Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 17.518,38 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.592,58, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 21.November 1980 ereignete sich gegen 9,30 Uhr auf der Westautobahn (Richtungsfahrbahn Linz) auf Höhe der Auffahrt Amstetten-West ein Verkehrsunfall, an dem unter anderen Wolfgang T*** als Lenker des VW-Bus der Klägerin mit dem Kennzeichen BH 71.337 und der Zweitbeklagte als Halter und Lenker des aus dem LKW mit dem Kennzeichen O-626.962 und dem Anhänger mit dem Kennzeichen O-126.967 bestehenden bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten LKW-Zugs beteiligt waren. T*** fuhr mit dem von ihm gelenkten VW-Bus auf den auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn fahrenden LKW-Zug auf. Dabei erlitt der im VW-Bus mitfahrende Roman B*** so schwere Verletzungen, daß er noch an der Unfallstelle verstarb. Später fuhr noch ein anderes Fahrzeug auf den VW-Bus auf. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde Wolfgang T*** mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 11.Mai 1981, 18 E Vr 80/81-19, rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, fahrlässig den Tod des Roman B*** dadurch herbeigeführt zu haben, daß er mit dem von ihm gelenkten VW-Bus infolge Einhaltung einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit bei Nebel mit einer Sichtweite von ca 100 m auf den auf dem ersten Fahrstreifen fahrenden LKW-Zug des Zweitbeklagten auffuhr. Der Zweitbeklagte wurde hingegen mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 28.Mai 1981, 19 E Vr 782/81-11, von der gegen ihn wegen dieses Verkehrsunfalls erhobenen Anklage rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 220.589,19 s.A; weiters begehrte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle Leistungen, die sie auf Grund des vom Zweitbeklagten am 21.November 1980 verschuldeten Verkehrsunfalls, bei dem Roman B*** getötet wurde, an dessen Witwe Eva B*** und an die Waisen Rene und Klaus-Peter B*** auf Grund der Bestimmungen des Heeresversorgungsgesetzes erbringt und zu erbringen haben wird, soweit diese Leistungen in den Direktansprüchen der Witwe und der Waisen ohne Berücksichtigung der Legalzession Deckung finden, wobei die Haftung der Erstbeklagten auf die Haftungshöchstsumme nach dem bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag beschränkt ist.
Die Klägerin brachte im wesentlichen vor, der Zweitbeklagte habe den Unfall dadurch verschuldet, daß er seinen LKW-Zug unter Mißachtung des Vorrangs des auf dem rechten Fahrstreifen herannahenden VW-Bus trotz schlechter Sichtverhältnisse - es habe infolge Nebels Sicht auf höchstens 60 m bestanden - vom Beschleunigungsstreifen auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn gelenkt habe. Dem Lenker des VW-Bus sei es nicht mehr möglich gewesen, eine Kollision mit dem LKW-Zug zu verhindern. Er sei mit der rechten Frontseite des von ihm gelenkten Fahrzeugs gegen die linke hintere Ladebordwand des LKW-Zugs gestoßen.
Die Klägerin habe bisher nach den Bestimmungen des Heeresversorgungsgesetzes an die Witwe des Getöteten Eva B*** und an die Waisen Rene und Klaus-Peter B*** an Sterbegeld, Witwenrente und Waisenrenten bis 30.November 1983 Leistungen in der Höhe von S 274.109,-- erbracht, für die ein Deckungsfonds in der Höhe von S 220.589,19 vorhanden sei. Auch in Hinkunft werde sie derartige Leistungen zu erbringen haben. Die Schadenersatzansprüche der Witwe und der Waisen seien gemäß § 94 HVG im Umfang der erbrachten und zu erbringenden Leistungen auf die Klägerin übergegangen. Das Klagebegehren werde auch auf die Halterhaftung des Zweitbeklagten nach dem EKHG gestützt. Es liege kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 EKHG vor.
Die Beklagten wendeten dem Grund nach im wesentlichen ein, daß den Zweitbeklagten kein Verschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Er habe den Vorrang des Fahrzeugs der Klägerin nicht verletzt, weil dieses, als der LKW-Zug auf den ersten Fahrstreifen der Autobahn gelenkt worden sei, infolge der schlechten Sichtverhältnisse noch nicht sichtbar gewesen sei. Zum Unfall sei es nur deshalb gekommen, weil T*** mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei oder verspätet reagiert habe. Auch der Höhe nach wurde das Klagebegehren bestritten.
