OGH 2Ob152/89

OGH2Ob152/8919.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P***, Fleischhauermeister, Villacher Straße 5, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Gert Paulsen, Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei E*** A***

V***-AG, Brandstätte 7-9, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 1,200.000,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandsgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28.August 1989, GZ 4 b R 67/89-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14.April 1989, GZ 19 Cg 425/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.860,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 3.151,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17.5.1980 verschuldelte Engelbert G*** mit dem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW VW Scirocco Kombi einen Verkehrsunfall, bei welchem er mit dem vom Kläger gelenkten Fahrzeug zusammenstieß und diesen schwer verletzte. Auf Grund des Anerkenntnisurteils des Landesgerichts Klagenfurt vom 18.10.1982, 16 Cg 69/85-4, haftet die beklagte Partei dem Kläger für alle Schäden, die ihm aus dem Unfall vom 17.5.1980 entstehen. Während die Schmerzengeldansprüche des Klägers außergerichtlich verglichen wurden, wurde ihm mit dem Anerkenntnisendurteil vom 5.3.1987, 16 Cg 69/85-58, eine monatliche Rente von S 1.500,-- ab 1.10.1984 zugesprochen.

Nunmehr begehrte der Kläger von der beklagten Partei den Ersatz eines mit S 1,200.000,-- sA bezifferten Schadens mit der Begründung, daß er auf Grund einer zum Zeitpunkte des Vergleichsabschlusses über das Schmerzengeld nicht vorhersehbaren Verschlechterung seines Gesundheitszustands weitere Schmerzen zu ertragen gehabt habe, die ein ergänzendes Schmerzengeld von S 150.000,-- rechtfertigten. Außerdem sei seine Leistungsfähigkeit so weit gesunken, daß ihm für den Zeitraum 1982 bis 1987 für eine fiktive Ersatzkraft (er betreibe eine Fleischhauerei) eine Entschädigung von insgesamt S 1,050.000,-- zustehe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß das Heilungsgeschehen bereits abgeschlossen und alle Schmerzengeldansprüche verglichen seien. Dem Kläger sei ein Verdienstentgang nicht erwachsen; die Geltendmachung eines solchen neben einer abstrakten Rente sei unzulässig; derartige Ansprüche seien bereits verjährt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Betrag von S 110.000,-- sA (Schmerzengeld) zu und wies das Mehrbegehren von S 1,090.000 s.A. (S 40.000,-- Schmerzengeld, S 1,050.000,-- Verdienstentgang) ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Kläger betreibt gemeinsam mit seiner Ehegattin ein Fleischergeschäft. Er leidet auf Grund von Verletzungen, die er sich beim Verkehrsunfall vom 17.5.1980 zuzog, im rechten und linken Kniegelenk sowie im Bereiche des rechten Sprunggelenks an Schmerzen unterschiedlicher Intensität. Diese verstärkten sich beim Gehen und werden von ihm mit schmerzstillenden Tabletten bekämpft. Das Knien und Hocken sowie das Gehen im unebenen Gelände bereitet zusätzliche Beschwerden. Durch arthrotische Veränderungen ist das Sprunggelenk rechts hochgradig und links mäßiggradig in seiner Beweglichkeit eingeschränkt, wobei das untere Sprunggelenk rechts wackelsteif und links frei ist. Sowohl im rechten als auch im linken Kniegelenk besteht eine mäßiggradige Beugehemmung bei arthrotischem Reiben links und einer fehlenden Kniescheibe im rechten Gelenk. Gegenüber der im Jahre 1981 durchgeführten medizinischen Begutachtung, die der vergleichsweisen Abfindung des Schmerzengeldes zugrundegelegt wurde, ist die Arthrose vor allem im rechten Sprunggelenk fortgeschritten; das rechte untere Sprunggelenk ist deutlich verschmälert. Während im rechten Kniegelenk am Röntgenschirm eine beginnende Arthrose erkennbar ist, zeigt sich die retropatellare Gelenksfläche des linken Kniegelenks bei einer fleckigen Atrophie der Kniescheibe unregelmäßig konturiert. Die fortschreitenden arthrotischen Veränderungen sind gravierender, als man bei der ersten Begutachtung prognostizieren konnte. Sie ergeben bei einer Komprimierung auf den 24-Stunden-Tag 4 Tage starke, 12 Tage mittlere und 60 bis 65 Tage leichte körperliche Schmerzen. Dabei wurde bereits auf künftige unfallskausale kurzzeitige Schmerzen ebenso Bedacht genommen wie auf das Ausmaß der Dauerinvalidität des Klägers auf Grund der Unfallsfolgen von etwa 40 %, dies unter Berücksichtigung seiner Tätigkeit als selbständiger Fleischhauermeister.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß eine ergänzende Schmerzengeldbemessung zu erfolgen habe, weil aus der seinerzeitigen Sicht nicht abschätzbare Unfallfolgen eingetreten seien. Es erachtete ein zusätzliches Schmerzengeld von S 110.000,-- als angemessen. Das Verdienstentgangsbegehren wies es mit der Begründung ab, daß der Zuspruch einer abstrakten Rente den Ersatz des konkreten Verdienstentgangs ausschließe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Es stellte noch ergänzend fest:

