängenden Vorteile (insbesondere den Wegfall der zuvor regelmäßig aufgelaufenen Fahrtkosten vom Arbeitsplatz) anrechnen lassen müsse. Bei den vom Klagebegehren umfassten Nebengebühren handle es sich um keinen Einkommensbestandteil, sondern um die Abgeltung konkreter nicht ersatzfähiger Aufwendungen.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Teilbetrag von S 114.130,10 sA statt und wies ein Mehrbegehren von S 3.437,49 (rechtskräftig) ab. Es stellte weiters fest, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Jahr 1995 derart verschlechtert habe, dass er am 1. 7. 1995 antragsgemäß wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden sei (§ 14 Abs 1 Z 1 BDG 1979). Bis zu diesem Zeitpunkt sei er der Finanzlandesdirektion Tirol Hauptzollamt Innsbruck, als Zollfahnder dienstzugeteilt gewesen. Im zweiten Halbjahr 1995 hätten die Nettopensionsbezüge des Klägers S 180.924,10, im Jahr 1996 S 63.848,20 sowie im Jahr 1997 S 332.481,80 betragen. Wäre das schädigende Ereignis am 1. 2. 1981 nicht eingetreten, hätte der Kläger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bis zum Jahr 2004 seinen Dienst versehen können. Dabei hätte er (einschließlich fiktiver Nettonebengebühren) im zweiten Halbjahr 1995 S 224.478,97, im Jahr 1996 S 35.412,65 sowie im Jahr 1997 S 443,622,67 verdient. Der Kläger habe im strittigen Zeitraum einen Verdienstentgang von S 228.260,20 erlitten.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, dass es sich beim Verdienstentgang um einen positiven Schaden handle, der vom Schädiger entsprechend dem Ausmaß seines Verschuldens zu ersetzen sei. Vom festgestellten Verdienstentgang von S 228.260,20 hätten die beklagten Parteien S 114.130,10 zu ersetzen. Die Berechnung entspreche der Differenzmethode. Die von den beklagten Parteien ins Treffen geführte Vorteilsausgleichung könne nicht stattfinden, weil der Kläger eine reguläre Alterspension beziehe, deren Zweck nicht in einer Begünstigung des Schädigers liege. Dies ergebe sich auch daraus, dass das Pensionsrecht für Beamte keine Legalzession von Forderungen zugunsten des Sozialversicherungsträgers oder der pensionsauszahlenden Stelle enthalte. Auch die vom Kläger bezogenen Nebengebühren seien zum fiktiv ermittelten Erwerbseinkommen hinzuzählen, weil das Beweisverfahren kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass diese einer konkreten Aufwandsbestreitung gedient hätten.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es verwies darauf, dass die von den beklagten Parteien gewünschte Berechnungsmethode (Stichwort: Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers, also Feststellung des Schadens ohne Berücksichtigung der Sozialversicherungsleistung; Kürzung des festgestellten Schadens um die Mitschuldensquote; Abzug der gesamten, dem Verletzten zukommenden Sozialversicherungsleistung) auf die Fälle der Legalzession beschränkt sei. Diese Schadensberechnung könne nur soweit stattfinden, "als die Legalzession eingreife". Hier sei zu berücksichtigen, dass das Pensionsgesetz 1965 eine Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers nicht normiere, weshalb die von den beklagten Parteien herangezogene Berechnungsmethode allein deshalb nicht platz greifen könne. Im Meinungsstreit um die sogenannte Vorteilsausgleichung bei Zuwendungen von dritter Seite habe sich die teleologische Betrachtungsweise durchgesetzt. Danach müsse die Anrechnung eines Vorteils dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und solle nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen. Es sei nicht schlechthin jeder Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten aus den vom Schädiger verursachten Ereignis zuführe, sondern es komme immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteiles und den Zweck der Leistung des Dritten an. Freiwillige Zuwendungen von dritter Seite, die zu dem Zweck gemacht würden, dem Geschädigten eine Erste Hilfe zuteil werden zu lassen, das Unglück, das ihn getroffen habe zu mildern oder ihm Solidarität zu bezeugen, seien er nicht anzurechnen. In diesen Fällen sei davon auszugehen, dass der Dritte seine Leistungen dem Geschädigten unabhängig vom Ausmaß seines Schadenersatzanspruches und zusätzlich zu diesem zuwenden wolle, weshalb die Anrechnung unbillig wäre. Ähnlich verhalte es sich aber auch mit gewissen Sozialleistungen die im Hinblick auf eine ganz bestimmte, durch das schädigende Ereignis ausgelöste soziale Situation gewährt würden. Vom Vorteilsausgleich seien nur Ersatzansprüche für funktionsgleiche Leistungen umfasst. Demnach gingen auf den Sozialversicherungsträger nur jene Bestandteile des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruches über, für die er funktionsgleiche Leistungen erbringe. Eine Leistung sei zwar dann regelmäßig anzurechnen, wenn diese durch das schädigende Ereignis automatisch ausgelöst werde, sei es, dass der Dritte durch das Gesetz oder Vertrag dem Geschädigten zu einer Leistung verpflichtet sei, doch liege hier als Ausfluss des von den beklagten Parteien zur Hälfte zu vertretenden schädigenden Ereignisses keine "Berufsunfähigkeitspension" sondern eine reguläre Alterspension vor, die einer Berufsunfähigkeitspension nicht gleichgehalten werden könne. Der Zweck der vom Kläger konkret bezogenen Leistung liege nicht in der Entlastung des Schädigers, sondern ausschließlich in der Sicherstellung der Altersversorgung des Betroffenen, weshalb in diesem Umfange mangels Funktionsgleichheit der in Frage stehenden Leistungen eine Anrechnung nicht stattfindet. Daran ändere auch die vom Obersten Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. 1. 1991 (JBl 1991, 653) anerkannte Anrechenbarkeit der Witwen- und Waisenrente nach dem Pensionsgesetz nichts, zumal der Zweck dieser Leistungen in der Sicherung der Unterhaltsansprüche der Bezugsberechtigten liege und diese Leistungen mit dem Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB kongruent seien. Bei einer dem Beamten selbst gewährten Alterspension nach vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand könne davon nicht die Rede sein. Auch die Einbeziehung der "Nebengebühren" in den fiktiv ermittelten Nettoverdienst sei nicht zu beanstanden, weil aus dem Akteninhalt nicht hervorgekommen sei, dass damit konkrete Aufwendungen abgegolten werden sollten. Diese "Nebengebühren" seien als anrechenbare Pauschalabgeltung als Bestandteil des vom Kläger bezogenen Einkommens anzusehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass diese Nebengebühren auch Teil des Pensionseinkommens des Klägers seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die zwischenzeitig erfolgte Pensionierung des Klägers konkrete Aufwendungen weggefallen wären. Es sei ebenfalls nicht hervorgekommen, dass sich der Kläger konkrete Fahrtaufwendungen erspart habe. Diesbezüglich seien die beklagten Parteien ihrer Behauptungspflicht nicht nachgekommen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage der sachlichen Kongruenz zwischen dem vom Kläger erzielten Pensionseinkommen und seinen Schadenersatzansprüchen gegenüber der beklagten Partei fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die beklagten Parteien vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, durch die Entscheidung 3 Ob 21/94 (SZ 67/52) sei die Schadensverlagerung hinsichtlich der Lohnfortzahlung bejaht worden. Diese Grundsätze seien auch auf die Leistungen nach dem Pensionsgesetz anzuwenden, weil auch diese auf den "Sozialversicherungsträger" übergegangen seien, ohne dass es einer ausdrücklichen Legalzession bedürfe. Die "Berufsunfähigkeitspension" nach dem Pensionsgesetz verfolge den Zweck, die Versorgung des Beamten unabhängig von den Ursachen der Berufsunfähigkeit zu sichern und stelle daher einen Vorteil dar, der bei Berechnung des Schadenersatzanspruches zu berücksichtigen sei.

