Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §176 (1) Z6 idF d. 9. Nov
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333 (1)
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §176 (1) Z6 idF d. 9. Nov
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333 (1)
Spruch:
Ein Haftungsausschluß nach § 333 ASVG. kommt nur bei einer "betrieblichen Tätigkeit", also einer ernsthaften Arbeitsleistung des Mitwirkenden in Frage
Entscheidung vom 10. Juni 1965, 2 Ob 158/65
I. Instanz: Kreisgericht Steyr; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Anläßlich der Reparatur des Motorrades des Klägers in der Werkstätte des Beklagten ist am 24. April 1962 das beim Auslaufen von Benzin entstandene Benzinluftgemisch explodiert, wodurch - u. a. - der Kläger körperlich beschädigt wurde und auch Sachschaden erilit. Wegen dieses Unfalls ist der Beklagte durch Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 29. Jänner 1963 - rechtskräftig - des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung der Gefahr einer Feuersbrunst nach den §§ 335, 459 StG. und zur Zahlung von 1000 S (an Schmerzensgeld) an den Kläger als Privatbeteiligten schuldig erkannt worden. Nunmehr nimmt der Kläger den Beklagten auf Schadenersatz wegen der Unfallsfolgen in Anspruch.
Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 56.660 S s. A. an den Kläger verurteilt und das Leistungsmehrbegehren punkto 20.000 S s. A. abgewiesen (diese Abweisung ist in Rechtskraft erwachsen); zugleich hat das Erstgericht festgestellt, daß der Beklagte für jeden Schaden, der dem Kläger aus dem am 24. April 1962 erlittenen Unfall in Zukunft entstehen sollte, zur Gänze ersatzpflichtig sei. Der zuerkannte Betrag von 56.660 S setzt sich zusammen aus 3300 S an Sachschadenersatz, aus 4360 S an Ersatz von Verdienstentgang und aus 49.000 S an Schmerzensgeld (d. i. 50.000 S weniger 1000 S laut Zuspruch im Adhäsionsverfahren).
Der Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht keine Folge gegeben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Revisionsgrund des § 503 Z. 1 ZPO. in Verbindung mit § 477 (1) Z. 3 ZPO. wird auf die Behauptung gegrundet, das Arbeitsgericht wäre für diese Streitsache zuständig gewesen (erstmalig in dritter Instanz ist dies vorgebracht worden). Diese Rüge ist nicht gerechtfertigt, weil nach dem Klagsvorbringen Schadenersatz aus dem Verhältnisse zwischen Unternehmer (Beklagter) und Besteller (Kläger) nach dem Werksvertrag begehrt wird. Daß der Kläger im Betriebe des Beklagten bei der diesem übertragenen Reparatur des Motorrades mitgeholfen hat (vgl. die späteren Ausführungen zur Rechtsrüge), ergibt noch nicht die Qualifikation des Klägers als eines beim beklagten Unternehmer Beschäftigten im Sinne des § 1 (1) Z. 1 ArbGerG., auch wenn dieser Begriff nicht nur die Dienstnehmer des Unternehmers, sondern auch Personen arbeitnehmerähnlicher Art umfaßt. Die Frage, ob der Unfall des Klägers vom 24. April 1962 einem Arbeitsunfall gemäß § 176 (1) Z. 6 ASVG. in der Fassung der 9. Novelle zum ASVG. gleichgestellt sei, ist von der Frage der Arbeitsgerichtsbarkeit auseinanderzuhalten.
