OGH 2Ob178/56

OGH2Ob178/5628.3.1956

SZ 29/30

Normen

ABGB §1295
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7 Abs1
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §12
ZPO §226
ZPO §405
ABGB §1295
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7 Abs1
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §12
ZPO §226
ZPO §405

 

Spruch:

Daß in der Klage ein Verschulden des Lenkers behauptet wird, schließt nicht aus, daß bei Unerweislichkeit dieses Verschuldens die beschränkte Haftung des Halters nach § 12 KraftfVerkG. zur Anwendung kommt.

Entscheidung vom 28. März 1956, 2 Ob 178/56.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Am 4. Juli 1951 ereignete sich ein Zusammenstoß zwischen einem Reiseautobus der klagenden Partei und dem vom Zweitbeklagten gelenkten LKW. der erstbeklagten Partei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei den Ersatz eines Betrages von 17.845 S s. A. für Instandsetzungskosten ihres bei diesem Zusammenstoße beschädigten Reiseautobusses.

Sie richtet ihr Begehren gegen den Zweitbeklagten als Fahrer des LKWs. und gegen die erstbeklagte Partei, da diese als Halterin des vom Zweitbeklagten gelenkten LKWs. solidarisch und unbeschränkt für den durch den Zweitbeklagten verschuldeten Schaden aufzukommen habe.

Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil den Klagsanspruch dem Gründe nach gegenüber beiden Beklagten als nicht zu Recht bestehend erkannt und für den Fall der Rechtskraft dieses Zwischenurteils das Klagebegehren gegenüber beiden Beklagten kostenpflichtig abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat dieses erstgerichtliche Urteil in der Hauptsache bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof änderte das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich der erstbeklagten Partei dahin ab, daß der Klagsanspruch ihr gegenüber als dem Gründe nach bis zu dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. gegebenen Kapitalshöchstbetrage von 5000 S dem Gründe nach zu Recht bestehend erkannt wurde.

Hinsichtlich des diesen Kapitalshöchstbetrag von 5000 S übersteigenden Betrages gegenüber der erstbeklagten Partei und gegenüber der zweitbeklagten Partei zur Gänze gab er der Revision der beklagten Partei gegen das das abweisende Urteil des Erstgerichtes bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gegenüber dem Zweitbeklagten kann die Revision keinen Erfolg haben. Denn da auf Grund des von den Untergerichten bindend festgestellten Sachverhaltes ein Verschulden des Zweitbeklagten nicht vorliegt, haftet er weder gemäß §§ 1295 ff. ABGB. noch gemäß § 18 KraftfVerkG. mit Rücksicht auf § 18 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes.

Mangels eines Verschuldens des Zweitbeklagten kommt aber auch eine Haftung der erstbeklagten Partei als Halterin des Fahrzeuges gemäß Art. IV EVzKraftfVerkG. nicht in Betracht.

Der Rechtsrüge der Revision ist aber insofern beizupflichten, als entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die bis zum Kapitalshöchstbetrage von 5000 S gemäß § 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. beschränkte Haftung der erstbeklagten Partei als Fahrzeughalterin zu bejahen ist. Daß die Voraussetzungen für diese Haftung an und für sich gegeben wären, hat sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht angenommen. Insbesondere ist nach den Feststellungen des Erstgerichtes die Verjährung gemäß § 14 KraftfVerkG. nicht gegeben, weil festgestellt wurde, daß vom Unfallstage an Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien bis Anfang Jänner 1953 geführt worden sind, wodurch gemäß § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. die Verjährung gehemmt wurde. Da die Klage in der Folge bereits am 10. Juli 1953 eingebracht wurde, war die zweijährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 1 KraftfVerkG. noch nicht abgelaufen. Die bezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes - die im übrigen in der Folge nicht ausdrücklich bekämpft worden sind - sind deshalb als vom Berufungsgericht übernommen anzusehen, weil es in seiner letzten Entscheidung vom 13. Dezember 1955 ausdrücklich anführt, daß die erstbeklagte Partei grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 1 bzw. § 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. haften würde. Damit hat es aber auch die angeführten Feststellungen des Erstgerichtes, laut welchen die Verjährung dieser Ansprüche nicht eingetreten ist, implicite als zutreffend erkannt, weil es sonst hätte anführen müssen, daß der Anspruch infolge Verjährung nicht gegeben sein könne.