Das Erstgericht wies nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
An der Unfallstelle weist die Richtungsfahrbahn Linz der Westautobahn eine 7,5 m breite Betonfahrbahn auf, die durch eine Leitlinie in zwei je 3,75 m breite Fahrstreifen geteilt wird. An den rechten Rand dieser Betonfahrbahn schließt ein 3,5 m breiter Beschleunigungsstreifen der Auffahrt Amstetten-West an. In Richtung Linz gesehen verläuft die Westautobahn nach einer leichten Rechtskurve ca 25 m völlig geradlinig bis zum Ende der zwischen dem Beschleunigungsstreifen und dem ersten Fahrstreifen der Autobahn bestehenden Sperrlinie und darüber hinaus noch über eine Strecke von etwa 50 m. Danach beginnt eine langgezogene Linkskurve. Ein Fahrzeuglenker, der die Auffahrt Amstetten-West zur Richtungsfahrbahn Linz befährt, fährt ab ca 100 m vor dem Ende der Sperrlinie im Beschleunigungsstreifen parallel zur Westautobahn; bereits ab diesem Bereich verläuft die erwähnte Sperrlinie. An diese Sperrlinie schließt dann eine Leitlinie zwischen dem Beschleunigungsstreifen und dem ersten Fahrstreifen der Autobahn an. 150 m nach dem Ende der Sperrlinie ist auf dem Beschleunigungsstreifen auf der Fahrbahn ein Linksabbiegepfeil aufgebracht; es folgen dann weitere solche Gebotspfeile als Bodenmarkierung. Die Breite des Beschleunigungsstreifens beträgt gleichbleibend bis 200 m nach dem Ende der Sperrlinie 3,5 m; danach verringert sich diese Breite allmählich. 230 m nach dem Ende der Sperrlinie ist der Beschleunigungsstreifen 3 m breit; er endet 320 m nach dem Ende der Sperrlinie keilförmig. Bei günstigen Witterungsverhältnissen besteht für den gesamten Bereich des Beschleunigungsstreifens Sichtmöglichkeit auf den Nachfolgeverkehr auf mindestens 300 m.
Zur Unfallszeit herrschte Tageslicht, jedoch starker Nebel von wechselnder Dichte. Die Sicht wechselte von einem Mindestmaß von 50 bis 60 m bis zu maximal 100 m.
Der Zweitbeklagte näherte sich mit seinem 16 m langen LKW-Zug dem Unfallsbereich über die Auffahrt Amstetten-West. Er war im Bereich des Beschleunigungsstreifens, der vom ersten Fahrstreifen der Autobahn noch durch eine Sperrlinie getrennt ist, mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h unterwegs. Noch vor Erreichen jenes Bereichs, in dem die Sperrlinie zwischen dem Beschleunigungsstreifen und dem ersten Fahrstreifen der Autobahn in eine Leitlinie übergeht, beobachtete der Zweitbeklagte den Verkehr auf der Autobahn. Er konnte zu diesem Zeitpunkt kein sich näherndes Fahrzeug wahrnehmen. Er setzte daher den linken Blinker und begann unmittelbar nach dem Ende der Sperrlinie sein Fahrzeug zügig nach links in den ersten Fahrstreifen der Autobahn auszulenken. Auch dabei beobachtete er vorerst noch weiter einen eventuell nachfolgenden Verkehr, konnte aber auch zu diesem Zeitpunkt kein nachfolgendes Fahrzeug wahrnehmen. Im Zug des Linksauslenkens begann der Zweitbeklagte den LKW-Zug zu beschleunigen. Er hatte bereits eine Wegstrecke von 82 m auf dem ersten Fahrstreifen der Autobahn zurückgelegt, als T*** mit dem VW-Bus der Klägerin gegen den linken Heckbereich des LKW-Zugs auffuhr. Der Zweitbeklagte war zu diesem Zeitpunkt mit seinem LKW-Zug mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 55 km/h unterwegs und hatte im ersten Fahrstreifen der Autobahn bereits eine Wegstrecke von 38,25 m in achsenparalleler Fahrlinie zurückgelegt.
