OGH 2Ob178/00s

OGH2Ob178/00s28.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz K*****, 2. Eva K*****, beide vertreten durch Proksch & Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Manfred B*****, vertreten durch Dr. Peter Pullez und Dr. Robert Gschwandtner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 432.380,60 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. April 1999, GZ 13 R 227/98t-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Juli 1998, GZ 25 Cg 280/97y-14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte war Vertragserrichter eines von den Klägern als Käufer und der Firma S***** GmbH als Verkäufer am 29. 7./29. 8. 1994 unterzeichneten Kaufvertrages. Gegenstand dieses Kaufvertrages waren Anteile ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****, auf welcher eine Reihenhausanlage errichtet werden sollte. Im Punkt VI dieses Kaufvertrages war vereinbart, dass der Kaufpreis S 3,200.000 betragen sollte, wobei dieser in drei Teilbeträgen, der letzte bei Übergabe des schlüsselfertig hergestellten Reihenhauses, zur Zahlung fällig sein sollte. Der Kaufpreis war zu Handen des Beklagten zu leisten, und zwar "mit dem einseitig unwiderruflichen Treuhandauftrag, die erhaltenen Kaufpreiszahlungen an die Verkäuferin weiterzuleiten, wenn sichergestellt ist, dass die lastenfreie grundbücherliche Durchführung des gegenständlichen Kaufvertrages gegen Bezahlung des Kaufpreises zu Handen des Treuhänders erfolgen kann." In Punkt VIII dieses Kaufvertrages leistete die Verkäuferin Gewähr dafür, dass die erworbenen Liegenschaftsanteile vollkommen lastenfrei an die Käufer übergeben werden würden. Außerdem wurde vereinbart, dass das allfällige Vorhandensein von behebbaren Mängeln die Käufer nur zur Geltendmachung von Verbesserungsansprüchen, nicht jedoch von Preisminderung berechtigen würden. Die klagenden Parteien waren nach diesem Vertragspunkt nicht berechtigt, wegen der Geltendmachung allfälliger Baumängel, die die Verwendung nicht erheblich beeinrächtigen, die Übernahme der kaufgegenständlichen Räumlichkeiten oder die Bezahlung des Kaufpreises zu verweigern.

Die klagenden Parteien begehrten den Zuspruch von S 432.380,60 sA und brachten dazu im Wesentlichen vor, ihnen sei die gekaufte Reihenhaushälfte mangelhaft fertiggestellt übergeben worden. Die Mängel seien schriftlich festgehalten und von der Verkäuferin bestätigt worden. Trotz vielfacher Urgenzen, Verbesserungseinmahnungen und Nachfristsetzungen seien jedoch keine Verbesserungen erfolgt. Deshalb seien sie trotz der Bestimmung des Punkt VIII im Kaufvertrag zur Preisminderung um zumindest S 350.000 gegenüber der Verkäuferin berechtigt gewesen. Die klagenden Parteien hätten deshalb zu Handen des Beklagten als Treuhänder insgesamt S 2,850.000 überwiesen und die restlichen S 350.000 im Hinblick auf den Preisminderungsanspruch einbehalten. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 13. August 1997 sei das Konkursverfahren über das Vermögen der Verkäuferin eröffnet worden. Ungeachtet dieser Umstände hätte der Beklagte als Vertragserrichter und gemeinsamer Treuhänder die Einverleibung der Eigentumsrechte der klagenden Parteien an den Reihenhausanteilen veranlasst, nicht jedoch die Lastenfreistellung, sodass zugunsten einer Bank auch auf dem klägerischen Anteil der Liegenschaft ein Höchstbetragspfandrecht von S 40 Mio einverleibt geblieben sei. Der Beklagte habe die Lastenfreistellung nicht durchgeführt, weil er der Ansicht gewesen sei, dass erst der gesamte Kaufpreis ungeachtet der Preisminderungsansprüche bezahlt werden müsste. In weiterer Folge habe die Bank von den Klägern direkt die Begleichung des Kaufpreisrestes von S 350.000 als Hypothekargläubigerin urgiert. Der Beklagte habe gegen seine Pflichten dadurch verstoßen, dass er die klagenden Parteien nicht über den konkreten Inhalt und die Bedeutung des Kaufvertrages aufgeklärt habe, insbesondere nicht über den Umstand, dass trotz eines Rechtes auf Preisminderung der gesamte Kaufpreis gezahlt werden müsse. Der Beklagte habe daher durch die für die Kläger nachteilige Vertragsgestaltung und mangelnde Aufklärung diesen einen Schaden rechtswidrig und schuldhaft zugefügt und hafte ihnen somit für den Ersatz der aus dieser Vertragsgestaltung und deren Folgen erwachsenden Nachteile. Die Hypothekargläubigerin habe Hypothekarklage gegen die klagenden Parteien eingebracht, sodass die Kläger, um weitere Folgen zu vermeiden, sich mit Vergleich zur Zahlung von S 419.489 (= Restkaufpreis von S 350.000 plus 12 % Zinsen plus Anwalts- und Gerichtskosten) verpflichtet hätten. Da der Beklagte auch eine Lastenfreistellung nicht durchgeführt habe, sei die klagende Partei genötigt gewesen, ihren Rechtsanwalt mit der Lastenfreistellung zu beauftragen, wofür insgesamt S 12.891 aufgewendet worden seien. Der Schadenersatzanspruch bestehe daher mit dem Klagsbetrag zu Recht.