In der dem Verfahren 16 Cg 69/85 des Landesgerichts Klagenfurt zugrundeliegenden Klage wurde ausdrücklich der Zuspruch einer abstrakten Rente begehrt und unter anderem vorgebracht, daß der Kläger etwa den gleichen Verdienst erziele wie vor seinem Unfall. Dieses Vorbringen wurde im genannten Verfahren stets aufrecht erhalten. Unmittelbar vor dem Anerkenntnis dieses Rentenbegehrens durch die beklagte Partei wurde vom Sachverständigen Dkfm. Dr. Ernst K*** festgestellt, daß sich aus einer von ihm vorgenommenen Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Ergebnisse des Betriebs des Klägers von 1979 bis 1984 kein klarer Zusammenhang mit dem Unfall im Jahre 1980 ergebe.

Rechtlich erachtete das Gericht zweiter Instanz das vom Erstgericht mit S 110.000,-- ausgemessene Schmerzengeld für angemessen. Die dem Kläger seinerzeit auf der Grundlage der oben getroffenen Feststellungen zugesprochene Rente sei als eine abstrakte Rente zu beurteilen. Diese könne nicht mit einer Hausfrauenrente - wie dies der Kläger anstrebe - verglichen werden. Die Ansprüche, die mehr als 3 Jahre vor der am 23.12.1987 eingebrachten Klage zurückliegen, seien einerseits zum Teil verjährt, weil bei einem Feststellungsurteil, das auch die Verpflichtung zum Ersatz künftiger Rentenbeträge beinhaltet, diese künftig anfallenden Renten neuerlich der 3-jährigen Verjährung unterliegen; andererseits sei zu berücksichtigen, daß die abstrakte Rente durch Anerkenntnisurteil zugesprochen wurde, das zumindest ab der Einbringung der dazu angestrengten Klage bindende Wirkung für die Beurteilung der Frage habe, ob Verdienstentgang gebühre. Werde ein konkreter Verdienstentgang durch die abstrakte Rente abgegolten, könne er später nicht mehr geltend gemacht werden.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger stellt sich zunächst auf den Standpunkt, daß das Schmerzengeld um S 40.000 zu gering bemessen sei. Er versucht, unter Anwendung von Tagessätzen die von ihm angestrebte Summe von S 150.000 zu erreichen. Das Schmerzengeld ist jedoch nicht nach Tagessätzen zu beurteilen, vielmehr sind Art, Dauer und Stärke der Schmerzen, die Schwere der Verletzung und der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes auf Grund des Gesamtbildes zu beachten. So gesehen haben aber die Vorinstanzen den festgestellten Schmerzen des Klägers, die bei der seinerzeitigen Bemessung nicht voraussehbar waren, mit dem Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 110.000 zutreffend Rechnung getragen.