T*** näherte sich dem Unfallbereich im ersten Fahrstreifen der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 85 km/h. Das Einfahren des Zweitbeklagten mit seinem LKW-Zug nahm er, bedingt durch den im Unfallbereich herrschenden Nebel, nicht wahr.
Die Kollisionsgeschwindigkeit des VW-Bus betrug rund 85 km/h. T*** führte vor der Kollision keine Bremsung durch und entschloß sich zur Abwehrhandlung rund 2 Sekunden nach jenem Zeitpunkt, in welchem ihm die Gefahr erstmalig auffällig werden konnte. Um die Kollision zu verhindern, hätte T*** den VW-Bus von 85 km/h auf 55 km/h abbremsen müssen. Bei einer Verzögerung von 6,5 m/sec2 auf der nebelfeuchten Betonfahrbahn hätte er unter Berücksichtigung einer Vorbremszeit von einer Sekunde eine Abwehrzeit von 2,3 Sekunden und eine Abwehrstrecke von rund 49 m benötigt. In dieser Zeit legte der beschleunigende LKW-Zug rund 34 m zurück, sodaß bei Gefahrenerkennung zu einem Zeitpunkt, als der Tiefenabstand zwischen den beiden Fahrzeugen 15 m betrug, T*** die Kollision durch eine Vollbremsung noch hätte verhindern können. Abgesehen davon hätte T*** bei aufmerksamer Fahrweise rechtzeitig in den zweiten Fahrstreifen der Autobahn hinüberwechseln können (was er dann auch, allerdings viel zu spät, versuchte), denn zu diesem Zeitpunkt befand sich im zweiten Fahrstreifen der Autobahn kein weiteres Fahrzeug.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Zweitbeklagte den Unfall nicht verschuldet habe. Es sei ihm weder eine Vorrangverletzung noch ein unzulässiger Fahrstreifenwechsel anzulasten. Der Lenker des Fahrzeugs der Klägerin habe es unterlassen, seine Fahrweise den gegebenen Sichtverhältnissen anzupassen und habe überdies verspätet auf den vor ihm befindlichen LKW-Zug reagiert. Er habe gegen die Bestimmungen des § 20 Abs 1 StVO verstoßen. Bei Vorliegen besonderer sichtbehindernder Umstände, wie bei Nebel, sei auch auf Autobahnen auf Sicht zu fahren. Der Zweitbeklagte habe nachgewiesen, daß das Auffahren des Fahrzeugs der Klägerin auf den LKW-Zug ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Er habe die im § 9 Abs 2 EKHG gebotene Sorgfalt beachtet. Eine Haftung der Beklagten für den Tod des Roman B*** sei daher dem Grund nach zu verneinen. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hat, in Ansehung sowohl der Ansprüche der Witwe als auch der Ansprüche jedes der beiden Waisen, die die Klägerin als Legalzessionar geltend macht, S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, die Anwendbarkeit der Vorrangbestimmungen setze die Wahrnehmbarkeit des anderen Fahrzeugs voraus. Sei es dem Wartepflichtigen auch bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht möglich, das andere Fahrzeug wahrzunehmen, kämen die Bestimmungen über den Vorrang nicht zum Tragen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß das Nichtwahrnehmen des VW-Bus auf ein Fehlverhalten des Zweitbeklagten zurückzuführen sei. Der Zweitbeklagte habe vor dem ordnungsgemäß angezeigten Fahrstreifenwechsel, aber auch noch während desselben, die Autobahn beobachtet, habe aber wegen des dichten Nebels dort keine nachfolgenden Fahrzeuge wahrnehmen können. Zum Unfall sei es gekommen, weil T*** infolge überhöhter Geschwindigkeit und eines Aufmerksamkeitsfehlers auf den LKW-Zug aufgefahren sei, nachdem dieser bereits eine Strecke von über 38 Metern in achsenparalleler Fahrlinie im ersten Fahrstreifen zurückgelegt gehabt habe.