Der Beklagte wendete ein, dass die Kläger anlässlich der Vertragserrichtung nochmals ausdrücklich auf die Treuhandregelung hingewiesen worden seien, wonach der gesamte Kaufpreis zu seinen Handen als Vertragserrichter zu überweisen wäre, um die Lastenfreistellung der Liegenschaft sicherzustellen. Eine andere vertragliche Vereinbarung, dass allfällige Preisminderungsansprüche im Wege der Aufrechnung durchgesetzt werden könnten, wäre keinesfalls möglich gewesen, weil die projektfinanzierende Bank als Pfandgläubigerin niemals die Zustimmung gegeben hätte. Es sei den Klägern daher bereits anlässlich der Vertragserrichtung klar gewesen, dass der gesamte Kaufpreis zur Lastenfreistellung bezahlt werden müsse. Er habe daher kein schadenersatzpflichtiges Verhalten gesetzt. Außerdem sei den Klägern kein Preisminderungsanspruch in der Höhe von S 350.000 wegen diverser Mängel gegen die Verkäuferin zugestanden. Auch die Geltendmachung von Zinsen durch die Bankgläubigerin sei zu Unrecht erfolgt, weil das Kreditinstitut seinerzeit ausdrücklich zugesagt hätte, die Liegenschaft gegen Weiterleitung des Nettokaufpreises lastenfrei zu stellen. Durch die Anerkennung dieses Zinsenbetrages, sowie die Verursachung der Prozesskosten der Hypothekarklage, hätten die Kläger zumindest hinsichtlich dieser Beträge ihre Schadensminderungspflicht verletzt, weshalb sich ihr diesbezügliches Klagebegehren als nicht gerechtfertigt erweise.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es ging hiebei unter anderem von folgenden (für das drittinstanzliche Verfahren bedeutsamen) Feststellungen aus:

Vertragserrichter war der Beklagte, wobei er selbst die Gespräche mit den Klägern nicht geführt hat, sondern sein damaliger Konzipient. Eine Belehrung der Kläger, welche anwaltlich nicht vertreten gewesen sind, über den Inhalt dieses Vertrages, insbesondere über die einzelnen Bestimmungen und welche Verpflichtungen sie damit eingehen - also insbesondere, dass nach dem Inhalt dieses Vertrages eine allfällige Zurückbehaltung des Kaufpreises nicht möglich wäre bzw auch damit eine allfällige Lastenfreistellung nicht erfolgen könnte - wurde nicht erteilt. Sohin wurde insbesondere keine Belehrung dahingehend erteilt, dass mit diesem Vertrag letztlich die Käufer ohne Rücksicht auf allfällige Mängel die Haftung für den gesamten Kaufpreis trifft, sofern sie eine Lastenfreistellung erzielen wollten. Es ist also nicht besprochen worden, dass dieser Kaufpreis zur Abdeckung der Verbindlichkeiten auf diesem Objekt dienen sollte, bzw zur Lastenfreistellung, sodass daher im Falle der nicht vollständigen Bezahlung wegen allfälliger Baumängel eine Lastenfreistellung nicht durchgeführt werden könnte. Die Kläger, die keinen Rechtsanwalt kontaktiert hatten, um diesen Vertragsentwurf überprüfen zu lassen, verlangten lediglich eine Änderung des Vertragstextes hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten und zwar hinsichtlich der Teilzahlung je nach Baufortschritt. Aus dem Vertragstext jedenfalls konnten sie nicht entnehmen, dass irgend ein Dritter sich an sie wenden könnte, um den restlichen Kaufpreis zu fordern. Wären die Kläger bei Vertragsunterfertigung darüber diesbezüglich aufgeklärt worden, hätten sie den gegenständlichen Vertrag nicht abgeschlossen. Die Kläger wurden auch nicht darauf hingewiesen, dass, nachdem das Eigentum ihres Liegenschaftsanteiles einverleibt wurde, sie nunmehr für diese offene Darlehensforderung hinsichtlich ihrer Liegenschaft haften würden.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass der Beklagte als Vertragserrichter die anwaltlich nicht vertretenen Kläger nicht entsprechend über den Kaufvertragsinhalt belehrt habe, insbesondere darüber nicht, dass ihnen als Käufer keinerlei Preisminderungsanspruch gegenüber dem Verkäufer für den Fall mangelhafter Vertragserfüllung zustehen würde und sie deshalb auch in diesem Fall den vollen Kaufpreis zu bezahlen hätten. Auf diesen vollkommen unüblichen Vertragsinhalt hätte der Beklagte die Kläger ausdrücklich hinweisen müssen, um seine Pflichten als Vertragserrichter ordnungsgemäß zu erfüllen. Außerdem habe er gegen seine Verpflichtung als Treuhänder insoweit verstoßen, als er, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass eine lastenfreie Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger nicht möglich sei, dennoch eine Einverleibung ihres Eigentumsrechtes beantragt habe, sodass diese nunmehr gegenüber der Hypothekargläubigerin nicht in der Lage gewesen seien, allfällige Ansprüche gegen die der Verkäuferin aus dem Titel der mangelhaften Leistung entgegenzuhalten. Da er dadurch eindeutig gegen die Interessen der Kläger als Treugeber verstoßen habe, bestehe die Schadenersatzpflicht des Beklagten zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil im klagsabweisenden Sinn ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision - mangels erheblicher Rechtsfrage - nicht zulässig sei. Es war (zusammengefasst) der Auffassung, dass das Klagebegehren schon aus den erstgerichtlichen Feststellungen rechtlich nicht ableitbar sei, weshalb es sich erübrigte, auf die in der Berufung gerügten Verfahrensmängel und auf die Beweisrüge einzugehen. Im Hinblick auf § 9 Z 2 KSchG sei der Restkaufpreis von den Klägern zu Recht nicht an die Verkäuferin bezahlt worden. Dass die Lastenfreistellung trotz Zahlung des gesamten der Verkäuferin geschuldeten Kaufpreises nicht erfolgt sei, stelle eine Vertragsverletzung der Verkäuferin dar, die dem Beklagten nicht zurechenbar sei. Durch die Eintragung des Eigentumsrechts der Kläger im Grundbuch ohne Erwirkung der Lastenfreistellung habe der Beklagte gegen seine Treuhänderpflichten nicht verstoßen. Selbst wenn man in der mangelnden Aufklärung darüber, dass die Kläger durch die Grundbuchseintragung einem Anspruch der Hypothekargläubigerin ausgesetzt würden, der ohne Eintragung nicht bestanden hätte, eine fahrlässige Verletzung der Aufklärungspflicht erblicken wollte, würde es an einem hiedurch verursachten Schaden fehlen. Die Kosten der Hypothekarklage hätten die Kläger selbst schuldhaft verursacht, weil sie vor Klagseinbringung mehrmals zur Bezahlung aufgefordert worden seien; die Kosten der Lastenfreistellung wären nach Punkt IX des Kaufvertrages jedenfalls von ihnen zu entrichten gewesen.

