OGH 2Ob14/84

OGH2Ob14/8410.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf R*****, vertreten durch Dr. Günther Romach, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) W*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, 2.) I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, 3.) E*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Oswald Karminski-Pielsticker, Rechtsanwalt in Wien, wegen 55.029,70 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 1983, GZ 17 R 40/83-75, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. November 1982, GZ 31 Cg 802/81-68, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen aller drei beklagten Parteien werden zurückgewiesen.

Die Beklagten haben dem Kläger die mit 3.069,18 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 240 S Barauslagen und 257,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 5. Februar 1977 ereignete sich auf der Richtungsfahrbahn Salzburg der Westautobahn auf der vereisten Almtalbrücke ein Verkehrsunfall. Maria Luise R***** geriet damals mit dem vom Kläger gehaltenen PKW ins Schleudern und kam in der Folge zum Stillstand. Der hinter ihr fahrende Franz T***** stieß mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW gegen das Fahrzeug des Klägers, sodann kollidierte Ludwig K***** mit seinem bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten PKW mit dem PKW T*****s und stieß diesen neuerlich gegen das Fahrzeug des Klägers und schließlich kam es zu einer Kollision zwischen dem von Erich B***** gelenkten, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKW mit den Fahrzeugen des Ludwig K***** und des Klägers.

Der Kläger begehrte, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihm einen Schadenersatzbetrag von 55.029,70 S samt Zinsen zu bezahlen.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und begründete dies hinsichtlich der Drittbeklagten damit, der Kläger habe weder behauptet noch bewiesen, welcher Schaden durch das Auffahren des bei dieser Beklagten versicherten PKW entstanden sei. Das Berufungsgericht hob das im ersten Rechtsgang ergangene Ersturteil auf und führte unter anderem aus, allfällige Unklarheiten über das Ausmaß des Schadens gingen zu Lasten der Drittbeklagten.

Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger einen Betrag von 27.514,85 S samt Zinsen zu bezahlen. Die Drittbeklagte wurde außerdem zur Zahlung eines weiteren Betrags von 4.261,25 S samt Zinsen verurteilt. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Drittbeklagten nicht Folge, wohl aber teilweise jener der Erst- und Zweitbeklagten und änderte das Ersturteil dahin ab, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, dem Kläger 19.860 S samt Zinsen zu bezahlen. Die Drittbeklagte wurde zur Bezahlung eines weiteren Betrags von 11.916 S samt Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht wies das Mehrbegehren ab und erklärte die Revision für zulässig.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen aller drei Parteien mit den Anträgen auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Keine der Revisionen ist zulässig.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts war die Vereisung auf der Brücke für Kraftfahrer nicht vorhersehbar, das Schleudern des PKWs des Klägers muss nicht auf einen Fahrfehler der Lenkerin zurückzuführen sein, es kann auch durch Fahrbahnunebenheiten oder Windstöße verursacht worden sein. Die Ursache des Schleuderns ist nicht feststellbar, ebensowenig, welche Schäden durch die einzelnen Anstöße erfolgten. Das Strafgericht verurteilte Erich B*****, den Lenker des bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKWs, den Unfall durch verspätete Reaktion verschuldet zu haben. Der Schaden des Klägers wurde vom Erstgericht mit 39.720 S ermittelt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, gemäß § 268 ZPO sei von einem Verschulden des Erich B***** auszugehen. Ein Verschulden der Lenker der anderen Fahrzeuge habe nicht nachgewiesen werden können. Ein Entlastungsbeweis sei jedoch weder dem Kläger noch der Erst- und der Zweitbeklagten gelungen. Zu berücksichtigen sei die auf das Glatteis zurückzuführende besondere Betriebsgefahr der Fahrzeuge. Der Schaden sei im Verhältnis 1 (Kläger) zu 1 (Erstbeklagte) zu 1 (Zweitbeklagte) zu 2 (Drittbeklagte) zu teilen. Der Kläger habe daher ein Fünftel seines Schadens selbst zu tragen. Den übrigen Schaden hätten die Beklagten solidarisch zu ersetzen und seien bezüglich des Ausgleichs auf das Innenverhältnis verwiesen. Hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten sei nur mehr ein Betrag von 27.514,85 S offen, bis zu diesem Betrag bestehe ihre Haftung gemeinsam mit dem Drittbeklagten. Dieser hafte auch für den weiteren Betrag.

Das Berufungsgericht führte aus, die Erst- und Zweitbeklagte treffe ebenso wie den Kläger eine Haftung wegen außergewöhnlicher Betriebsgefahr aufgrund des Glatteises. Die Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1: 1 : 2 sei zu billigen, ebenso die Ansicht des Erstgerichts über die Solidarhaftung der Beklagten mangels Bestimmbarkeit der Schadensanteile. Die Erst- und Zweitbeklagte hätten je ein Fünftel des Schadens zu tragen, würden jedoch gemäß § 1302 ABGB zufolge der Verschuldsteilung im Verhältnis von 1 : 1 für die Hälfte des Schadens haften, somit für 19.860 S, nicht jedoch solidarisch für den ganzen Schaden. Der Drittbeklagte haftet zufolge der erhöhten Mitverschuldensquote im Außenverhältnis zu 4/5 und könne allenfalls gegen die Erst- und Zweitbeklagte Regress nehmen, soweit er mehr als 2/5 geleistet habe.