Der Zweitbeklagte habe auch nicht gegen § 46 Abs 2 StVO verstoßen. Danach sei beim Einfahren in eine Autobahn der Beschleunigungsstreifen zu benützen. Dies habe der Zweitbeklagte getan. Ab der Stelle, an der die Sperrlinie, die den Beschleunigungsstreifen vom ersten Fahrstreifen der Autobahn trenne, in eine Leitlinie übergehe, habe der Zweitbeklagte, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß sich kein bevorrangtes Fahrzeug näherte, den Fahrstreifenwechsel durchführen dürfen. Daß er den Fahrstreifenwechsel erst am Ende des Beschleunigungsstreifens hätte durchführen dürfen, könne aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden. Im übrigen hätte der Zweitbeklagte, wäre er auf dem Beschleunigungsstreifen bis zu dessen Ende weitergefahren, keine besseren Beobachtungsmöglichkeiten hinsichtlich der nachfolgenden Fahrzeuge vorgefunden. Es treffe nicht zu, daß ein besonders aufmerksamer Fahrzeuglenker bei der gegebenen Situation den Fahrstreifenwechsel erst am Ende des Beschleunigungsstreifens hätte durchführen dürfen.
Dem Zweitbeklagten sei somit kein Verstoß gegen die Bestimmungen der StVO anzulasten; er habe auch jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG beobachtet. Der Zweitbeklagte hätte den Unfall nur vermeiden können, wenn er im Hinblick auf die herrschenden ungünstigen Sichtverhältnisse überhaupt von einer Auffahrt auf die Autobahn Abstand genommen hätte. Auch wenn die Sorgfaltspflicht im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG nicht nur die gewöhnliche Verkehrssorgfalt umfasse und das Verhalten eines besonders umsichtigen und sachkundigen Fahrzeuglenkers als Maßstab heranzuziehen sei, dürfe die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden, da man sonst zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Erfolgshaftung käme.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß der Klagsanspruch dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehend erkannt werde".
Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Klägerin versucht mit ihren Revisionsausführungen darzutun, daß dem Zweitbeklagten ein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall anzulasten sei, daß er aber zumindest nicht jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG beachtet habe.
Soweit die Klägerin in ihren weitwendigen Revisionsausführungen von einem feststellungsfremden Sachverhalt ausgeht, ist ihre Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt und ist dazu nicht Stellung zu nehmen.
Im übrigen ist den Revisionsausführungen folgendes zu entgegnen:
Die Klägerin macht im vorliegenden Rechtsstreit auf sie im Sinn des § 94 Abs 1 HVG übergegangene Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen des getöteten Roman B*** geltend. Es handelt sich dabei nicht um gegenseitige Ersatzansprüche von Beteiligten im Sinn des § 11 Abs 1 EKHG, sondern um gegen einen von mehreren Schädigern gerichtete Schadenersatzansprüche im Sinn der §§ 1327 ABGB, 12 EKHG, für deren Beurteilung die Frage einer allfälligen (zusätzlichen) Haftpflicht des Wolfgang T*** ohne Bedeutung ist. Entscheidend für die Beurteilung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ist somit nur, ob den Zweitbeklagten ein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall trifft (was die Haftung der Beklagten nach den Bestimmungen des ABGB zur Folge hätte) und ob die Beklagten nach den Bestimmungen des EKHG für die Unfallsfolgen einzustehen haben.
Beides haben die Vorinstanzen entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsmeinung zutreffend verneint.
Geht man von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt aus, dann kann zunächst in der Fahrweise des Zweitbeklagten eine schuldhafte Übertretung von Straßenverkehrsvorschriften nicht erblickt werden.
Es kann hier ununtersucht bleiben, ob das Fahrmanöver des Zweitbeklagten (Einfahren aus einem Beschleunigungsstreifen im Sinn des § 2 Abs 1 Z 6c StVO auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn) nach den im § 19 StVO normierten Vorrangregeln oder den im § 11 StVO aufgestellten Vorschriften für den Fahrstreifenwechsel zu beurteilen ist (siehe dazu MGA StVO8 § 46 Anm 8). Denn in beiden Fällen war der Zweitbeklagte gehalten, den Verkehr auf dem ersten Fahrstreifen der Autobahn, in den er einzufahren beabsichtigte, in seiner tatsächlichen Gestaltung zu beachten und in den ersten Fahrstreifen der Autobahn nur dann einzufahren, wenn dies ohne Gefährdung oder Behinderung diesen Fahrstreifen befahrender Verkehrsteilnehmer möglich war. Nichts anderes ist aus der Vorschrift des § 46 Abs 2 dritter Satz StVO zu entnehmen.
