European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E126845
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Festsetzung des Übernahmswerts für einen geschlossenen Hof in Tirol, bei dem der Ertragswert eklatant unter dem Verkehrswert liegt. Hinsichtlich der Ertragskraft ist der Betrieb weit davon entfernt, eine zweiköpfige Familie erhalten zu können.
Das Rekursgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung ab und setzte den Übernahmswert nach § 21 THG mit einem höheren Betrag fest.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurswerber, der die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt, zeigt in seinem Rechtsmittel keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualität auf:
1. Nach dem übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen wäre aus der Leistungsfähigkeit des Betriebs für die Entfertigung der weichenden Erben kein Betrag aufbringbar, ohne die Substanz des Betriebs anzugreifen. Ihre vorgeschlagenen „möglichen Übernahmswerte“ beruhen nicht auf sachverständiger Erfahrung zur Ertragskraft des Betriebs und damit dessen Wohlbestehenkönnens, sondern auf der Beurteilung der Judikatur zu Rechtsfragen hinsichtlich der Gewichtung des Ertrags‑ und Verkehrswerts in Fällen wie dem vorliegenden. Diese rechtliche Beurteilung obliegt jedoch allein dem Gericht (vgl 1 Ob 184/72). Das Rekursgericht hat seine Entscheidung auch mit der jüngsten Rechtsprechung zu dieser Frage begründet, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht erkennbar ist. Diese wird auch im Rechtsmittel nicht aufgezeigt.
2. Nach § 1 THG sind Bestand und Umfang des Erbhofs nur durch die grundbücherliche Eintragung bestimmt. In diesem Fall finden die besonderen Erbteilungsvorschriften selbst dann Anwendung, wenn – wie im vorliegenden Fall – die tatsächlichen Voraussetzungen für die Eintragung des geschlossenen Hofs nicht mehr gegeben sind (2 Ob 148/17d; RS0063719).
Durch das THG soll der bäuerliche Mittelbetrieb geschützt werden, dessen Durchschnittsertrag zur angemessenen Erhaltung von mindestens zwei erwachsenen Personen ausreicht, ohne das Zehnfache eines solchen Ertrags zu überschreiten (§ 3 Abs 1 und § 5 Abs 1 THG; vgl 2 Ob 148/17d). Bei kleineren als solchen Normbetrieben soll der Übernehmer zwar nach der Judikatur auch noch begünstigt werden, bei der Festsetzung des Übernahmswerts nach § 21 THG kommt dem Ertragswert aber nicht mehr die entscheidende Rolle zu. In diesen Fällen ist dem Verkehrswert ein prozentuell höheres Gewicht beizumessen, je kleiner der Betrieb im Verhältnis zum Normbetrieb ist (2 Ob 148/17d; 2 Ob 129/16h; 6 Ob 156/13d). Dem Gericht steht bei der regelmäßig einzelfallbezogenen Beurteilung, inwieweit Ertragswert- und Verkehrswertkomponeneten ihren Niederschlag im Übernahmswert finden sollen, ein sehr weiter Ermessensspielraum zu (2 Ob 129/16h; 6 Ob 156/13d).
Wenn daher das Rekursgericht unter Berücksichtigung der Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls den Übernahmswert mit rund 80 % des Verkehrswerts des Hofs festgesetzt hat, hat es den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum noch nicht überschritten.
3. Der außerordentliche Revisionsrekurs war somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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