OGH 2Ob115/18b

OGH2Ob115/18b26.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** E*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner und Mag. Armin Stadler, Rechtsanwälte in Rohrbach, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen 31.527,02 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. April 2018, GZ 3 R 22/18b‑65, mit welchem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 20. Dezember 2017, GZ 2 Cg 76/15x‑60, teilweise aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00115.18B.0626.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die beklagte Versicherungsgesellschaft haftet der Klägerin für die Folgen eines Verkehrsunfalls. Im Rekursverfahren strittig ist der Verdienstentgang der Klägerin aufgrund ihrer vorzeitigen Ruhestandsversetzung als Postbeamtin.

Die Klägerin begehrt insofern 12.277,02 EUR. Die Ruhestandsversetzung sei durch die Unfallfolgen verursacht, die Beklagte hafte daher für den Verdienstentgang.

Die Beklagte bestreitet die Kausalität des Unfalls für die Ruhestandsversetzung und beantragt daher die Abweisung dieses Teilbegehrens.

Das Erstgericht wies das Begehren ab. „Hauptursache“ und „Nebenursache“ der Ruhestandsversetzung seien Beeinträchtigungen der Klägerin gewesen, die nicht mit dem Unfall zusammenhingen. Die Klägerin wäre nicht in den Ruhestand versetzt worden, wenn sie „ausschließlich aus dem Unfall [...] erlittene Beeinträchtigungen“ gehabt hätte; diese Beeinträchtigungen hätten „daher“ nicht zur Versetzung in den Ruhestand geführt.

Das Berufungsgericht hob das Urteil in diesem Punkt auf, verwies die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs zu.

Der Geschädigte müsse den Kausalzusammenhang nachweisen. Wenn zwei Umstände, etwa die Folgen eines Unfalls und eine Veranlagung des Geschädigten, die „Schwere des Verletzungserfolgs“ bedingten, bleibe der Schädiger für den gesamten Schadenserfolg verantwortlich. Anders läge die Sache nur bei überholender Kausalität, wenn also der Erfolg auch ohne die Verletzung in gleicher Zeit und im gleichen Umfang eingetreten wäre. Die Beklagte hätte für den Verdienstentgang „jedenfalls dann nicht“ zu haften, wenn die bei der Pensionierung der Klägerin bestandenen „unfallskausalen Folgen das Leistungskalkül der Klägerin bezogen auf ihre dienstlichen Anforderungen nicht beeinträchtigten oder die Versetzung in den Ruhestand auch ohne die Verletzung (den Unfall) ungefähr zur gleichen Zeit in gleicher Weise und im gleichen Umfang erfolgt wäre“. Zu diesem Thema habe das Erstgericht den Sachverhalt nur unvollständig geklärt. Denn es habe dazu nur (bekämpft) festgestellt, dass die Klägerin wegen ihrer unfallbedingten Beeinträchtigung allein nicht in den Ruhestand versetzt worden wäre. Entscheidend seien aber „die zusätzlichen Fragen,“ ob die „bei der Pensionierung der Klägerin bestandenen unfallskausalen Folgen das Leistungskalkül der Klägerin bezogen auf ihre dienstlichen Anforderungen (mit‑)beeinträchtigten oder die unfallfremden sonstigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin nicht ohnehin zu ihrer Versetzung in den Ruhestand ungefähr zur gleichen Zeit geführt hätten.“ Dazu fehlten Feststellungen, was zur Aufhebung in die erste Instanz führe. Dort müssten nach Beweisergänzung Feststellungen zum „Leistungskalkül“ getroffen werden, auf deren Grundlage die „rechtliche Frage“ zu lösen sei, ob „die Klägerin im Hinblick auf die Ergebnisse des medizinischen Leistungskalküls infolge ihrer unfallfremden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht ohnehin gemäß § 14 Abs 1 BDG zur gleichen Zeit in den Ruhestand versetzt worden wäre.“

