Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts, soweit damit der Zustellantrag sowie der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung abgewiesen wurde, wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über den Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird dem Rekursgericht vorbehalten.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 906,48 EUR (darin enthalten 151,08 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen wird die Kostenentscheidung dem Rekursgericht vorbehalten.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Mahnklage 14.478,04 EUR sA. Der Zahlungsbefehl wurde am 5. 10. 2009 erlassen.
Am Donnerstag, den 8. 10. 2009 begab sich die Belegschaft der beklagten Partei einschließlich ihres Geschäftsführers in den Abendstunden auf einen Firmenausflug, der bis einschließlich Sonntag, den 11. 10. 2009 andauerte. Am darauf folgenden Montag, den 12. 10. 2009 war der Betrieb der Beklagten ebenfalls geschlossen.
Der Postzusteller kam am Freitag, den 9. 10. 2009 zum Betrieb der Beklagten. Dort anwesend war die Reinigungsfrau, die seit 2008 ca einmal pro Woche außerhalb der Geschäftszeiten Reinigungsarbeiten durchführte. Sie war nicht „offiziell“ als Arbeitnehmerin der Beklagten angemeldet, ihre Tätigkeit wurde vom Geschäftsführer der Beklagten bezahlt. Nachdem sie dem Postzusteller mitgeteilt hatte, dass die Belegschaft der Beklagten bis Sonntag auf Betriebsausflug sei und am Montag wieder regulärer Betrieb herrsche, übernahm sie den Zahlungsbefehl und unterfertigte den Rückschein. Sie legte das Kuvert mit dem Zahlungsbefehl auf den Schreibtisch des Geschäftsführers der Beklagten. Es befanden sich dort sonst keine weiteren Postsendungen, das Kuvert war gut erkennbar. Ob bzw wann der Geschäftsführer der Beklagten vom Zahlungsbefehl bis zur Zustellung der Exekutionsbewilligung am 4. 12. 2009 Kenntnis erlangte, konnte nicht festgestellt werden.
Mit Eingabe vom 21. 1. 2010 beantragte die Beklagte die Zustellung des Zahlungsbefehls, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Zahlungsbefehl und die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung. Die Zustellung des Zahlungsbefehls sei wegen des Firmenausflugs nicht rechtswirksam erfolgt. Die zufällig anwesende Putzfrau habe vergessen die Postsendung auszuhändigen. Vom Vorliegen eines Exekutionstitels habe die Beklagte erst mit Zustellung der Exekutionsbewilligung erfahren. Sie sei daher durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der Möglichkeit Einspruch gegen den Zahlungsbefehl zu erheben gehindert worden.
Das Erstgericht wies alle Anträge ab. Die Putzfrau sei als Arbeitnehmerin der Beklagten zu qualifizieren, weil ihr Tätigkeitsbereich von der Beklagten exakt vorgegeben gewesen sei und sie dafür auch ein Entgelt bezogen habe. Auf sozialversicherungsrechtliche Belange komme es nicht an. Sie sei daher als Ersatzempfänger iSd § 16 Abs 1 ZustG in Frage gekommen. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts habe der Zusteller berechtigt davon ausgehen können, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten als vertretungsbefugtes Organ regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Tatsächlich sei der Vertreter der Beklagten nur an drei Werktagen (Freitag, Samstag und Montag) von der Abgabestelle abwesend gewesen. Eine rechtliche bedeutsame Abwesenheit liege zwar bei einer urlaubsbedingten vor, doch sei hiefür nach OLG Wien, MietSlg 44.856, eine 6-tägige und nach OGH, EvBl 1967/307, eine 8-tägige Abwesenheit Voraussetzung. Selbst wenn man unterstelle, dass der Geschäftsführer der Beklagten wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt habe, wäre gemäß § 16 Abs 5 letzter Halbsatz ZustG die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, also dem 14. 10. 2009 wirksam geworden.
Da die Beklagte keine eigene Säumnis behaupte, sondern sich auf einen gesetzwidrigen Zustellvorgang beziehe, liege kein Wiedereinsetzungsgrund vor. Im Übrigen sei der Antrag auch verspätet, weil die Beklagte vom Exekutionstitel mit der Zustellung der Exekutionsbewilligung am 4. 12. 2009 Kenntnis erlangt habe. Die Frist zur Zustellung des Wiedereinsetzungsantrags sei daher bereits am 18. 12. 2009 abgelaufen.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es dem Zustellantrag statt gab, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufhob und den ordentlichen Revisionsrekurs zuließ. Entscheidend sei, ob die Ersatzzustellung an die Putzfrau zulässig und damit wirksam gewesen sei. Regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle liege vor, wenn der Empfänger, von kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehre. Nur wenn der Empfänger längere Zeit, etwa infolge Urlaubs, von der Abgabestelle abwesend sei, dürfe auch eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger nicht erfolgen. Ein Betriebsurlaub, bei dem kein zur Empfangnahme befugter Vertreter der Gesellschaft anwesend sei, erfülle das Tatbestandselement des regelmäßigen Aufenthalts an der Abgabestelle nach VwGH in wbl 1994, 213 nicht. Davon ausgehend sei daher die Ersatzzustellung unzulässig und unwirksam gewesen. Der Zusteller habe vom Betriebsurlaub gewusst und keinen ausreichenden Grund zur Annahme gehabt, dass der Empfänger sich regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Auf die Frage, ob die Putzfrau Arbeitnehmerin des Empfängers iSd § 16 Abs 2 ZustG gewesen sei, komme es nicht an. Eine Heilung gemäß § 7 ZustG könne mangels Feststellung, ob bzw wann dem Geschäftsführer der Beklagten der Zahlungsbefehl zugegangen sei, nicht angenommen werden. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil die Frage, ob ein Betriebsausflug eine Ersatzzustellung an der Betriebsstätte generell unzulässig mache oder eine bestimmte Mindestlänge erforderlich sei, über den Anlassfall hinausgehe.
