European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00163.15G.1021.000
Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er das Verfahren AZ 19 Cg 112/11h betrifft, gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
2. Im Übrigen werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung
Die Wiederaufnahmsbeklagte begehrt von der Wiederaufnahmsklägerin in den Verfahren 19 Cg 112/11h und 19 Cg 36/12h des Handelsgerichts Wien Zahlung von 111.267,09 EUR bzw 14.247,03 EUR jeweils sA. Im Verfahren 19 Cg 121/12h wird sie ihrerseits von der Wiederaufnahmsklägerin auf Zahlung von 18.179,27 EUR sA geklagt. Die drei Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Führend ist das Verfahren 19 Cg 36/12h.
Mit Zwischen- und Endurteil vom 15. 2. 2015 erkannte das Handelsgericht Wien die von der Wiederaufnahmsbeklagten gestellten Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Das Klagebegehren der Wiederaufnahmsklägerin wies es ab. Dieses ‑ mittlerweile vom Oberlandesgericht Wien bestätigte ‑ Urteil ist nicht rechtskräftig.
Mit der am 11. 5. 2015 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Wiederaufnahmsklägerin die Wiederaufnahme der verbundenen Verfahren, die Aufhebung des Zwischen‑ und Endurteils des Handelsgerichts Wien sowie die abweisende bzw stattgebende Sachentscheidung in den jeweiligen Hauptverfahren.
Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren a limine zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen die Rekursentscheidung richtet sich das undifferenziert als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Wiederaufnahmsklägerin, welches das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel erweist sich teilweise mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig, teilweise fehlt es (derzeit) an einer Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs.
1. Vorauszuschicken ist, dass der außerordentliche Revisionsrekurs der Wiederaufnahms-klägerin trotz des bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichts nicht dem absoluten Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unterliegt, weil die Wiederaufnahmsklage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (1 Ob 128/14a; RIS‑Justiz RS0125126).
2. Der Streitwert im Wiederaufnahmsverfahren entspricht jenem des Hauptprozesses (7 Ob 15/06s; 2 Ob 23/06f; RIS‑Justiz RS0042409, RS0042445), der hier aus drei verbundenen Verfahren besteht. Die Wiederaufnahmsklägerin begehrt die Wiederaufnahme aller drei verbundener Verfahren.
Bei Verbindung mehrerer Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ist die Rechtsmittelzulässigkeit jeweils gesondert zu prüfen und zu beurteilen; die Streitgegenstände der verbundenen Verfahren sind und bleiben voneinander unabhängig. Das gilt auch für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen die gemeinsame Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz (RIS‑Justiz RS0037173, RS0037252, RS0036717). Dabei ist es unerheblich, ob die in den verbundenen Streitsachen geltend gemachten Ansprüche an sich in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stehen (2 Ob 76/05y mwN).
3. Daraus folgt für das vorliegende Wiederaufnahmsverfahren:
3.1 Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs auf die rekursgerichtliche Entscheidung über das zu 19 Cg 112/11h (Streitwert 111.267,09 EUR) gestellte Wiederaufnahmsbegehren richtet, ist das Rechtsmittel mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO unzulässig, was gemäß § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.
3.2 Soweit jedoch die rekursgerichtliche Entscheidung über die zu 19 Cg 36/12h (Streitwert 14.247,03 EUR) und 19 Cg 121/12h (Streitwert 18.179,27 EUR) gestellten Wiederaufnahmsbegehren betroffen ist, richtet sich die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit jeweils nach § 528 Abs 2 Z 1a ZPO, weil der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts in Geld in beiden Rechtssachen zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR überstieg und das Rekursgericht ‑ wie ausgeführt ‑ den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat.
Unter diesen Voraussetzungen steht der Wiederaufnahmsklägerin nur die Möglichkeit offen, nach § 528 Abs 2a ZPO einen mit einem (ordentlichen) Revisionsrekurs verbundenen Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs an das Rekursgericht zu stellen. Dieser Antrag ‑ verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel ‑ ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß §§ 528 Abs 2a, 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln.
Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf darüber nur bzw erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht iSd § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Änderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS‑Justiz RS0109623).
4. Das Erstgericht wird daher das Rechtsmittel der Wiederaufnahmsklägerin bezüglich jener Teile, die sich auf die zu 19 Cg 36/12h und 19 Cg 121/12h geltend gemachten Wiederaufnahmsbegehren beziehen, dem Rekursgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
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