Normen
JN §54
JN §56
JN §60
Rechtsanwaltstarif Art1
Rechtsanwaltstarif §7
Wertgrenzennovelle 1947 ArtXI
ZPO §431
ZPO §447
ZPO §448
JN §54
JN §56
JN §60
Rechtsanwaltstarif Art1
Rechtsanwaltstarif §7
Wertgrenzennovelle 1947 ArtXI
ZPO §431
ZPO §447
ZPO §448
Spruch:
Über Antrag des Beklagten kann das Gericht bei offenbar unrichtiger Bewertung den Streitwert über die Bagatellgrenze erhöhen, ihn aber nicht unter diese Grenze herabsetzen.
Entscheidung vom 13. August 1949, 2 Ob 142/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Raabs a. d. Thaya; II. Instanz:
Kreisgericht Krems.
Text
Die Klägerin begehrt mit der Begründung, sie habe von der beklagten Partei zum Zwecke der Errichtung eines Behelfsheimes das Teilstück einer Parzelle am 17. August 1944 um den Betrag von 99 RM gekauft, die beklagte Partei verweigere die Zulassung der endgültigen Vermarkung und die Errichtung eines einverleibungsfähigen Kaufvertrages, die Verurteilung der beklagten Partei zur Zulassung der endgültigen Vermarkung des Teilstückes durch das Bezirksvermessungsamt und zur Einwilligung in die grundbücherliche Abschreibung und Einverleibung des Eigentumsrechtes und zur Ausstellung einer verbücherungsfähigen Urkunde; sie bewertete den Streitgegenstand mit 2000 S.
Über Antrag der beklagten Partei sprach das Prozeßgericht aus, daß die Rechtssache nach den Bestimmungen über das Verfahren in Bagatellsachen gemäß § 448 ZPO. durchzuführen sei, weil die Klägerin das Grundstück um den Betrag von 99 RM gekauft habe, und in der Klage nur die Gegenleistung des Verkäufers aus dem Kaufvertrage begehrt werde, die nicht höher als der Kaufpreis veranschlagt werden könne, wobei es sich auf den Standpunkt stellte, daß die in der Zwischenzeit erfolgte Errichtung eines Hauses auf dem Grundstück durch die Klägerin für die Bewertung außer Betracht zu bleiben habe, da der Wert der Gegenleistung der beklagten Partei hiedurch nicht geändert worden sei.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der beklagten Partei abgewiesen und das Prozeßgericht angewiesen werde, über die Klage das in den §§ 431 bis 447 ZPO. geregelte Verfahren vor den Bezirksgerichten einzuleiten. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß die Bestimmungen des § 60 JN. auf den vorliegenden Fall keine Anwendung zu finden haben und daß im bezirksgerichtlichen Verfahren das von der klagenden Partei in der Klage angeführte Streitinteresse nicht geändert werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Gemäß § 56 Abs. 2 JN. hat der Kläger in den Fällen, in welchen der Wert des Streitgegenstandes nicht in einem Geldbetrag besteht, den Wert in der Klage anzugeben. Eine Änderung dieser durch den Kläger erfolgten Bewertung durch das Gericht ist im Gesetze nur in zwei Fällen vorgesehen, nämlich wenn in einer bei einem Gerichtshof eingebrachten Klage die Bewertung übermäßig hoch gegriffen ist und bei richtiger Bewertung die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte (§ 60 JN.) und bei der Bewertung für die Bemessung der Rechtsanwaltsgebühren (Art. I § 7 RATar.). Dennoch hat sowohl die Lehre (Neumann, II, S. 1226, Anm. 2; Sperl, Lehrbuch, I, S. 547; Hermann zu § 448; Fragebeantwortung des JM. zu § 448 ZPO.) als auch der überwiegende Teil der Rechtsprechung (SZ. VIII/212, SZ. XVIII/61, ZBl. 1928, Nr. 44, 1 Ob 657/35 vom 23. August 1935 u. a. m.) die Änderung des vom Kläger in der Klage angeführten Streitwertes durch das Gericht in dem Falle für zulässig erklärt, als nach der vom Kläger vorgenommenen Bewertung die Rechtssache im Verfahren in Bagatellsachen zu verhandeln wäre, der Beklagte aber den Beweis erbringt, daß die Bewertung des Klägers unrichtig ist. Diese Rechtsmeinung beruht auf der Erwägung, daß es den öffentlichen Grundsätzen des Prozeßrechtes widersprechen würde, wenn es dem Kläger freigestellt sein sollte, durch geringere Bewertung des Streitgegenstandes die Entscheidung im Bagatellverfahren herbeizuführen und den Beklagten hiedurch um die Möglichkeit des Rechtszuges zu bringen. Diese rechtspolitischen Erwägungen können auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden, in welchem nach der Bewertung der Klägerin die Sache im bezirksgerichtlichen Verfahren zu behandeln ist und der Beklagte die Bemängelung des Streitwertes vornimmt, um die Überleitung der Sache in das Bagatellverfahren herbeizuführen und der Klägerin die Möglichkeit zur Ergreifung eines Rechtsmittels zu nehmen. Dem Beschluß des Prozeßgerichtes mangelt daher die Rechtsgrundlage.
Abgesehen davon kann von einer offenbaren Unrichtigkeit der Bewertung im vorliegenden Falle keine Rede sein. Die Rechtsansicht des Prozeßgerichtes, es könne nur der Wert der vom Beklagten zu erbringenden Gegenleistung, die nicht höher sein könne als die vom Kläger erbrachte Leistung und daher nur mit dem Kaufpreis veranschlagt werden könne, für das Streitinteresse maßgebend sein, ist völlig verfehlt. Für die Bewertung ist das Interesse maßgebend, das der Kläger daran hat, daß die von ihm begehrte Leistung ihm im Urteil zugesprochen werde. Gemäß § 54 JN. ist für die Berechnung des Wertes der Zeitpunkt der Klagseinbringung maßgebend. Schon mit Rücksicht auf die bis zum Zeitpunkt der Klagserhebung eingetretene Werterhöhung von Grundstücken kann nicht davon gesprochen werden, daß der von der Klägerin angegebene Wert offenbar unrichtig ist und 150 S nicht übersteigt (Art. XI Z. 2 der Wertgrenzennovelle 1947, die hier zur Anwendung zu kommen hat). Außerdem ist es unbestritten geblieben, daß die Klägerin auf dem Grundstücke, dessen Übergabe sie begehrt, ein Haus erbaut hat, wodurch sich ihr Streitinteresse wesentlich erhöht hat. Schließlich ist das Begehren nicht nur auf Übergabe des Grundstückes, sondern auch auf Zulassung der Vermarkung und Einwilligung in die Abschreibung eines Teilgrundstückes gerichtet, welche Begehren gleichfalls zu bewerten sind.
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