Gegen diese den Klägern am 11. 5. 2000 zugestellte Berufungsentscheidung vom 28. 4. 1999 richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber verfolgen den Vorwurf, der Vertrag sei im Grundbuch pflichtwidrig durchgeführt worden, in der Revision nicht weiter. Das Berufungsgericht habe aber den primär erhobenen Vorwurf der mangelnden Aufklärung bei Vertragsabschluss, zu dem es bei entsprechender Aufklärung nicht gekommen wäre, übergangen. Das schädigende Ereignis sei nicht für sich betrachtet die Einverleibung ihres Eigentums an der Liegenschaft gewesen, sondern bereits der Vertragsabschluss im Zusammenhang mit der Unterlassung jeglicher Belehrung über die mit der für die Kläger nachteiligen Vertragskonstruktion verbundenen Risken.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Zur Haftung eines berufsmäßigen Vertragserrichters (Rechtsanwalt oder Notar) existiert eine umfangreiche Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0023549, RS0026349, RS0026380, RS0026390, RS0026419; Reischauer in Rummel2 § 1299 ABGB Rz 18 mwN). Er hat im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren die Parteien über die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der einzelnen Vereinbarungen zu belehren, über bestehende Risken aufzuklären und allfällige ungünstige wirtschaftliche Entwicklungen von Vertragspartnern zu berücksichtigen. Wieweit die Aufklärungs- und Belehrungspflicht jeweils reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb insoweit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht mit der Aufklärungspflicht des Beklagten lediglich unter dem Aspekt der Eigentumseinverleibung ohne Lastenfreistellung (im Ergebnis zutreffend) auseinandergesetzt. Daneben ist aber noch der schon in der Klage erhobene und in der Revision aufrechterhaltene Vorwurf der mangelhaften Belehrung bei Vertragsabschluss relevant: Die - anwaltlich nicht vertretenen - Kläger wären nämlich vom Beklagten darüber aufzuklären gewesen, dass bei der gewählten Vertragsgestaltung für sie das - in der Folge sich verwirklichende - Risiko bestand, bei Insolvenz des Verkäufers keine Gewährleistung (Preisminderung bei Nichtverbesserung) zu erhalten, weil vertragsgemäß der gesamte Kaufpreis trotz Mängeln zu bezahlen war und die Zurückbehaltung eines Kaufpreisteiles an den Ansprüchen des Hypothekargläubigers scheitern musste. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätten die Kläger den Vertrag nicht abgeschlossen. Auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen wäre eine Schadenersatzpflicht des Beklagten daher dem Grunde nach zu bejahen.

Von einer anderen Rechtsmeinung ausgehend hat das Berufungsgericht die Erledigung der in der Berufung enthaltenen Verfahrens- und Beweisrüge unterlassen. Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der Berufungsentscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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