Der Rekurs sei zulässig, weil eine klarstellende höchstgerichtliche Rechtsprechung angezeigt sei, nach welchen „Kriterien und verfahrensrechtlichen Schritten“ der aus einer Versetzung in den Ruhestand abgeleitete Verdienstentgang dem Schädiger zugerechnet werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil die Ausführungen des Berufungsgerichts dahin verstanden werden können, dass die Beurteilung des Kausalzusammenhangs entgegen der ständigen Rechtsprechung eine Rechtsfrage sei; der Rekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Ein Ereignis ist ursächlich für einen Erfolg, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass dann auch der Erfolg entfiele ( conditio sine qua non : 2 Ob 24/12m mwN, RIS-Justiz RS0128162). Ob das zutrifft, ist eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0022582), wobei die Beweislast den Geschädigten trifft (RIS-Justiz RS0022686). Soweit einzelne Entscheidungen neben der „natürlichen“ auch eine „juristische“ Kausalität erwähnen (vgl RIS‑Justiz RS0022582), handelt es sich um die von der Kausalität im eigentlichen Sinne zu trennende (Rechts‑)Frage der Adäquanz (1 Ob 313/98f mwN). Die vom Berufungsgericht angesprochene Frage der überholenden Kausalität stellt sich erst, wenn ein Ereignis im oben genannten Sinn „real“ kausal war, aber ein anderes Ereignis (insbesondere eine Veranlagung des Geschädigten) denselben Erfolg später ebenso herbeigeführt hätte. Dann ist nach der Rechtsprechung nur jener Schaden zu ersetzen, der auf der Vorverlagerung des Schadenseintritts beruht (2 Ob 164/17g mwN), wobei die Behauptungs- und Beweislast den Schädiger trifft (RIS-Justiz RS0106535).

2. Auf dieser Grundlage bedürfen die Ausführungen des Berufungsgerichts einer Klarstellung.

2.1. Der Verdienstentgang wäre durch den Unfall verursacht, wenn die Klägerin ohne den Unfall und dessen Folgen nicht in den Ruhestand versetzt worden wäre. Denn in diesem Fall wäre der Unfall conditio sine qua non – also notwendige Bedingung – für die Ruhestandsversetzung und deren Folgen. Insofern hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend einen sekundären Feststellungsmangel angenommen: Das Erstgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin nicht in den Ruhestand versetzt worden wäre, wenn sie ausschließlich die unfallbedingten Beeinträchtigungen aufgewiesen hätte; „daher“ sei der Unfall „nicht kausal“ für den Verdienstentgang. Auf die damit angesprochene Frage, ob die unfallbedingten Beeinträchtigungen allein ursächlich– also hinreichende Bedingung – für die Ruhestandsversetzung waren, kommt es aber nach dem oben Gesagten nicht an. Vielmehr genügte es, wenn die Ruhestandsversetzung durch ein Zusammenwirken von mehreren jeweils notwendigen Bedingungen – hier von unfallbedingten und anderen Beeinträchtigungen – verursacht worden wäre. Die weiteren Feststellungen des Erstgerichts zu den (jeweils nicht unfallbedingten) „Hauptursachen“ und „Nebenursachen“ der Ruhestandsversetzung sprechen zwar dafür, dass das nach Auffassung des Erstgerichts nicht zutraf. Dem Berufungsgericht ist aber beizupflichten, dass insofern die letzte Klarheit fehlt.

2.2. Im fortgesetzten Verfahren hat das Erstgericht daher eine eindeutige Feststellung zur Frage zu treffen, ob der Unfall notwendige Bedingung für die Ruhestandsversetzung war. Stellt es fest, dass die Klägerin bei Wegdenken des Unfalls nicht in den Ruhestand versetzt worden wäre, so wäre die Kausalität ungeachtet der Mitursächlichkeit anderer Beeinträchtigungen zu bejahen; bei Feststellung des Gegenteils oder einer Negativfeststellung hätte es bei der Abweisung zu bleiben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich dabei nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatfrage, die das Erstgericht aufgrund eines mangelfreien Verfahrens mit nachvollziehbarer Begründung (Beweiswürdigung) zu lösen hat. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum „Leistungskalkül“ und zu allenfalls erforderlichen weiteren Gutachten beziehen sich richtigerweise auf dieses Verfahren (also auf die Stoffsammlung) und auf Elemente der noch vorzunehmenden Beweiswürdigung. Insofern hat der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, keine Vorgaben zu machen.

3. Aus diesen Gründen hat es im Ergebnis beim Aufhebungsbeschluss zu bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

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