European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00137.18P.0730.000
Spruch:
1. Der Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens wird zurückgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Zu 1.
Die Beklagte hat beim Erstgericht eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage eingebracht. Unter Hinweis auf diese Klage stellte sie (auch) in der Revision den Antrag, das Revisionsverfahren zu unterbrechen. Das Erstgericht hat die Wiederaufnahmsklage inzwischen zurückgewiesen, wogegen die Beklagte Rekurs erhob.
Rechtliche Beurteilung
Für die Unterbrechung eines Rechtsmittelverfahrens aus Anlass einer Wiederaufnahmsklage ist das zur Verhandlung über diese Klage berufene Gericht ausschließlich zuständig (§ 544 Abs 2 ZPO bzw [hier] § 545 Abs 2 ZPO; RIS-Justiz RS0044667). Das Rechtsmittelgericht ist daher mangels funktioneller Zuständigkeit nicht befugt, das bei ihm anhängige Verfahren über den Hauptprozess bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Streits über die Wiederaufnahmsklage zu unterbrechen (5 Ob 30/06g). Der darauf gerichtete Antrag war daher zurückzuweisen.
Eine Rückstellung der Akten an das Erstgericht (vgl 4 Ob 64/04x) konnte unterbleiben, weil die Beklagte ohnehin auch in der Wiederaufnahmsklage einen Unterbrechungsantrag gestellt hatte, den das Erstgericht durch (wenngleich noch nicht rechtskräftige) Zurückweisung der Klage erledigt hat. Solange das zuständige Gericht keine Unterbrechung verfügt hat, besteht kein Anlass, mit der Erledigung des Revisionsverfahrens innezuhalten.
Zu 2.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht eine Bindungswirkung nur in Bezug auf die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber an eine dort beurteilte Vorfrage (RIS‑Justiz RS0042554; RS0041180; RS0041342) oder – wie hier von der Beklagten gewünscht – an die dort getroffenen Feststellungen (RIS‑Justiz RS0041285; RS0118570). Die Berufung der Beklagten auf die Rechtskraft der Entscheidung im Parallelverfahren muss daher schon aus diesem Grund scheitern, ohne dass es auf die zudem fehlende Parteiidentität ankäme. Materielle Nahebeziehungen oder Abhängigkeiten zwischen den Streitgegenständen, Sinnzusammenhänge der Entscheidungsgegenstände oder Rechtsverhältnisse, das Gebot der Entscheidungsharmonie oder das Bedürfnis nach Rechtssicherheit sind keine hinreichenden Gründe für eine Erweiterung der Bindungswirkung (RIS‑Justiz RS0039843; RS0102102; 8 Ob 26/17g).
Auch sonst zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf: Die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0043371); eine Aktenwidrigkeit wird durch das Übergehen eines Beweisergebnisses nicht verwirklicht (RIS‑Justiz RS0043402). Die Rechtsrüge geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung sofort einer Revisionsoperation unterzogen hätte.
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