OGH 2Ob112/09y

OGH2Ob112/09y12.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton W*****, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagten Parteien 1. A*****- Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Walter Heel, Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, 2. Johann T*****, vertreten durch Mag. Sebastian Lesigang, Rechtsanwalt in Wien, wegen 58.090 EUR sA (Revisionsinteresse 40.590 EUR), über die Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. März 2009, GZ 4 R 5/09f-35, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. Oktober 2008, GZ 59 Cg 150/07w-30, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie einschließlich des rechtskräftigen Teils lautet wie folgt:

„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 20.295 EUR samt 4 % Zinsen aus 11.250 EUR vom 31. 8. 2007 bis 24. 1. 2008 und aus 20.295 EUR seit 25. 1. 2008 sowie an anteiligen Barauslagen erster und zweiter Instanz 1.503,63 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei weitere 37.795 EUR samt 4 % Zinsen aus 40.000 EUR vom 27. 1. 2007 bis 30. 8. 2007, aus 28.750 EUR vom 31. 8. 2007 bis 23. 1. 2008, aus 46.840 EUR für 24. 1. 2008 und aus 37.795 EUR seit 25. 1. 2008 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 4.283,46 EUR (darin 713,91 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei die mit 5.030,81 EUR (darin 838,47 EUR USt) bestimmten Prozesskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an anteiligen Barauslagen des Revisionsverfahrens je 1.168,50 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8. November 2006 ereignete sich gegen 11:20 Uhr auf der Inntalautobahn A12 auf der Richtungsfahrbahn nach Osten im Bereich der Ausfahrt Innsbruck-Mitte ein Verkehrsunfall, an dem neben mehreren anderen Fahrzeugen auch das von Rene R***** gelenkte Betonpumpenfahrzeug des Klägers beteiligt war. Die Erstbeklagte ist Halterin der mautpflichtigen A12, der Zweitbeklagte war als Mitarbeiter der Firma S***** mit Vermessungs- und Bodenmarkierungsarbeiten beschäftigt.

Aufgrund von Bescheiden der Tiroler Landesregierung war die aus der A***** GmbH und T***** AG bestehende ARGE AIM-Abfahrt Innsbruck/Mitte im Unfallszeitpunkt im Bereich der Unfallstelle zur Verkehrsführung und Beschilderung für die Errichtung der Brücken- und Rampenbauwerke, Straßenbauarbeiten und Lärmschutzmaßnahmen berechtigt. Im Zuge der durchzuführenden Arbeiten war es notwendig, die Richtungsfahrbahn nach Osten auf einen Fahrstreifen zusammenzuführen. Für diesen verbleibenden Fahrstreifen war eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 60 km/h verordnet. Der rechte Teil der Fahrbahn war durch Warntafeln abgesichert. Die Baustelle war durch das Gefahrenzeichen „Baustelle" mehrfach beschildert. Die bescheid- bzw verordnungsmäßig festgelegten Gefahren- und Hinweiszeichen waren im Unfallszeitpunkt tatsächlich angebracht.

Für Bodenmarkierungen bestand zwischen der Erstbeklagten und der S*****, einem Fachunternehmen für Bodenmarkierungen, ein Rahmenvertrag, aufgrund dessen Bodenmarkierungsleistungen bei Bedarf abgerufen werden konnten.

Für die ARGE AIM bestand im Rahmen der Bescheide und Verordnungen keine Erlaubnis, eine Richtungsfahrbahn der A12 zu sperren. Auch kurzfristige Anhaltungen wurden nicht vorgenommen. Für die örtliche Bauaufsicht über Auftrag der Erstbeklagten war Ing. Christian L***** zuständig.

Die A12 verläuft in Annäherung an den Unfallbereich über ca 300 m im Wesentlichen gerade, eben und übersichtlich.

