OGH 2Ob114/18f

OGH2Ob114/18f30.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé, den Hofrat Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Stibi Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A*****, 2. P***** & Co. Gesellschaft m.b.H., *****, beide vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.722,41 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 7.758,19 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2018, GZ 2 R 149/17x‑40, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. Juli 2017, GZ 41 Cg 12/15w‑32, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00114.18F.1030.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Erstbeklagte, deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, war bei einem Bauprojekt als Generalunternehmerin tätig. Sie beauftragte die Klägerin mit der Erbringung von Leistungen im Bereich des Aufzugbaus. Die Klägerin macht Werklohnansprüche aus der Erbringung mehrerer nachträglich vereinbarter Zusatzleistungen geltend. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Höhe des aus der ersten und der zweiten Auftragserweiterung geschuldeten Werklohns sowie die Berechtigung eines Werklohnanspruchs für eine bestimmte Ausführung der Schachtportale.

Nach den maßgeblichen Feststellungen legte die Klägerin zunächst ein nach mehreren Positionen aufgeschlüsseltes Angebot für den Hauptauftrag. In den Vergabeverhandlungen reduzierte sie die Höhe des Werklohns auf einen Betrag, der 20,71 % unter ihrem ursprünglichen Angebot lag. Das herabgesetzte Angebot wurde von der Erstbeklagten angenommen. In der Folge vereinbarten die Vertragsparteien zwei Auftragserweiterungen sowie die Höhe der dafür anfallenden Werklöhne. Zwischen den Vertretern der Klägerin und der Erstbeklagten fanden weiters Gespräche über die konkrete Ausstattung der Lifte, insbesondere der Schacht- und Kabinentüren statt. Die Klägerin teilte der Erstbeklagten die Höhe der dadurch entstehenden Mehrkosten mit. Die Erstbeklagte leitete der Klägerin eine E-Mail des Vertreters des Bauherren weiter, worin dieser der Ausführung zustimmte und darauf verwies, dass der Vertreter der Klägerin die Mehrkosten pro Portal in einer bestimmten Höhe beziffert habe.

Die zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten vereinbarten „Allgemeinen Vertragsbedingungen für Nachunternehmeraufträge“ (AVB) enthalten in Punkt 2.7. folgende Regelung:

„Für alle sich während der Ausführung ergebenden Zusatzlieferungen und -leistungen sind schriftliche Nachtragsangebote auf Basis des Hauptanbots zu legen […]. Die Bedingungen des Hauptauftrages gelten vollinhaltlich für sämtliche Zusatzaufträge.“

Nach Punkt 10. des Auftragsschreibens sind „Nachtragsangebote […] zu den Bedingungen des Hauptauftrags auszuführen“.

Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass die für den Hauptauftrag vorgenommene Preisreduktion von 20,71 % gemäß Punkt 2.7. der AVB für das gesamte Vertragsverhältnis zu gelten habe. Hinsichtlich der Schacht- und Kabinentüren sowie Portale geht sie davon aus, dass keine wirksame Vereinbarung der Mehrkosten zustande gekommen sei.

Das Erstgericht gab dem zuletzt auf Zahlung von 34.722,41 EUR sA gerichteten Klagebegehren mit 13.017,69 EUR sA (unbekämpft) statt und wies das Mehrbegehren von 21.704,72 EUR sA ab.

Es folgte der Rechtsansicht der Beklagten, dass auch von den für die erste und zweite Auftragserweiterung in Rechnung gestellten Werklöhnen ein Abzug von 20,71 % vorzunehmen sei. Der für die höherwertige Ausführung der Schacht- und Kabinentüren geltend gemachte Anspruch bestehe nicht zu Recht, weil weder die vertraglich vorgesehene schriftliche Beauftragung noch eine konkludente Freigabe der Mehrkosten stattgefunden habe.

Gegen die Klageabweisung im Umfang von 15.915,19 EUR sA, entfallend auf die genannten Zusatzaufträge, erhob die Klägerin Berufung.

Das Berufungsgericht gab ihrem Rechtsmittel im Umfang von 7.758,19 EUR Folge und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 20.775,88 EUR sA; das Mehrbegehren von 13.946,53 EUR sA wies es (unbekämpft) ab.

Das Berufungsgericht legte den Hauptauftrag dahin aus, dass dieser keinen generellen prozentuellen Preisnachlass, sondern die Vereinbarung einer Pauschalsumme vorsehe, sodass keine vertragliche Grundlage für die Reduktion der für die Zusatzaufträge vereinbarten Preise bestehe. Das Erstgericht habe diese Ansprüche daher zu Unrecht gekürzt.

