OGH 2Ob164/04p

OGH2Ob164/04p19.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Dr. Cornelia M*****, vertreten durch Dr. Alfred Fleisch, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Mag. Ralph M*****, vertreten durch Dr. Reinhard Rosskopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 14. April 2004, GZ 16 R 494/03s‑22, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Baden vom 20. Oktober 2003, GZ 3 C 101/03y‑10, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00164.04P.1219.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Erstgerichtes wird wiederhergestellt.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren endgültig, die gefährdete Partei hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren vorläufig selbst zu tragen.

Die Entscheidung über den Antrag des Gegners der gefährdeten Partei auf Feststellung des Streitwertes im Verfahren zur Sicherung des Aufteilungsanspruches bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung

Die Streitteile sind in aufrechter Ehe verheiratet. Ein Verfahren über eine Scheidungsklage ist anhängig.

Als Ehewohnung diente den Streitteilen das Haus Baden, W*****, das sie im November 1997 je zur Hälfte erwarben. Es wird derzeit nur von der gefährdeten Partei (Antragstellerin) und den fünf minderjährigen Kindern bewohnt, weil der Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner) aus dem Haus ausgezogen ist.

Die Antragstellerin begehrt, dem Antragsgegner die Veräußerung und Belastung seines Hälfteanteiles an der Liegenschaft Baden, W***** zu verbieten, dieses Verbot im Grundbuch anzumerken und die einstweilige Verfügung bis zur Entscheidung im Ehescheidungsverfahren und im daran anschließenden Aufteilungsverfahren zu befristen. Das Haus stelle die einzige Wohnmöglichkeit dar. Sie und ihre Kinder hätten ein dringendes Wohnbedürfnis am Haus. Zwei Kinder besuchten eine Volksschule bzw einen Kindergarten in unmittelbarer Nähe. Der Antragsgegner habe während der Ehe über ein außerordentliches hohes Einkommen verfügt; so habe er 1999 brutto S 8,102.637 verdient. Nun behauptet er, sein Einkommen sei auf mtl. EUR 590 gesunken; er habe gedroht, die laufenden Bankzinsen für das Haus nicht mehr zu bedienen und eigenmächtige Verfügungen über die Liegenschaft in den Raum gestellt.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Antragsgegners und erörterte - ausgehend von den Behauptungen der Antragstellerin - in rechtlicher Hinsicht, nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO könne das Gericht im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse oder im Zusammenhang mit einem Ehescheidungsverfahren die einstweilige Regelung der Benützung oder die einstweilige Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens anordnen. Nach § 382e Abs 3 EO könne eine derartige einstweilige Verfügung im Falle, dass ein Scheidungsverfahren anhängig sei, auch ohne Bescheinigung einer konkreten Gefährdung erlassen werden, wobei von der Anhörung des Antragsgegners abzusehen sei, wenn zu besorgen sei, dass dadurch der Zweck der einstweiligen Verfügung vereitelt werde.

Das vom Antragsgegner angerufene Rekursgericht gab dessen Rekurs teilweise Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung im Umfang des Belastungs- und Veräußerungsverbotes, trug allerdings der Antragstellerin die Einbringung einer Klage zur Geltendmachung des gesicherten Anspruchs auf und befristete die einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über diese Klage.

Nach § 97 ABGB habe ein Ehegatte Anspruch darauf, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Der Schutz des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten nach § 97 ABGB umfasse den gegen den anderen Ehegatten gerichteten Anspruch darauf, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte nicht derart über die Wohnung verfüge, dass diese dem bedürftigen Gatten ganz oder teilweise entzogen werde. Dem betroffenen Ehegatten solle jene Wohnmöglichkeit erhalten werden, die ihm bisher zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse dienten und die er weiter benötige. Die aus § 97 ABGB abzuleitenden Ansprüche könnten durch einstweilige Verfügung im Sinne des § 382e EO gesichert werden. Voraussetzung sei eine Gefährdung des Wohnungserhaltungsanspruches, also des drohenden Verlustes der Wohnung; ein solcher sei nach der Lebenserfahrung dann anzunehmen, wenn der Antragsgegner fällige Bankzinsen nicht bediene, weil bei Nichtzahlung von Darlehensraten letztlich der Verlust des Hauses durch Zwangsversteigerung drohe. Der Gefahr eines drohenden Zwangsversteigerungsverfahrens könne durch ein vorrangig eingetragenes Veräußerungs- und Belastungsverbot wirksam begegnet werden, weshalb schon aus diesem Grund die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen worden sei. Auf die Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO sei daher nicht mehr einzugehen. Die einstweilige Verfügung nach § 382e EO sei anspruchsgebunden, weshalb eine solche Sicherungsmaßnahme nach § 391 Abs 2 EO mit einer Fristsetzung zur Einbringung einer Rechtfertigungsklage zu verknüpfen sei. Die Erhebung eines Sicherungsbegehrens innerhalb eines Verfahrens über eine Ehescheidungsklage habe nur zur Folge, dass der Sicherungswerber eine konkrete Gefährdung des Wohnungserhaltungsanspruches nicht bescheinigen müsse. Über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtfertigungsklage hinaus könne die Anspruchssicherung nicht gewährt werden.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin wird geltend gemacht, das Rekursgericht habe nur über den Sicherungsantrag nach § 382e EO, nicht aber auch über den gleichzeitig geltend gemachten Sicherungsantrag nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO abgesprochen. Die Antragstellerin sei beschwert, weil sie durch eine einstweilige Verfügung nach § 382e EO zur Einbringung einer Rechtfertigungsklage gezwungen worden sei, was nach einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Abs 1 Z 9 lit c EO nicht der Fall sei. Da die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach letzterer Gesetzesstelle vorlägen, sei vom Rekursgericht zu Unrecht darüber nicht abgesprochen worden.