Am 8. November 2006 war der Zweitbeklagte mit weiteren Arbeitern mit der Ausführung von Bodenmarkierungen im Bereich der Baustelle beauftragt. Für die eigentlichen Bodenmarkierungsarbeiten ist es nötig, die Fahrbahnbreite zu vermessen. Dafür war der Zweitbeklagte zuständig. Um die Vermessungsarbeiten vornehmen zu können, hielt er es für notwendig, den dem Fließverkehr vorbehaltenen und nicht abgesperrten Fahrstreifen Richtung Osten zu vermessen und dazu auch zu queren. Er wollte von der Randlinie zur Mitte die Straßenbreite mit einem Messrad mit Zählwerk vermessen. Bei diesen Vermessungsarbeiten war auch Ing. L***** anwesend, der dem Zweitbeklagten von seinem Vorhaben, Anhaltungen vorzunehmen, abriet. Dennoch führte der Zweitbeklagte solche durch.

Der Zweitbeklagte hielt es für notwendig, mehrfach Vermessungen durchzuführen, wobei er zumindest beim ersten Mal eine Verkehrslücke nützen konnte. Er benötigte pro Vermessung etwa 20 bis 30 Sekunden. Bei der Anhaltung, im Zuge derer es in der Folge zum gegenständlichen Auffahrunfall kam, wartete der Zweitbeklagte eine Verkehrslücke ab und hielt dann mit einem Handzeichen (Handaufheben) die herannahenden Fahrzeuge auf. Er trug dabei eine orangefarbene bzw rote Warnkleidung. Die weiteren Mitarbeiter des Zweitbeklagten (er war Vorarbeiter eines Trupps mit drei Kollegen) waren an anderer Stelle des Baufelds mit Vermessungsarbeiten beschäftigt und nicht zur Durchführung allfälliger zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen eingeteilt. Es wäre möglich gewesen, sie mit solchen Aufgaben zu betrauen. Auch andere Personen waren nicht damit beauftragt worden, allenfalls Warnzeichen zu geben. Im Baufeld stand zumindest in der Nähe des Zweitbeklagten dessen orange-grelles Einsatzfahrzeug mit eingeschalteter Drehleuchte.

Von Westen näherte sich Astrid K***** mit ihrem PKW. Sie verlangsamte und blieb stehen, weil ihr dies vom Zweitbeklagten so gedeutet wurde. Sie konnte ihr Fahrzeug problemlos anhalten. Der nachfolgende PKW-Lenker konnte dahinter problemlos anhalten. Auch ein nachfolgender dritter PKW konnte von seinem Lenker verkehrsbedingt aufgrund der beiden vor ihm stehengebliebenen PKW angehalten werden. Dahinter näherte sich ein Sattelkraftfahrzeug, dessen Bremsausgangsgeschwindigkeit ca 59 km/h betrug. Sein Lenker bremste etwas stärker und erzielte eine Bremsverzögerung von ca 4 m/sec2. Es gelang ihm, sein Fahrzeug vollständig zum Stillstand abzubremsen. Wie lange die Zeitspanne im Stillstand bis zum Aufprall des Klagsfahrzeugs war, ist nicht feststellbar, jedenfalls aber konnte der Lenker noch den Leerlauf einlegen, er stellte den Fuß auf die Bremse.

Der Lenker des Pumpenfahrzeugs des Klägers war mit einer Geschwindigkeit von ca 66 km/h unterwegs, als er das Aufleuchten der Bremslichter am vor ihm fahrenden Sattelkraftfahrzeug wahrnahm. Die Sicht nach vorne war für den Lenker des Pumpenfahrzeugs aufgrund der Ausmaße des vor ihm befindlichen Sattelkraftfahrzeugs eingeschränkt. Er hatte weder Warneinrichtungen noch den Zweitbeklagten noch den am Rand des für den Verkehr zur Verfügung stehenden Fahrstreifens stehenden Ing. L***** wahrgenommen. Bei sehr guter Aufmerksamkeit hätte der Lenker des Pumpenfahrzeugs die Bremslichter des vor ihm befindlichen Sattelkraftfahrzeugs mindestens 1,5 Sekunden früher wahrnehmen und entsprechend reagieren können, als er das tatsächlich tat. Durch sofortiges Abbremsen hätte er auch bei einer Bremsverzögerung von nur 3 m/sec2 noch unfallvermeidend anhalten können. Zwischen dem Sattelkraftfahrzeug und dem Pumpenfahrzeug lag in Annäherung an die Kollisionsstelle ein Abstand von mindestens 37,6 Metern.