Somit war die wegen Nichtigkeit erhobene Revision zu verwerfen. Von allen im bisherigen Verfahren gegen den Klagsanspruch erhobenen Einwendungen hält die beklagte Partei in dritter Instanz lediglich jene des Auschlusses der Haftung des Beklagten für die Folgen des Unfalls des Klägers vom 24. April 1962 gemäß § 333 (1) ASVG. aufrecht. Zutreffend macht die klagende Partei als Revisionsgegnerin dazu zunächst geltend, daß sich dieser Haftungsausschluß nicht auf den Sachschaden des Klägers (3300 S) erstrecken könnte; § 333 (1) ASVG. handelt ja nur vom Schaden, der dem Versicherten durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden ist; der Sachschaden ist nicht Gegenstand der Sozialversicherung, so daß ein Haftungsausschluß im Sinne der bezogenen Vorschrift diesbezüglich von vornherein nicht in Betracht kommt. Insoweit ist die Rechtsrüge des Revisionswerbers, worin die Klagsabweisung in allen Punkten verlangt wird, nicht schlüssig. Aber auch hinsichtlich der Ersatzbeträge für Verdienstentgang (4360 S) und in bezug auf das zuerkannte Schmerzensgeld (49.000 S) ist der Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. nicht gegeben. Zwar nimmt der Revisionswerber mit Recht gegen die Annahme der Bindung an das Erkenntnis des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für OÖ. vom 28. Mai 1963 seitens der Untergerichte Stellung. Denn weder im Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Linz, vom 21. August 1962, noch im bezogenen schiedsgerichtlichen Erkenntnis ist über die Frage der Versicherung des Klägers im Betriebe des Beklagten abgesprochen worden; dortselbst ist lediglich dahin entschieden worden, daß die Fahrt des Klägers zur Gärtnerei R. in O. und auch seine Mithilfe bei der Motorradreparatur mit seiner betrieblichen Tätigkeit als Schneidermeister nicht im Zusammenhang gestanden seien; das im vorliegenden Prozesse maßgebliche Problem der Versicherung des Klägers im Betriebe des Beklagten ist schon nach den Gründen der vom Kläger beim Schiedsgericht der Sozialversicherung erhobenen Klage nicht Gegenstand des schiedsgerichtlichen Verfahrens gewesen.
Soweit aber die Vorinstanzen die Frage des bezogenen Haftungsausschlusses unabhängig von einer Bindung im dargestellten Sinne erörtert und gelöst haben, ist ihrer Beurteilung beizupflichten. Theoretisch richtig weist zwar der Revisionswerber auf die Regelung des § 176 (1) Z. 6 ASVG. (in der Fassung der 9. Novelle zum ASVG.; mit Rücksicht auf den Zeitpunkt des Unfalls - 24. April 1962 - kommt schon diese Fassung zu Anwendung) hin; denn nach dieser Vorschrift sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG. Versicherter ausübt, auch wenn sie nur vorübergehend geschieht; die bezogene Norm ist eine subsidiäre Schutzbestimmung für jene Personen, die nicht dem Unternehmen, in dem sich der Unfall ereignet hat, angehören, aber wie Versicherte dieses Unternehmens, wenn auch nur kurzfristig, dort tätig werden, ohne daß es zur Begründung eines förmlichen Arbeitsverhältnisses gekommen wäre. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß auch der Besteller beim Werkvertrag nach Maßgabe seiner Tätigkeit im Betriebe des Unternehmers unter diesem Gesichtspunkte sozialversichert ist, mit der Wirkung des Haftungsausschlusses nach § 333 ASVG. (vgl. z. B. 2 Ob 270/61 vom 1. Dezember 1961). Es muß sich aber immer um eine "betriebliche Tätigkeit" des Mitwirkenden handeln, also um eine ernsthafte Arbeitsleistung, die sich objektiv als wirtschaftlich nützlich stellt (vgl. SV.-Slg. Nr. 6273). Diese Voraussetzung ist nach den vorinstanzlichen Feststellungen diesfalls nicht gegeben. Der Kläger war ja nur in seinem eigenen Interesse bei der Reparatur tätig und durch die Mithilfe des körperlich unzulänglichen Klägers wurden Arbeitskräfte des Betriebes des Beklagten weder geschont noch entlastet. Bei diesen Umständen haben die Vorinstanzen die Voraussetzungen für eine Versicherung des Klägers im Sinne des § 176
(1) Z. 6 ASVG. und damit den von der beklagten Partei geltend gemachten Haftungsausschluß nach § 333 (1) ASVG. zutreffend verneint; demgemäß erübrigt es sich, auf die Eventualausführungen des Revisionsgegners zu diesem Punkte Stellung zu nehmen.
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