Rechtliche Beurteilung
Der ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 16 Abs 1 ZustG darf eine Sendung, wenn sie dem Empfänger nicht zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, an diesen zugestellt werden, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder sein Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Nach § 16 Abs 5 ZustG gilt eine Ersatzzustellung nicht als bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Nach der Rechtsprechung (vgl insb 1 Ob 630/84) müssen die beiden Bestimmungen so verstanden werden, dass sie einander sinnvoll ergänzen und die Möglichkeit der Ersatzzustellung nicht wertlos wird.
Im vorliegenden Fall erhielt der Zusteller an einem Freitag die Information, dass die Belegschaft auf Betriebsausflug sei; für Montag war regulärer Betrieb angekündigt. Der Zusteller hatte also Grund zur Annahme, dass der Empfänger bzw dessen Vertreter sich regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte und nur vorübergehend abwesend sei. Damit bestand kein Hindernis für eine Ersatzzustellung iSd § 16 Abs 1 ZustG. Ob bei einer Betriebssperre von Freitag bis (tatsächlich auch) Montag die Voraussetzungen des § 16 Abs 5 ZustG gegeben wären, kann hier auf sich beruhen, weil dies nur zu einer im vorliegenden Fall unerheblichen Verschiebung der Zustellwirkung (von Freitag auf Dienstag) führen würde.
Es wäre daher - die Zustellung an einen tauglichen Ersatzempfänger vorausgesetzt - von einer wirksamen Ersatzzustellung auszugehen.
Es ist somit die Frage zu beantworten, ob die Putzfrau der Beklagten, die das Kuvert auf den Schreibtisch des Geschäftsführers legte, eine taugliche Ersatzempfängerin war:
Gemäß § 16 Abs 2 ZustG kann Ersatzempfänger auch der Arbeitnehmer des Empfängers sein. Nach Stumvoll in Fasching/Konecny 2 ErgBd § 16 ZustG Rz 18, 19 mwN ist Arbeitnehmer, wer in einem Dienstverhältnis zum Empfänger steht, mag dies entgeltlich oder unentgeltlich sein, wobei die Merkmale der Abhängigkeit und Unselbständigkeit vorliegen müssen. Dies gilt auch für juristische Personen als Empfänger (ebenso Gitschthaler in Rechberger, § 16 ZustG Rz 5 mwN).
In Zusammenhang mit dem hier nicht anwendbaren § 13 Abs 4 ZustG, wonach die Sendung in der Kanzlei an jeden dort anwesenden Angestellten eines Parteienvertreters zugestellt werden darf, gelangte der Oberste Gerichtshof in 8 Ob 119/72 zu dem Ergebnis, dass die zufolge Abwesenheit eines Rechtsanwalts und seiner Kanzleiangestellten an die in den Kanzleiräumen tätige Aufräumefrau vorgenommene Zustellung wirksam zustande kam (aA Gitschthaler in Rechberger, § 13 ZustG Rz 9).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen führte die Übernehmerin hier ca einmal pro Woche, bei freier Dienstzeiteinteilung, solange die Leistung außerhalb der Geschäftszeit der Beklagten erfolgte, Reinigungsarbeiten an vorgegebenen Örtlichkeiten des Betriebs durch, wofür sie vom Geschäftsführer ein Entgelt erhielt, ohne „offiziell“ als Arbeitnehmerin angemeldet zu sein.
Die Reinigungsfrau war daher verpflichtet, für die Beklagte auf Dauer und in einem gewissen Rhythmus eine Leistung zu erbringen, die - was den Ort und die Zeit der Leistung betrifft - von der Beklagten determiniert war (vgl Rebhahn in ZellKomm, § 1151 ABGB, Rz 76 ff, 81 und 91), auch wenn ein gewisser Spielraum verblieb. Die Dauer der Arbeiten - wie zB bei bloß stundenweiser Beschäftigung - ist grundsätzlich unerheblich (Rebhahn in ZellKomm, § 1151 ABGB, Rz 114; Radner in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht, System und Praxiskommentar, I. Arbeitnehmerbegriff, Rz 32).
Der erkennende Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Reinigungskraft als Arbeitnehmerin der Beklagten und damit als taugliche Ersatzempfängerin iSd § 16 ZustG zu qualifizieren ist, sodass die Entscheidung des Erstgerichts über den Zustellantrag sowie den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung wiederherzustellen war. Über den Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird das Rekursgericht zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.
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