Zum abgewiesenen Verdienstentgangsbegehren vertritt der Kläger die Auffassung, daß das Berufungsgericht sowohl die Frage der Verjährung unrichtig beurteilt habe, als auch in der Annahme, daß der Zuspruch der abstrakten Rente das konkrete Verdienstentgangsbegehren ausschließe, einem Rechtsirrtum unterlegen sei.

Dazu war zu erwägen:

Feststeht, daß der Kläger am 18.10.1982 ein Anerkenntnisurteil erwirkt hat, wonach ihm die beklagte Partei für alle Schäden haftet, die ihm aus dem Unfall vom 17.5.1980 entstehen. Der Kläger hat mit der vorliegenden, am 23.12.1987 eingebrachten Klage konkreten Verdienstentgang ab dem 1.1.1982 - zunächst von einem Berechnungsschlüssel von monatlich S 11.200 ausgehend - begehrt. Prinzipiell gebührt bei Verdienstentgang wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Rente (ZVR 1975/198; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 27 zu § 1325; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes8 I 437); nur in Ausnahmsfällen kann aus wichtigen Gründen eine Pauschalabfindung begehrt werden (SZ 40/56; Wolff in Klang 132; Reischauer aaO Rz 26); die Voraussetzungen hiezu hat der Geschädigte darzutun. Der Kläger hat in dieser Richtung nichts vorgebracht. Es kann aber nicht bloß deshalb, weil der Kläger den monatlich berechneten Verdienstentgang zusammenzählt, bei der Beurteilung der Verjährung des Verdienstentgangsanspruchs von einer einmaligen Kapitalabfindung ausgegangen werden; vielmehr ist auch in diesem Fall der Verdienstentgangsanspruch als ein Rentenanspruch zu beurteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen nach einem Feststellungsurteil verfallende Renten auch dann, wenn es die Verpflichtung zum Ersatz solcher künftig fällig werdenden Renten in sich begreift, der im § 1480 ABGB festgesetzten dreijährigen Verjährung (Ehrenzweig I/12 § 131; SZ 43/222 uza). Auf den vorliegenden Fall bezogen hat dies zur Folge, daß jene Verdienstentgangsansprüche, die länger zurückliegen als 3 Jahre vor der Einbringung der Klage am 23.12.1987, verjährt sind. Dies trifft demnach für das bis zum 22.12.1984 (nicht 1985!) geltend gemachte Verdienstentgangsbegehren des Klägers zu.

Die vom Kläger geltend gemachte abstrakte Rente wurde diesem monatlich ab 1.10.1984 rechtskräftig zugesprochen. Nach Lehre und Rechtsprechung (Koziol-Welser aaO 438; SZ 47/20 ua) hat der Verletzte die Wahl, ob er den Schaden abstrakt oder konkret berechnen will. Eine Kumulierung beider Methoden ist ausgeschlossen. Der Bezieher einer abstrakten Rente kann später nicht geltend machen, daß nunmehr die Krisensituation eingetreten sei und der tatsächliche Verdienstausfall den zugesprochenen Betrag übersteige. Ab dem 1.10.1984 wird der Schadenersatzanspruch des Klägers auf Grund seines Verdienstentgangsbegehrens nur mit der von ihm selbst angestreben abstrakten Rente abgegolten. Die Bedachtnahme auf die konkreten Verhältnisse der Verdienstentgangsberechnung ist daher nicht möglich.

Das Verdienstentgangsbegehren des Klägers ist daher einerseits von der Geltendmachung bis zum 22.12.1984 wegen Verjährung und andererseits ab 1.10.1984 auf Grund des rechtskräftigen Zuspruchs einer abstrakten Rente unberechtigt. Dies haben die Vorinstanzen im wesentlichen richtig erkannt. Die gegenteiligen Argumente des Klägers sind nicht stichhaltig.

Seiner Revision war daher der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte