Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Der Kläger wurde am 19. Oktober 1983 in Ternitz bei einem vom Zweitbeklagten als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen N 375.749 (die Erstbeklagte ist der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges) verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Er begehrte im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 19. Juni 1985 eingebracht) aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ON 19 S 59) unter Berücksichtigung einer von den Beklagten am 20. November 1986 erhaltenen Zahlung von S 200.000,-- die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 304.825,50 sA und zur Leistung einer monatlichen Rente von S 8.000,-- ab 1. Juli 1985; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Die Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.
Das Erstgericht faßte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30. September 1985 (ON 4) einen Beweisbeschluß, mit dem es unter anderem zum Nachweis der vom Kläger behaupteten Verletzungsfolgen die Einholung von Gutachten von Sachverständigen aus dem Gebiet der Unfallchirurgie, der Neurologie und der internen Medizin beschloß; es bestellte Dr. Peter K*** zum Sachverständigen für Neurologie, Dr. Hannes W*** zum Sachverständigen für Unfallchirurgie und Dr. Norbert V*** zum Sachverständigen für interne Medizin. Am 9. Oktober 1985 übermittelte das Erstgericht den Akt dem Sachverständigen Dr. W*** zur Gutachtenerstattung im Sinne des Beweisbeschlusses (ON 5). Mit Schreiben vom 14. März 1986 (ON 6) stellte dieser Sachverständige den Akt ohne Gutachten dem Erstgericht zurück, wobei er mitteilte, daß er den Kläger am 12. November 1985 untersucht habe. Dabei habe er ihm aufgetragen, verschiedene Röntgenbilder beizubringen. Da dies in der Folge nicht geschehen sei, habe er den Kläger schriftlich daran erinnert und auch mit der Kanzlei des Klagevertreters telefoniert, wobei ihm zugesagt worden sei, daß innerhalb von 14 Tagen eine Reaktion erfolgen werde. Da dies nicht geschehen sei, sende er den Akt an das Gericht zurück. Nach verschiedenen am 28. und 30. April 1986 mit Dr. P***, die angab, den Klagevertreter Dr. J*** zu vertreten, geführten Telefonaten, in deren Verlauf ihr unter anderem mitgeteilt wurde, daß es Sache des Klägers sei, sich die zur Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen Dr. W*** erforderlichen seinen derzeitigen Zustand betreffenden Röntgenbilder zu verschaffen, übermittelte das Erstgericht am 30. April 1986 den Akt neuerlich dem Sachverständigen Dr. W*** zur Gutachtenerstattung. Mit Schreiben vom 30. September 1986 (ON 10) sandte dieser Sachverständige den Akt wieder ohne Gutachtenerstattung an das Erstgericht zurück, wobei er mitteilte, daß die von ihm benötigten Röntgenbilder nicht eingelangt seien; er könne daher kein Gutachten erstatten. Das Erstgericht ordnete die Zustellung einer Fotokopie dieses Schreibens des Sachverständigen an den Klagevertreter an und verfügte zum Jahresende 1986 das Abstreichen der Rechtssache nach § 391 Z 7 lit d Geo (ON 10). Am 27. Februar 1987 langte ein Antrag des Klägers beim Erstgericht ein, den Akt neuerlich zur Gutachtenerstattung dem Sachverständigen Dr. W***, allenfalls einem anderen Sachverständigen für Chirurgie, zu übersenden. Der Kläger bzw seine Ehegattin habe schon vor längerer Zeit mit Dr. W*** telefonisch Kontakt aufgenommen und ihm alle von ihm verlangten dem Kläger zur Verfügung stehenden Unterlagen übergeben. Der Kläger verfüge über keine Röntgenbilder, die er dem Sachverständigen darüber hinaus zur Verfügung stellen könnte (ON 11). Daraufhin übermittelte das Erstgericht am 3. März 1987 den Akt neuerlich dem Sachverständigen Dr. W*** zur Gutachtenerstattung mit dem Hinweis, daß angeblich alle Unterlagen bei ihm eingelangt seien und daß keine weiteren Röntgenbilder vorhanden seien (ON 11). Mit Schreiben vom 20. Mai 1987 stellte dieser Sachverständige den Akt neuerlich dem Erstgericht ohne Gutachten mit der Mitteilung zurück, daß keine Röntgenbilder des Istzustandes des Klägers in seiner Ordination eingelangt seien, sodaß er ein Gutachten nicht erstellen könne (ON 13). In der daraufhin vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. September 1987 (ON 19) wendeten die Beklagten Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein. Der Kläger habe dem Sachverständigen Dr. W*** über dessen wiederholtes Ersuchen die von ihm erbetenen Unterlagen, insbesondere Röntgenbilder über seinen derzeitigen Zustand, nicht zur Verfügung gestellt. Für den Fall, daß keine Röntgenbilder vorhanden sein sollten, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, entweder derartige Röntgenbilder anfertigen zu lassen oder an das Gericht einen Antrag zu stellen, einen Sachverständigen für Röntgenologie beizuziehen. Da dies alles nicht geschehen sei, habe der Sachverständige Dr. W*** seit der Untersuchung des Klägers am 12. November 1985 das notwendige Gutachten nicht erstatten können. Aus diesem Verhalten des Klägers ergebe sich sein mangelndes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens.
Der Kläger entgegnete, dem Sachverständigen Dr. W*** sei mitgeteilt worden, daß der Kläger über die im Akt erliegenden Unterlagen hinaus über keine weiteren Unterlagen, insbesondere über keine Röntgenbilder, verfüge. Der Sachverständige habe dem Kläger nicht mitgeteilt, daß er aktuelle Röntgenbilder benötige. Der am 27. Februar 1987 beim Erstgericht eingelangte Antrag des Klägers sei nicht früher gestellt worden, weil zwischen den Streitteilen Vergleichsgespräche geführt worden seien. Jedenfalls liege in der Bezahlung eines als Akontozahlung deklarierten Betrages von S 200.000,-- am 20. November 1986 ein Anerkenntnis der Klagsforderung dem Grunde nach, sodaß damit eine allenfalls begonnene Verjährungsfrist unterbrochen worden sei. Die Beklagten brachten dazu vor, es sei richtig, daß Ende September 1986 Vergleichsverhandlungen geführt worden seien; sie seien allerdings gescheitert. Im November 1986 sei dann ein Betrag von S 200.000,-- dem Kläger überwiesen worden. Daraus könne aber kein Anerkenntnis eines über diesen Betrag hinausgehenden Anspruches des Klägers abgeleitet werden. Der Antrag des Klägers auf neuerliche Übermittlung des Aktes an den Sachverständigen (ON 11) hätte jedenfalls sofort nach Beendigung der Vergleichsgespräche im Oktober 1986 gestellt werden können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Akteninhalt fest. Darüber hinaus stellte es fest, daß am
18. (20.) November 1986 seitens der Beklagten eine Zahlung von
S 200.000,-- "akonto aller Ansprüche" geleistet wurde. Auf Betreiben der Beklagten wurden am 29. September 1986 Vergleichsverhandlungen geführt, die jedoch zu keiner Einigung führten. Die Akontozahlung von S 200.000,-- wurde aber auch ohne Einigung in Aussicht gestellt und geleistet. Eine Bereinigung aller Ansprüche wurde von den Beklagten nicht beabsichtigt. In ihrer Absicht lag es lediglich, eine Akontozahlung zu leisten, nicht aber, ein Anerkenntnis abzugeben.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Verfahren nicht im Sinne des § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt worden sei und daß der von den Beklagten geleisteten Zahlung von S 200.000,-- nicht die Wirkung eines Anerkenntnisses zukomme. Die Klagsforderung sei daher verjährt. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und erachtete in rechtlicher Beziehung gleich dem Erstgericht die Klagsforderung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1497 ABGB für verjährt.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie ihrem gesamten Inhalt nach aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung "an eines der Untergerichte" zurückzuverweisen.
Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig.
Was die Rechtzeitigkeit dieses Rechtsmittels anlangt, konnte nach der Aktenlage und durch die angestellten Erhebungen nicht eindeutig geklärt werden, ob die Revision des Klägers noch innerhalb offener Rechtsmittelfrist oder erst nach ihrem Ablauf zur Post gegeben wurde. Da sich dies zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers auswirkt, weil ein Rechtsmittel in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich hat, als es entgegengenommen und sachlich erledigt werden muß, solange nicht seine Verspätung eindeutig erwiesen ist (SZ 46/86; RZ 1986/40 uva), ist die vorliegende Revision als rechtzeitig anzusehen.
Sie ist auch sachlich berechtigt.
Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage nur unter der weiteren Voraussetzung unterbrochen, daß "die Klage gehörig fortgesetzt wird". Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens läßt die Unterbrechungswirkung der Klage nicht eintreten. Nicht gehörige Fortsetzung im Sinne dieser Gesetzesstelle ist anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und solcherart zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen ist (Klang2 VI 656; SZ 41/85; JBl 1978, 210; 8 Ob 282/82 uva). Bei der Prüfung, ob ein solches Verhalten des Klägers vorliegt, sind vor allem die Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, wie es überhaupt bei Beurteilung der Frage, ob ein Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung als ungebührliche Untätigkeit anzusehen ist, nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch auf ihre Gründe ankommt, ob also diese Untätigkeit gerechtfertigt war oder nicht.