1.) Zur Revision der Drittbeklagten:

Hinsichtlich dieser Partei liegt ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichts vor. Wohl ist in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Drittbeklagten insofern eine bindende Rechtsansicht enthalten, als ausgesprochen wurde, dass Unklarheiten über das Ausmaß des Schadens zu Lasten der Drittbeklagten gingen. Gemäß § 502 Abs 3 letzter Satz ZPO ist eine Revision gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichts daher nicht ausgeschlossen, sie hat allerdings zur Voraussetzung, dass das Urteil wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, von der das Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss ausgegangen ist, angefochten wird. Die Drittbeklagte bekämpft allerdings die sie betreffende bindend ausgesprochene Rechtsansicht des Berufungsgerichts in der Revision nicht. Zur Schadenshöhe wird lediglich unter der Bezeichnung „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ ausgeführt, Feststellungen über den von Erich B***** herbeigeführten Schaden wären möglich gewesen, ebenso darüber, welche Schäden schon vor der Kollision seines Fahrzeugs mit dem PKW des Klägers entstanden seien. Die Drittbeklagte bekämpft also hier nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, sondern wendet sich in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Mit der Rechtsrüge erörtert die Drittbeklagte lediglich Rechtsfragen, die nicht Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses waren.

Die Revision der Drittbeklagten ist daher trotz der im Aufhebungsbeschluss bindend ausgesprochenen Rechtsansicht unzulässig (JBl 1961, 92 uva, zuletzt 1 Ob 620/83).

2.) Zu den Revisionen der erst- und zweibeklagten Partei:

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, Ausmittlungen von Mehrbeteiligten-Unfällen seien noch nicht in solchem Umfang judiziert worden, dass eine gefestigte Rechtsprechung vorliege. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof zunächst in ZVR 1978/207 = EvBl 1978/84, ausführlich die Grundsätze über die proportionale Verteilung des Schadens auf mehrere Verantwortliche einschließlich des mitschuldigen Geschädigten durch Einzel- und Gesamtabwägung dargelegt hat, wenn mehrere Schädiger in Anspruch genommen werden. Die in dieser Entscheidung vertretene Ansicht wurde in 8 Ob 88/78 und in ZVR 1981/16 wiederholt. Auch in 2 Ob 89/80, 2 Ob 104/80, 8 Ob 45/82 und 2 Ob 97/83 wurde auf die Entscheidung ZVR 1978/207 Bezug genommen, die dort angeführten Grundsätze aber deshalb für unanwendbar erklärt, weil mit der Klage jeweils nur ein Geschädigter belangt worden war. Zur Frage, wegen der das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärte, ist daher eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorhanden. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung erkannte das Berufungsgericht die Erst- und Zweitbeklagte, obwohl im Rahmen der Gesamtabwägung auf sie nur 1/5 entfällt, zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die Hälfte seines Schadens zu ersetzen, weil im Verhältnis zwischen dem Kläger und jedem dieser Beklagten von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 auszugehen ist. Auch die weiteren Rechtsfragen, die das Berufungsgericht erörterte bzw welche in den Revisionen aufgeworfen werden, sind nicht geeignet, die Revision iSd § 502 Abs 1 Z 4 ZPO als zulässig anzusehen. So entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass eine außergewöhnliche Betriebsgefahr vorliegt, wenn zu den regelmäßig mit den Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbundenen Gefahren besondere Umstände (hier Glatteis) hinzutreten, die die Gefahr vergrößern. Ebenso entspricht die Solidarhaftung mangels Bestimmbarkeit der Schadensanteile (dass jedes der Fahrzeuge zur Beschädigung des PKWs des Klägers beitrug, steht fest) der ständigen Rechtsprechung (JBl 1982/266 uva). Ausgehend davon, dass Kläger, Erstbeklagte und Zweitbeklagte für eine besondere Betriebsgefahr einzustehen haben, die Drittbeklagte hingegen für ein Verschulden, wich das Berufungsgericht bei der Schadensteilung von 1 : 1 :1 : 2 keinesfalls von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab. Diese Verschuldensteilung betrifft überdies nur den Einzelfall und stellt daher keine Rechtsfrage dar, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die Revisionen der Erst- und Zweitbeklagten, soweit sie davon ausgehen, dass der Klägerin ein Fahrfehler und daher ein Verschulden anzulasten sei, vom festgestellten Sachverhalt abweichen.

Aus diesen Gründen sind auch die Revisionen der Erst- und Zweitbeklagten nicht zulässig.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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