European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00165.22M.0117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der geldunterhaltspflichtige Vater lebt in der Schweiz und erzielt dort sein Einkommen, seine beiden minderjährigen Kinder leben in Österreich. Für die hier maßgeblichen Jahre 2020 und 2021 besteht zwischen beiden Staaten eine Kaufkraftdifferenz von ca 50 % (die höheren Preise in der Schweiz).
[2] Das Rekursgericht hat die Entscheidung 8 Ob 30/16v (EF‑Z 2017/125, 229 [Nademleinsky]) und die dazu geäußerte Meinung Hiebls (Mischunterhalt in der jüngeren Rechtsprechung – Bemessungsmethoden des OGH, iFamZ 2018, 68) zitierend, diese Kaufkraftdifferenz für den zu ermittelnden „Mischunterhalt“ zum Teil berücksichtigt. Es ließ den Revisionsrekurs insbesondere zur Frage zu, wie sich eine 30–35 % übersteigende Kaufkraftdifferenz auswirke.
[3] Der Vater meint in seinem Revisionsrekurs, ausgehend von der Entscheidung 8 Ob 30/16v sei die Kaufkraftdifferenz zwischen der Schweiz und Österreich in jenem Ausmaß zu berücksichtigen, in dem sie einen Fixwert von 10 % übersteige. Diese stabile Größe entlaste oder belaste jeden Unterhaltspflichtigen gleichermaßen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Damit zeigt der Vater aber aus folgenden Gründen keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[5] 1. Wenn unterhaltsberechtigte Kinder und Unterhaltspflichtige in verschiedenen Staaten mit divergierender Kaufkraft leben, ist ein „Mischunterhalt“ zu bilden, der sich nach den Bedürfnissen der Unterhaltsberechtigten und dem (verbesserten) Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen richtet (8 Ob 30/16 mwN).
[6] 2. 8 Ob 30/16v betraf einen Fall, in dem die geldunterhaltspflichtige Mutter in Dänemark (höhere Preise als in Österreich), die Kinder in Österreich lebten. Die Entscheidung enthielt Folgendes:
„Im Anlassfall beträgt die festgestellte Kaufkraftdifferenz rund 30–35 %. Dieser Unterschied ist nicht mehr zu vernachlässigen. Er rechtfertigt im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Bildung eines den beiderseitigen Verhältnissen adäquaten Mischunterhalts, der durch prozentuelle Reduktion der Bemessungsgrundlage zu bilden ist.
Dabei ist aber nicht – wie das Erstgericht entschieden hat – die Bemessungsgrundlage um die gesamte statistische Kaufkraftdifferenz zu verringern, sondern die Erheblichkeitsschwelle zu berücksichtigen, die im vorliegenden Fall eine Reduktion um 20 % angemessen erscheinen lässt (zur grundsätzlich nicht streng mathematischen Festsetzung des Unterhalts vgl RIS‑Justiz RS0057284 [T6]).“
[7] 3. Nach ständiger Rechtsprechung wird der Unterhalt nicht exakt mathematisch berechnet, sondern im Rahmen einer Ermessensentscheidung bemessen (RS0057284 [T6, T9, T14]). Die Berechnungsmethode des Vaters, in jedem Fall die Kaufkraftdifferenz ausgehend von einem (unteren) Fixwert im Ausmaß von 10 % zu berücksichtigen, widerspricht den Kriterien der Rechtsprechung. Er zeigt auch nicht auf, um wieviel sich die Unterhaltsbeträge reduzieren.
[8] 4. Mit seiner Bemessung hat das Rekursgericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl ebenfalls das Verhältnis Schweiz – Österreich betreffend 9 Ob 48/22g: Abzug von 30 % von der Unterhaltsbemessungsgrundlage).
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