Dem Kläger sei auch kein Schade entstanden. Die Hälfte des fiktiven Verdienstes des Klägers im strittigen Zeitraum erreiche nicht die Höhe der von ihm bezogenen Pension. Bei Berechnung des Schadenersatzanspruches sei nämlich vorerst der fiktive Verdienst um die Mitverschuldensquote zu kürzen und vom gekürzten Betrag die Pensionsleistung abzuziehen. Schließlich habe sich der Kläger die nunmehr nicht mehr aufzuwenden Fahrtkosten als Vorteil anzurechnen lassen. Die vom Kläger geltend gemachte Erschwerniszulage, die Aufwandsentschädigung und die Gefahrenzulage dienten der Abgeltung für konkrete Aufwendungen und seien daher nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt mit seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorweg ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Übrigen ist Folgendes auszuführen:

Der Kläger befindet sich seit 1. 7. 1995 gemäß § 14 Abs 1 und 5 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 im Ruhestand und bezieht eine Pension nach §§ 3 bis 7 und 62 des Pensionsgesetzes 1965. Die Versetzung in den Ruhestand erfolgte wegen dauernder Dienstunfähigkeit (§ 14 Abs 1 BDG).

Der Kläger macht die Hälfte der Differenz zwischen seinem fiktiven Einkommen und der nunmehr bezogenen Pension als unfallskausalen Verdienstentgang geltend. Auf die in der Revision angesprochenen "Lohnfortzahlungsfälle" wonach auch bei Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses für die Dauer der Zahlung einer Pension wegen Dienstunfähigkeit der Ersatzanspruch gegen den Schädiger auf den Dienstgeber übergeht (vgl SZ 70/221), muss hier nicht eingegangen werden, weil eben nur die Differenz zwischen der tatsächlich bezahlten Pension und dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Einkommen begehrt wird. Der in den "Lohnfortzahlungsfällen" zu beurteilende Sachverhalt liegt daher hier nicht vor.

Soweit die Revisionswerber eine Berechnung des Schadens dergestalt vornehmen, dass von dem um die Mitverschuldensquote gekürzten Schadenersatzanspruch die gesamte Pensionsleistung abzuziehen ist, wird übersehen - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - dass diese Berechnungsmethode zur Sicherung des "Quotenvorrechts" des Sozialversicherungsträgers im Sinne der Legalzession des § 332 ASVG dient. Eine derartige Legalzession sieht das Pensionsgesetz 1965 nicht vor, weshalb auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung nicht zur Anwendung kommen kann. Daher bleibt es bei der grundsätzlichen Regelung, dass dem Kläger ein um seinen Mitverschuldensanteil gekürzter Anspruch auf Ersatz der erlittenen tatsächlichen Einkommensminderung zusteht (2 Ob 58/88).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes waren die - ruhegenußfähigen - Aufwandsersätze tatsächlich Einkommensbestandteile und nicht Ersatz konkreter Aufwendungen; sie sind daher ebenfalls als Einkommen zu berücksichtigen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht bereits auch darauf verwiesen, dass Behauptungen über die Höhe der tatsächlichen Ersparnis durch Wegfall der Anfahrt zum Arbeitsplatz im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt wurden.

Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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