Nach ständiger Rechtsprechung (ZVR 1983/331; ZVR 1985/154; ZVR 1986/27 uva), setzt die im § 19 Abs 7 StVO normierte Wartepflicht die Wahrnehmbarkeit des bevorrangten Fahrzeugs durch den Benachrangten bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit voraus. Das gleiche muß auch für die im § 11 Abs 1 StVO normierte Verpflichtung des den Fahrstreifen Wechselnden gelten. Ist also der Wartepflichtige auch bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht in der Lage, zu erkennen, daß ihn im konkreten Fall eine Wartepflicht trifft, dann kann ihm ein schuldhafter Verstoß gegen diese Pflicht nicht angelastet werden.
Dies trifft im vorliegenden Fall nach den Feststellungen der Vorinstanzen uneingeschränkt auf den Zweitbeklagten zu, der während seiner Fahrt auf dem Beschleunigungsstreifen und während seiner Einfahrt in den ersten Fahrstreifen der Autobahn nach einem allfälligen Folgeverkehr Ausschau hielt, infolge des herrschenden starken Nebels aber keine Möglichkeit hatte, den sich auf dem ersten Fahrstreifen der Autobahn nähernden VW-Bus zu erkennen. Aus der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Verpflichtung des Wartepflichtigen, sich bei örtlich bedingten schlechten Sichtverhältnissen nötigenfalls schrittweise vorzutasten, ist im vorliegenden Fall für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, weil diese Verpflichtung jedenfalls nur dort sinnvoll ist, wo infolge einer bloß örtlich bedingten Sichtbehinderung durch ein solches Fahrverhalten das Sehen und Gesehenwerden gefahrenmindernd verbessert werden kann, dies aber im Fall einer allgemeinen Sichtbehinderung durch Nebel nicht zutrifft (vgl RZ 1989/112). Verkehrsrechtlche Bestimmungen, die dem Zweitbeklagten im Sinn der Revisionsausführungen der Klägerin bei den gegebenen schlechten Sichtverhältnissen das Einfahren in die Autobahn überhaupt verboten hätten, die ihn verpflichtet hätten, den Beschleunigungsstreifen in seiner ganzen Länge auszufahren und dabei seinen LKW-Zug weiter zu beschleunigen und die ihm die Abgabe besonderer Signale oder gar den Einsatz seines Beifahrers zur Warnung der Lenker auf der Autobahn herankommender Fahrzeuge vorgeschrieben hätten, bestehen nicht. Dabei ist insbesondere der Hinweis angebracht, daß es sich bei der im § 46 Abs 1 erster Satz StVO genannten Geschwindigkeit von 40 km/h um eine Bauartgeschwindigkeit handelt, nicht aber um eine einzuhaltende Mindestgeschwindigkeit im Sinn des § 52 Z 19 StVO. Eine schuldhafte Verletzung von Verkehrsvorschriften durch den Zweitbeklagten ist unter diesen Gesichtspunkten in seiner von den Vorinstanzen festgestellten Fahrweise nicht zu erkennen. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr, die im Sinn des § 9 Abs 2 letzter Halbsatz EKHG die Erbringung des Entlastungsbeweises durch die Beklagten ausschließen würde, ging vom LKW-Zug des Zweitbeklagten nicht aus. Diese ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer nicht schon im normalen Betrieb gelegener Umstände vergrößert werden. Der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr ist funktionell darin zu erblicken, daß zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere (durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs begründete) Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon dadurch gegeben waren, daß ein Kraftfahrzeug überhaupt in Betrieb gesetzt wurde. Das entscheidende Kriterium für die Annahme einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr liegt darin, daß das Kraftfahrzeug in einer Weise verwendet wird, daß dadurch eine Gefahrenlage eintritt, die mit dem normalen und ordnungsgemäßen Betrieb nicht verbunden ist (ZVR 1984/129; ZVR 1984/328; ZVR 1988/64; 2 Ob 138/88 ua). Für einen mit langsamer Geschwindigkeit aus einem Beschleunigungsstreifen in die Autobahn einfahrenden LKW-Zug trifft dies nicht zu. Die schlechten Sichtverhältnisse infolge Nebels haben mit der Beurteilung der durch den Betrieb des LKW-Zugs begründeten Betriebsgefahr nichts zu tun. Eine vom LKW-Zug des Zweitbeklagten ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr im Sinn des § 9 Abs 2 letzter Halbsatz EKHG lag somit nicht vor.