Das von den Untergerichten festgestellte Versagen der Fußbremse unmittelbar vor dem Unfall ist als ein Versagen in der Verrichtung des LKWs. der erstbeklagten Partei gemäß § 7 Abs. 2 KraftfVerkG. nicht geeignet, die Haftpflicht der erstbeklagten Partei als Halterin des vom Zweitbeklagten gelenkten LKWs. auszuschließen. Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. ist daher die Haftung der erstbeklagten Partei bis zum Kapitalshöchstbetrage von 5000 S dem Gründe nach gegeben.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß diese beschränkte Haftung der erstbeklagten Partei deshalb nicht in Frage komme, weil die klagende Partei nur die erweiterte, unbeschränkte Haftung nach §§ 1295 ff. ABGB. im Zusammenhange mit Art. IV EVzKraftfVerkG. geltend gemacht habe, kann nicht beigepflichtet werden.

Klagsgrund ist die aus dem Zusammenstoße des LKWs. der erstbeklagten Partei mit dem Autobus des Klägers abgeleitete Ersatzpflicht der beklagten Parteien. Nach welchen gesetzlichen Bestimmungen diese Ersatzpflicht zu beurteilen ist, ist Sache des Gerichtes, dem der Sachverhalt zur Beurteilung vorgelegt wurde. Wenn in der Klage - offenbar um die weitergehende, unbeschränkte Haftung nach §§ 1295 ff. ABGB. bzw. Art. IV EVzKraftfVerkG. zu begrunden - ein Verschulden des Zweitbeklagten als Lenkers des Fahrzeuges behauptet wird, so ist damit nicht gesagt, daß die beschränktere Haftung der erstbeklagten Partei als Halterin gemäß § 7 KraftfVerkG. überhaupt nicht in Anspruch genommen wird.

Der Klagsgrund, das ist die behauptete Haftung aus dem Zusammenstoße, ist der gleiche geblieben, wenn auch nur die beschränkte Haftung gemäß §§ 7 und 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. in Betracht kommt; es ist nur die Voraussetzung einer unbeschränkten Haftung nach §§ 1295 ff. ABGB. bzw. Art. IV EVzKraftfVerkG. weggefallen.

Wenn die klagende Partei zur Begründung dieser unbeschränkten Haftung ein Verschulden des Zweitbeklagten behauptet hat und ihr der Nachweis dieses Verschuldens nicht gelungen ist, so kann schon deshalb nicht gesagt werden, daß infolge der Behauptung eines Verschuldens des Zweitbeklagten die beschränkte Haftung der erstbeklagten Partei als Halterin überhaupt nicht in Betracht kommen könne, weil diese beschränkte Haftung der Zweitbeklagten als Halterin gemäß §§ 7 und 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. keineswegs nur dann gegeben ist, wenn kein Verschulden des Lenkers des Fahrzeuges vorliegt. Es ist nur die Beweislast hier anders geregelt als bei den auf §§ 1295 ff. bzw. Art IV EVzKraftfVerkG. gestützten Ansprüchen. Während bei den letzteren der Kläger das Verschulden des Lenkers nachweisen muß, hat bei den Ansprüchen gemäß § 7 KraftfVerkG. der beklagte Halter zu beweisen, daß er aus den in dieser Gesetzesstelle angeführten Gründen nicht haftet. Wenn ihm dies nicht gelingt, so haftet er ohne Rücksicht darauf, ob und welches Verschulden des Lenkers vorgelegen ist, aber selbstverständlich keineswegs nur dann, wenn überhaupt kein Verschulden des Lenkers vorgelegen ist.

Da also ein etwaiges Verschulden des Lenkers die Haftung nach § 7 KraftfVerkG. keineswegs ausschließt, kann auch die Behauptung eines solchen Verschuldens in der Klage keineswegs ausschließen, daß dann, wenn dem Lenker im Zuge des Verfahrens ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und daher gegen ihn und gemäß Art. IV EVzKraftfVerkG. auch gegen den Halter keine unbeschränkten Ansprüche nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes erhoben werden können, nicht doch hinsichtlich des Halters die Bestimmungen über die gemäß § 12 KraftfVerkG. beschränkte Haftung nach § 7 KraftfVerkG. zur Anwendung gebracht werden können, die gegenüber der unbeschränkten Haftung nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes ein minus und keineswegs ein aliud darstellen (vgl. auch 2 Ob 977/53).

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