Der Antragsgegner beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs der Antragstellerin als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.

Das Erstgericht hat zwar keinen Sachverhalt als bescheinigt festgestellt; das Rekursgericht ist aber davon ausgegangen, dass das Vorbringen der Antragstellerin im Sicherungsantrag festgestellt werden sollte. Damit ist davon auszugehen, der Antragsgegner habe angedroht, die laufenden Bankzinsen für das Haus nicht mehr zu bedienen und auch eigenmächtige Verfügungen über die Liegenschaft in den Raum gestellt. Ebenso ist auch nach dem offenen Grundbuchstand von einer auf der Liegenschaft hypothekarisch sichergestellten Darlehensforderung auszugehen.

Zwischen einstweiligen Verfügungen gemäß § 382e EO zur Sicherung des Wohnungserhaltungsanspruches nach § 97 ABGB und einstweiligen Verfügungen nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO zur Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ist zu unterscheiden. Für die einstweilige Verfügung zur Sicherung des Wohnungserhaltungsanspruches gilt § 382e Abs 2 EO, nach dem für die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung im Zuge eines Verfahrens auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung nicht erforderlich ist. Die einstweilige Verfügung zur Sicherung des Wohnungserhaltungsanspruches ist aber anspruchsgebunden; sie ist daher mit einer Fristsetzung zur Einbringung einer Rechtfertigungsklage zu verknüpfen und kann nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung über diese Klage erlassen werden. Da der Anspruch nach § 97 ABGB auf die Ehedauer begrenzt ist, kann die einstweilige Verfügung überdies nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens erlassen werden (RIS‑Justiz RS0115045; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, § 382e Rz 6).

Bei der einstweiligen Verfügung zur Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse handelt es sich ebenfalls um eine anspruchsgebundene Sicherung; sie ist von der Geltendmachung des Aufteilungsanspruchs abhängig zu machen und für die Zeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Aufteilungsverfahrens zu erlassen (4 Ob 561/88; Zechner, aaO, § 382 Rz 12). Für sie gilt § 382e Abs 2 EO nicht; ihre Erlassung setzt daher eine Gefahrenbescheinigung voraus (8 Ob 39/04a).

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Sicherung ihres Aufteilungsanspruchs im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO beantragt und die Befristung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des Ehescheidungsverfahrens und des anschließenden Aufteilungsverfahrens begehrt; zur Gefahrenbescheinigung hat sie behauptet, der Antragsgegner habe angedroht, die laufenden Bankzinsen nicht mehr zu bedienen und eigenmächtige Verfügungen „in den Raum gestellt". Andererseits hat sie auch auf eine nicht erforderliche Gefahrenbescheinigung bei Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses nach § 382e Abs 2 EO verwiesen und daraus abgeleitet, dass sie auch für ihren Sicherungsantrag keine konkrete Gefährdung zu bescheinigen habe.

Das Erstgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen und die Befristung antragsgemäß vorgenommen. Rechtlich war es der Auffassung, dass die einstweilige Verfügung zur Sicherung des Aufteilungsanspruches nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO, wird sie im Laufe eines Scheidungsverfahrens beantragt, gemäß § 382e Abs 2 EO auch ohne Bescheinigung einer konkreten Gefährdung erlassen werden kann. Ob die Antragstellerin eine konkrete Gefährdung bescheinigt hat, hat es daher nicht geprüft.

Auch das Rekursgericht hat nicht weiter untersucht, ob die Voraussetzungen zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO vorliegen, weil es die Voraussetzungen zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382e EO für gegeben erachtete.

Im Revisionsrekurs wird nun zutreffend aufgezeigt, dass nach dem auch vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt die Voraussetzungen zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Aufteilungsanspruches nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c vorliegen; danach hat der Antragsgegner nämlich angedroht, die laufenden Bankzinsen für das Haus nicht mehr zu bedienen. Wie bereits vom Rekursgericht dargetan, droht bei Nichtzahlung von Darlehensraten letztlich der Verlust des Hauses durch Zwangsversteigerung; schon damit ist aber der Antragstellerin die für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach der oben genannten Gesetzesstelle erforderliche Bescheinigung einer konkreten Gefährdung im ausreichenden Maß gelungen.

Da die Voraussetzungen zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Aufteilungsanspruches vorliegen, war der Beschluss des Erstgerichtes wiederherzustellen, ohne dass es einer Rechtfertigungsklage bedurfte.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 78 und 402 Abs 4 EO, §§ 41, 52 ZPO bzw § 393 Abs 1 EO. Die Feststellung des Streitwerts im Verfahren zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs ist für die Kostenentscheidung (hier) nicht von Bedeutung; der Antragsgegner ist mit seinem (neuerlichen) Antrag auf Feststellung des Streitwertes im Verfahren zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs an das Erstgericht zu verweisen.

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