Mit Recht haben die Vorinstanzen entgegen der in der Revision der Klägerin vertretenen Ansicht unter den im vorliegenden Fall festgestellten Umständen den den Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG als erbracht angesehen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß von der Unabwendbarkeit eines Ereignisses im Sinn dieser Gesetzesstelle nur dann gesprochen werden kann, wenn sowohl der Halter als auch die mit seinem Willen beim Betrieb tätigen Personen jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beachtet haben und daß diese Sorgfaltspflicht die äußerste, nach den Umständen des Falls mögliche Sorgfalt umfaßt. Als Maßstab ist die Sorgfalt eines sachkundigen und besonders umsichtigen Fachmanns heranzuziehen, wobei an diese Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen sind. Diese erhöhte Sorgfaltspflicht setzt nicht erst in der Gefahrenlage ein; sie verlangt vielmehr, daß von vornherein das Entstehen einer Gefahrenlage vermieden wird. Allerdings darf diese Sorgfaltspflicht auch nicht überspannt werden, um nicht eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung zu bewirken. Bei Prüfungen der Voraussetzungen des § 9 Abs 2 EKHG dürfen somit keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (ZVR 1984/150; ZVR 1987/11; 8 Ob 74/87 uva).
Es wurde bereits oben ausgeführt, daß die festgestellte Fahrweise des Zweitbeklagten den verkehrsrechtlichen Vorschriften entsprach. Der Zweitbeklagte hat aber darüber hinaus auch jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG im eben dargestellten Sinn beachtet. Entgegen den Revisionsausführungen konnte vom Zweitbeklagten unter den gegebenen Verhältnissen auch bei Anlegung eines der Sorgfalt eines sachkundigen und besonders umsichtigen Kraftfahrers entsprechenden Sorgfaltsmaßstabs nicht verlangt werden, von der Einfahrt in die Autobahn überhaupt Abstand zu nehmen, sie durch besondere Signale anzukündigen oder die Lenker auf der Autobahn herankommender Fahrzeuge durch seinen Mitfahrer warnen zu lassen. Auch bei Anlegung eines solchen Sorgfaltsmaßstabs war vom Zweitbeklagten nicht zu verlangen, den Beschleunigungsstreifen in voller Länge unter Erhöhung der Geschwindigkeit des LKW-Zugs auszufahren und dann erst in den ersten Fahrstreifen der Autobahn einzufahren, zumal der Zweitbeklagte auch bei einer solchen Fahrweise keine besseren Sichtverhältnisse erwarten und überdies nicht im vorhinein wissen konnte, ob der Verkehr auf der Autobahn dann, wenn er das Ende des Verzögerungsstreifens erreichte, das Einfahren in den ersten Fahrstreifen der Autobahn ermöglichen werde. Mit diesen Anforderungen an die Fahrweise des Zweitbeklagten überspannt die Klägerin die ihm im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG obliegende Sorgfaltspflicht bei weitem. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen befuhr der Zweitbeklagte den Beschleunigungsstreifen mit einer bei den gegebenen schlechten Sichtverhältnissen nicht zu beanstandenden Geschwindigkeit von 30 km/h, zeigte den geplanten Fahrstreifenwechsel ordnungsgemäß an, beobachtete den Verkehr auf der Autobahn vor dem Einfahren in den ersten Fahrstreifen und während dieses Fahrmanövers, wobei er den sich nähernden VW-Bus infolge des herrschenden Nebels nicht erkennen konnte, und beschleunigte schließlich die Geschwindigkeit seines LKW-Zugs vom Einfahren in den ersten Fahrstreifen der Autobahn bis zum Unfall auf 55 km/h. Eine andere Fahrweise kann von ihm auch bei Anlegung des im § 9 Abs 2 EKHG normierten strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht verlangt werden.
Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen auch nach den Bestimmungen des EKHG eine Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen abgelehnt.
Der Revision der Klägerin muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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