Hiebei ist es nicht Aufgabe des Gerichtes, von Amts wegen nach der Ursache der Untätigkeit des Klägers zu forschen. Dessen Sache ist es vielmehr, beachtliche Gründe, die seine Untätigkeit rechtfertigen, zu behaupten und zu beweisen (JBl 1976, 591;
JBl 1978, 210 uva). Wohl aber ist von Amts wegen zu prüfen, ob der Kläger überhaupt gehalten war, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen (SZ 41/85;
EvBl 1974/196; EvBl 1976/6 ua). Konnte oder mußte er eine Tätigkeit des Gerichts erwarten, kann nämlich aus seiner Untätigkeit nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen (EvBl 1973/17; SZ 46/5; EvBl 1976/6 ua). Kündigte aber der Prozeßrichter an, daß er bei Nichtbefolgung eines dem Kläger erteilten Auftrags das Verfahren nur auf Antrag fortsetzen werde, dann muß der Kläger zur Vermeidung der im § 1497 ABGB normierten Nachteile von sich aus für den Fortgang des Prozesses sorgen, selbst wenn der ihm erteilte Auftrag gesetzwidrig gewesen wäre (EvBl 1973/17; EvBl 1976/6 ua). Solange allerdings das Gericht nicht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, daß es das Verfahren nur über Parteienantrag fortzusetzen gedenkt, besteht für den Kläger keine Verpflichtung, von sich aus das säumige Prozeßgericht zu betreiben (EvBl 1973/17; SZ 46/5; 8 Ob 282/82; 2 Ob 575/88 ua). Das kann indes nicht dazu führen, daß ein Kläger auf unbegrenzte Zeit ("ad infinitum") im Prozeß untätig bleiben darf. Muß der Kläger - was allerdings erst nach längerer Zeit der Fall sein wird - erkennen, daß das Gericht, dessen Tätigkeit er zunächst erwarten durfte, von sich aus nicht mehr tätig wird, kann er sich zur Rechtfertigung weiterer Untätigkeit nicht mehr darauf berufen, das Gericht hätte von Amts wegen das Verfahren fortsetzen müssen (SZ 58/112; 2 Ob 575/88 ua).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann kann keine Rede davon sein, daß der Kläger, der die Klage innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB eingebracht hat, das Verfahren im Sinne des § 1497 ABGB nicht gehörig fortgesetzt hätte.
Zunächst kann aus dem Umstand, daß der Kläger dem Sachverständigen Dr. W*** Röntgenbilder nicht vorlegte, die er nicht hatte, überhaupt nicht auf ein mangelndes Interesse des Klägers an der Verfolgung seines Prozeßziels geschlossen werden. Wenn der Sachverständige derartige Röntgenbilder über den derzeitigen Zustand des Klägers für seine Begutachtung für erforderlich hielt und er über derartige Röntgenbilder nicht verfügte, dann hatte er das, soweit er sich diese für seine Begutachtung erforderlichen Unterlagen nicht selbst verschaffen konnte, dem Gericht mitzuteilen, dem es im Sinne des § 359 ZPO oblag, dem Sachverständigen die Grundlagen für die ihm aufgetragene Tätigkeit zu verschaffen. Im Rahmen dieser Verpflichtung ist das Gericht befugt, den Parteien entsprechende Aufträge zu erteilen; die Weigerung einer Partei, einem derartigen Auftrag nachzukommen, ist frei zu würdigen (siehe dazu Fasching, Kommentar III 493). Im vorliegenden Fall wurde aber weder vom Gericht dem Kläger ein derartiger Auftrag ausdrücklich erteilt noch hat das Gericht dem Kläger gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß es das Verfahren nur über seinen Antrag fortsetzen werde. Für ein Abstreichen der Rechtssache im Sinne des § 391 Z 7 lit d Geo bestand schon deswegen kein Anlaß, weil die Fortsetzung des Verfahrens eben nicht von einem Parteienantrag abhängig war. Für den Kläger bestand unter diesen Umständen im Sinne obiger Rechtsausführungen keine Notwendigkeit, von sich aus für den Fortgang des Prozesses zu sorgen; er konnte vielmehr damit rechnen, daß das Gericht den Prozeß von Amts wegen fortsetzen werde. Daß das Gericht diese Absicht nicht hatte, wurde dem Kläger niemals bekanntgegeben. Unter diesen Umständen kann in dem von den Vorinstanzen festgestellten Verhalten des Klägers eine ungewöhnliche Untätigkeit, mit der zum Ausdruck gebracht worden wäre, daß ihm an der Erreichung seines Prozeßzieles nichts gelegen sei, nicht erblickt werden. Die Vorinstanzen haben somit zu Unrecht angenommen, daß das Verfahren vom Kläger nicht gehörig fortgesetzt wurde. Dem Verjährungseinwand der Beklagten kommt daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung keine Berechtigung zu. Da die zur sachlichen Beurteilung der geltend gemachten Klagsforderungen erforderlichen Feststellungen nicht getroffen wurden, waren in Stattgebung der Revision des Klägers das Urteil des Berufungsgerichts und, da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs 1 ZPO), auch das Urteil des Erstgerichts aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf die Revisionsausführungen bedürfte.
Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)