OGH 2Ob142/18y

OGH2Ob142/18y24.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* S*, vertreten durch Dr. Günther Riess und Mag. Christine Schneider, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P* L*, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 200.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Mai 2018, GZ 2 R 57/18a‑48, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122832

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin macht gegen den nicht pflichtteilsberechtigten Übernehmer einer Liegenschaft einen Anspruch nach § 951 iVm § 785 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 geltend. Der Vertrag wurde in Form eines Notariatsakts mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers geschlossen. Die im konkreten Fall erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung wurde mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers erteilt, aber weniger als zwei Jahre davor rechtskräftig.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

1. Die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB aF beginnt grundsätzlich mit dem Abschluss des formgerechten Schenkungsvertrags (1 Ob 198/71 SZ 44/137: RIS-Justiz RS0012910). Ausgenommen sind nach der jüngeren Rechtsprechung nur Fälle, in denen das Vermögensopfer trotz Abschluss eines solchen Vertrags noch nicht erbracht ist. Darunter fallen jedenfalls Widerrufsvorbehalte, aber auch Vereinbarungen, mit denen sich der Geschenkgeber die umfassende Nutzung des Schenkungsobjekts vorbehalten hat (2 Ob 125/15v mwN; RIS-Justiz RS0130273).

2. Im vorliegenden Fall wurde der Vertrag mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers geschlossen. Er enthält weder einen Widerrufsvorbehalt noch die Vereinbarung eines umfassenden Nutzungsrechts. Allerdings wurde die im konkreten Fall erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung weniger als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers rechtskräftig. Die Vorinstanzen stellten dennoch auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab.

3. Diese Auffassung ist durch die Rechtsprechung gedeckt.

3.1. Der Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 125/15v dargelegt, dass die Maßgeblichkeit des „Vermögensopfers“ für den Beginn der Zweijahresfrist auf deren Zweck beruht. Dieser Zweck liegt nach den Gesetzesmaterialien darin, dass bei innerhalb dieser Frist gemachten Schenkungen typischerweise der Verdacht einer bewussten Verkürzung von Pflichtteilsberechtigten besteht, bei länger zurückliegenden hingegen nicht; die „kritische Zeit für Umgehungen des Noterbenrechts“ sei „hauptsächlich nur die letzte Zeit vor dem Tode des Erblassers“ (78 BlgHH 21. Sess 238 [= Herrenhausbericht 116]). Diese typisierende Betrachtung setzt aber voraus, dass der Geschenkgeber tatsächlich ein „Vermögensopfer“ erbringt. Denn nur wenn er schon den Nachteil der Veräußerung zu tragen hat, ist die Vermutung fehlender Verkürzungsabsicht gerechtfertigt; tritt dieser Nachteil aber erst mit seinem Tod oder – nach der Wertung des Gesetzes – innerhalb von zwei Jahren davor ein, liegt nahe, dass es ihm bei der früheren Verfügung in erster Linie um eine „Umgehung des Noterbenrechts“ ging.

3.2. Entscheidend ist daher, dass der Erblasser die Sache mehr als zwei Jahre vor seinem Tod unwiderruflich und ohne Zurückbehalten umfassender Nutzungen aus der Hand gegeben hat. Das trifft bei einem formgültigen Schenkungsvertrag auch dann zu, wenn dieser noch der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedarf. Diese Genehmigung ist zwar eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrags (RIS-Justiz RS0038627; 4 Ob 114/01w mwN). Aber auch ein unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossener Vertrag bindet die Vertragspartner insoweit, als der bedingt Verpflichtete alles tun und vorkehren muss, was notwendig ist, um den Eintritt der Bedingung erfüllen zu können, und alles unterlassen muss, was die Erfüllung verhindern würde (RIS‑Justiz RS0017406; zur Bedingung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung zuletzt etwa 9 Ob 4/13y). Der Erblasser konnte sich daher nicht mehr einseitig vom Vertrag lösen; vielmehr war er – soweit erforderlich – verpflichtet, beim Erlangen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung mitzuwirken.

3.3. Auf dieser Grundlage ist das für die Anwendung von § 785 Abs 3 ABGB aF maßgebende Vermögensopfer auch dann schon mit dem Vertragsabschluss eingetreten, wenn das Versagen einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung noch zur Unwirksamkeit der Vermögensübertragung führen könnte. Denn entscheidend für die (typisierende) Beurteilung der Absicht des Erblassers, das Pflichtteilsrecht zu umgehen (oben 3.1.), kann nur der Zeitpunkt des von ihm gesetzten Verhaltens sein, das zu seiner – bei Eintritt der Bedingung endgültigen – Bindung führt. Ob zudem eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung erforderlich ist und wann sie gegebenenfalls erteilt oder rechtskräftig wird, hat auf die Beurteilung dieses Verhaltens keinen Einfluss. Die Möglichkeit des Bedingungsausfalls steht daher der Annahme des Vermögensopfers nicht entgegen.

4. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine mehr als zwei Jahre vor dem Tod an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person gemachte Schenkung nicht in Anschlag zu bringen ist, entspricht dem Wortlaut von § 785 Abs 3 ABGB aF. Die Revision macht geltend, dass diese Frist bei Nachweis einer „Umgehungsabsicht“ nicht anzuwenden sei; eine „typisierende Betrachtungsweise“ sei verfehlt. Es war allerdings der Gesetzgeber, der hier aufgrund einer solchen typisierenden Betrachtungsweise eine klare, gerade nicht auf den Einzelfall abstellende Regelung getroffen hat. Diese Regelung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass sie als bloße Vermutung gedeutet wird, sodass der Nachweis einer Absicht, das Pflichtteilsrecht zu „umgehen“, auch bei früheren Schenkungen möglich wäre (und umgekehrt). Der Senat sieht daher keinen Anlass, von seiner diesbezüglichen Rechtsprechung abzugehen (2 Ob 145/16m; 2 Ob 213/17p; RIS-Justiz RS0131055).

5. Dass eine Berufung auf die Frist des § 785 Abs 3 ABGB aF missbräuchlich sein kann, wurde nur in Fällen ausgesprochen, in denen erst ein Pflichtteilsverzicht des Geschenknehmers zur Anwendung dieser Frist führte (2 Ob 213/17p mwN). Grund dafür war der weitere Regelungszweck des § 785 ABGB aF, in einem gewissen Ausmaß für eine Gleichbehandlung von Abkömmlingen zu sorgen. Dieser Regelungszweck greift bei einer Schenkung an Dritte nicht ein. Aus der genannten Rechtsprechung kann daher nichts für den vorliegenden Fall abgeleitet werden (2 Ob 213/17p).

6. Die Anordnung einer zweijährigen Frist ist auch nicht gleichheitswidrig: Art 7 B-VG schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und auf den Regelfall abstellt; dass dabei allenfalls Härtefälle auftreten können, macht das Gesetz noch nicht verfassungswidrig (Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundes-verfassungsrecht11 [2015] Rz 1359 mwN). Eine Anfechtung von § 785 Abs 3 ABGB kommt daher entgegen der Anregung der Klägerin nicht in Betracht (vgl zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von § 785 ABGB aF auch VfGH G 572/2015).

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