OGH 2Ob12/91

OGH2Ob12/9126.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth P*****, vertreten durch Dr. Josef Raffl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagten Parteien 1.) Dipl.Ing. Karl W***** und 2.) Versicherungsanstalt *****, beide vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 52.000,- sA und Feststellung (S 40.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. Jänner 1991, GZ 4 R 284/90-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 3. Oktober 1990, GZ 3 Cg 316/89-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 5.603,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 933,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12.7.1988 wurden die Ehegatten Johann und Veronika K***** bei einem Verkehrsunfall in Bad Ischl tödlich verletzt. Den Erstbeklagten trifft das Alleinverschulden an dem Unfall. Die zweitbeklagte Partei ist der Haftpflichtversicherer des PKW's des Erstbeklagten.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 52.000,-- sA und stellte ein entsprechendes Feststellungsbegehren. Der Kapitalbetrag setze sich aus monatlichen Pflegeleistungen im Werte von je S 4.000,- seit 1.8.1988 bis September 1989 zusammen. Die Klägerin habe im Haushalt der getöteten Tochter gelebt und sei von dieser gepflegt worden. Die Tochter habe im Übergabsvertrag vom 16.6.1965 Verpflichtungen übernommen. Diese überstiegen den Wert der übergebenen Liegenschaft.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten im wesentlichen ein, daß die Klägerin gegenüber der Tochter nicht unterhaltsberechtigt gewesen sei. Ihr sei lediglich als Gegenleistung für die übergebene Liegenschaft das vertragliche Recht auf Pflege und Betreuung eingeräumt worden. Die daraus resultierende Verpflichtung sei von den Besitznachfolgern der Verstorbenen zu erfüllen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf Feststellungen über den Inhalt des Übergabsvertrages vom 15.6.1965 und insbesondere über die als Entgelt für die Übergabe bedungenen Betreuungs- und Pflegeleistungen der Tochter gegenüber der übergebenden Klägerin. Weiters hielt es als Ergebnis des Erbübereinkommens vom 12.5.1989 fest, daß ua die Reallast der kindlichen Betreuung auf der nunmehr Gerhard K***** zugeeigneten Liegenschaft einverleibt wurde. Schließlich stellte das Erstgericht fest, daß die Pension der Klägerin ab 1.1.1989 monatlich S 4.841,30 beträgt und die Klägerin bei der Haushaltsführung zwar in bestimmten Belangen auf fremde Hilfe angewiesen, nicht aber pflegebedürftig ist (siehe die näheren Feststellungen im Ersturteil Seite 5 bis 11).

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß gemäß § 1327 ABGB nur der Verlust eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches zu ersetzen sei. Die Pflege- und Betreuungsleistungen der verstorbenen Tochter seien jedoch nicht auf Grund des Gesetzes sondern als Gegenleistung für die Übergabe der Liegenschaft gewährt worden; dafür hafteten die Beklagten nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verwies ebenfalls auf die ständige Rechtsprechung, wonach Leistungen des Getöteten, die dieser nicht auf Grund eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches sondern eines Vertrages erbracht hat, nicht vom Schädiger zu ersetzen seien. Im Hinblick auf die umfangreichen Ausführungen Reischauers in Rummel, ABGB, zu diesem Fragenkomplex sei aber eine weitere Abklärung dieser Frage erforderlich, weshalb die Revision zugelassen werde.

In dieser beantragt die Klägerin unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Aufhebung oder Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen dahin, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß sie unabhängig von der Berechtigung aus dem Übergabsvertrag gegenüber ihrer getöteten Tochter unterhaltsberechtigt gewesen sei; davon abgesehen sei deren gesetzliche Unterhaltsverpflichtung von der vertraglichen bloß überlagert worden.

Voraussetzung für eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der getöteten Tochter gegenüber der als Klägerin auftretenden Mutter ist aber nach § 143 ABGB, daß der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten. Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Der Klägerin stehen die im Übergabsvertrag vereinbarten Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie ihre eigenen Pensionsbezüge zur Verfügung, sodaß eine Unterhaltsverpflichtung aus dem Gesetz zum Zeitpunkt des Unfalles nicht bestand. Wohl aber hat sie einen vertraglichen Unterhaltsanspruch gegenüber der Übernehmerin ihrer Liegenschaft bzw. deren Rechtsnachfolger. Dieser vertragliche Anspruch verschafft aber - wie die Vorinstanzen zutreffend

erkannten - keinen solchen gegen den Schädiger nach § 1327 ABGB. Auf diesem Standpunkt stehen sowohl die oberstgerichtliche Judikatur (vgl. 8 Ob 79/87; SZ 11/144 ua), als auch Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 1327 und Wolff in Klang VI2, 150 sowie bei vergleichbarer Rechtslage (siehe § 844 Abs 2 BGB) die deutsche Judikatur und Literatur (OLG München VersR 79, 1066; Schlegelmilch in Geigel, Haftpflichtprozeß20, 8/21). Die Forderung Koziols (Haftpflichtrecht2 II, 152), eine Korrektur zu überlegen, wonach allen jenen ein Anspruch nach § 1327 ABGB eingeräumt werden könnte, die auf Grund einer gesetzlich anerkannten Verpflichtung, also auch auf Grund gültigen Vertrages einen Anspruch auf Unterhalt gegen den Getöteten hätten, kann sich im Ergebnis nur gegen den Gesetzgeber richten, der aber bisher (siehe die Materialien zur 3. TN 398) die bestehende Regelung vertrat.

Es ist richtig, daß zur Begründung eines rechtlichen Interesses der Klägerin für die Feststellungsklage schon ausreichte, daß diese in Zukunft über das vertraglich zugesicherte Maß hinaus unterhaltsbedürftig werden könnte. Dazu hat sie aber in erster Instanz - worauf das Berufungsgericht mit Recht verweist - nichts vorgebracht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist ihre liebevolle Betreuung und Pflege einschließlich aller damit verbundenen Haushaltsarbeiten welcher Art immer auf Grund des Übergabsvertrages vom 16.6.1965 gesichert. Es wäre an der Klägerin gelegen, in erster Instanz irgendwelche Anhaltspunkte aufzuzeigen, daß die subsidiäre gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Tochter nach § 143 ABGB dennoch zum Tragen hätte kommen können.

Die das gesamte Klagebegehren abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher frei von Rechtsirrtum, weshalb der Revision der Klägerin der Erfolg zu versagen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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