Hinsichtlich der Ausführung der Portale kam das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass sich aus dem festgestellten E-Mail-Verkehr eine Zustimmung des Bauherren und der Erstbeklagten zu den von der Klägerin begehrten Mehrkosten in bestimmter Höhe ergebe, sodass das Klagebegehren auch insofern berechtigt sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des in Werkverträgen über Bauleistungen häufig verwendeten Begriffs „Nachlass“ vorliege.

Die gegen den Zuspruch von 7.758,19 EUR gerichtete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche, für die Entscheidung des Rechtsstreits präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan.

1. Die im Zuge von Vertragsverhandlungen von den Parteien über den Abschluss eines Vertrags abgegebenen gegenseitigen Erklärungen sowie ihre diesen Erklärungen nicht entsprechende, jedoch übereinstimmende Absicht sind Gegenstand der Tatsachenfeststellungen. Hingegen ist die Frage, welche Rechtswirkungen dadurch erzielt wurden, eine Frage der rechtlichen Beurteilung der Sache (RIS‑Justiz RS0017882 [T2], vgl RS0017911, RS0017847 [T3]).

Bei der Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden, zu verstehen. Es ist dabei das gesamte Verhalten der Vertragsteile, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann, zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0017915 [T8, T27, T29]). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wird, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042776, RS0044298), es sei denn, es läge infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis vor (RIS‑Justiz RS0042776 [T1, T3]). Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

2. Das Erstgericht hat den Gang der Vertragsverhandlungen festgestellt, die dazu führten, dass die Klägerin ihren für den Hauptauftrag zunächst angebotenen Preis auf einen Pauschalbetrag herabsetzte.

Das Revisionsvorbringen, wonach sich aus den Vertragsverhandlungen auch ein auf die Vereinbarung einer entsprechenden Berechnungsmethode für das gesamte Vertragsverhältnis gerichteter übereinstimmender Parteiwille ergebe, findet im festgestellten Sachverhalt keine Deckung. Auch die von den Revisionswerberinnen herausgegriffenen Passagen der Beweiswürdigung des Erstgerichts enthalten keine dislozierte Feststellung dieses Inhalts. Dort ist vielmehr lediglich die Rechtsmeinung eines Zeugen zu den Ergebnissen der Anwendung der AVB wiedergegeben.

3. Die Auslegung der schriftlichen Vereinbarung durch das Berufungsgericht, wonach die in den Vergabeverhandlungen von der Klägerin vorgenommene Herabsetzung des angebotenen Werklohns auf eine als „Pauschalpreis“ bezeichnete Summe nicht den Schluss zulasse, dass sich die Parteien auf bestimmte Rechenvorgänge geeinigt hätten, ist vertretbar und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass die Klägerin in einem von mehreren später gelegten Zusatzangeboten einen Preisabschlag von 20 % anbot, ist ebenfalls nicht geeignet, eine korrekturbedürftige Auslegung des bereits zuvor zustande gekommenen Vertrags aufzuzeigen.

4. Auf die isolierte Auslegung des Begriffs „Nachlass“ kommt es nicht an, haben die Parteien diesen Begriff doch nach den Feststellungen im Hauptauftrag gar nicht verwendet. Er ist daher für die Entscheidung nicht präjudiziell.

5. Mit ihrem weiteren Vorbringen, das Berufungsgericht sei vom festgestellten Sachverhalt abgegangen, wodurch es die Revisionswerberinnen in unzulässiger Weise überrascht habe, zeigen diese ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf. Das Berufungsgericht hat den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ohnehin umfassend seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ihn lediglich – in nicht korrekturbedürftiger Weise – rechtlich anders beurteilt als das Erstgericht.

6. Dem festgestellten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass die Erstbeklagte die in der Schlussrechnung verzeichneten Werklohnansprüche für die im Revisionsverfahren noch strittigen Leistungen anlässlich der Besprechung der Schlussrechnung beanstandet hätte. Darauf, dass die Klägerin die rund eineinhalb Jahre später mitgeteilten Einwände der Erstbeklagten als Rechnungskorrektur iSd Punktes 5.4 der AVB anerkannt hätte, haben sich die Beklagten in erster Instanz nicht gestützt. Damit geht das weitere Revisionsvorbringen, das Berufungsgericht habe die Vertragsbestimmungen zum Anerkenntnis einer vom Auftraggeber vorgenommenen Rechnungskorrektur durch den Auftragnehmer missachtet, ins Leere.

7. Insgesamt gelingt es den Revisionswerberinnen damit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, von der die Entscheidung im vorliegenden Fall abhinge, aufzuzeigen.

8. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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