Das Pumpenfahrzeug prallte gegen das vor ihm befindliche Sattelkraftfahrzeug, schob es nach vor und löste dadurch eine Kollision auch noch mit und zwischen den drei PKW davor aus.

Durch den Unfall wurde unter anderem das Pumpenfahrzeug beschädigt. Unmittelbar vor dem Unfall betrug dessen Verkehrswert noch 180.000 EUR ohne USt. Die Schäden waren umfangreich, welcher Reparaturaufwand konkret erforderlich gewesen wäre, ist nicht genau feststellbar, er wäre zwischen 30.000 und 60.000 EUR gelegen. Das Fahrzeug wurde am 24. November 2006 unrepariert um 100.000 EUR ohne USt verkauft.

Der dem Kläger durch den Ausfall des beschädigten Pumpenfahrzeugs erwachsene Verdienstentgang von 36.180 EUR ist im Revisionsverfahren der Höhe nach nicht mehr strittig.

Der Kläger begehrte 58.090 EUR sA und brachte vor, der Zweitbeklagte sei zur Verkehrsanhaltung nicht berechtigt gewesen, er habe auch keine weiteren Absicherungen oder Warnmaßnahmen ergriffen. Solche wären leicht durchführbar und zumutbar gewesen, allenfalls hätte über die Verkehrsbeeinflussungsanlage der Verkehr in sicherer Entfernung vor dem Zweitbeklagten gestoppt werden können. Die Erstbeklagte hafte als Halterin der mautpflichtigen A12 für das Verschulden des Zweitbeklagten als Erfüllungsgehilfen. Die unberechtigte Verkehrsanhaltung durch den Zweitbeklagten sei unfallkausal. Der Schaden am Klagsfahrzeug errechne sich aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert vor dem Unfall (180.000 EUR) und dem Verkaufserlös von 100.000 EUR, woraus sich ein Schaden von 80.000 EUR errechne. Mit dem Verdienstentgang betrage der Gesamtschaden somit 116.180 EUR. Unter Anerkennung des halben Mitverschuldens (des Lenkers des Klagsfahrzeugs) ergebe sich der Klagsbetrag.

Die Erstbeklagte wandte ein, der Lenker des Klagsfahrzeugs habe eine überhöhte Geschwindigkeit und keinen ausreichenden Tiefenabstand eingehalten und auf die vor ihm angehaltene Kolonne nicht reagiert. Er trage daher das Alleinverschulden am Unfall. Die Verkehrsanhaltung durch den Zweitbeklagten sei gemäß § 90 Abs 2 StVO zulässig gewesen. Der Lenker des Klagsfahrzeugs habe schon aufgrund des Verkehrszeichens „Baustelle" mit Hindernissen rechnen müssen.

Der Zweitbeklagte wandte ein, er sei für den Straßenerhalter tätig und somit gemäß § 44b StVO auch zu Anhaltungen berechtigt gewesen, insbesondere da es sich um Bodenmarkierungsarbeiten gehandelt habe. Das Alleinverschulden am Unfall trage der Lenker des Klagsfahrzeugs, der zu schnell und nicht auf Sicht gefahren sei und keinen ausreichenden Abstand eingehalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den bereits wiedergegebenen Sachverhalt fest und vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Ansicht, der Zweitbeklagte könne sich nicht auf § 44b StVO berufen, weil diese Bestimmung auf - hier nicht vorliegende - Elementarereignisse, unvorhersehbar aufgetretene Gebrechen oder unvorhersehbar eingetretene Ereignisse abstelle. Der Zweitbeklagte habe aber Vermessungsarbeiten im notwendigen Zusammenhang mit der Anbringung von Bodenmarkierungen ausgeführt. Er falle daher unter die Privilegierung des § 90 Abs 2 StVO und sei daher zur Verkehrsanhaltung berechtigt gewesen. Weitere Sicherungsmaßnahmen seien im Hinblick auf den geraden Verlauf der Fahrbahn und die Übersichtlichkeit der Strecke nicht notwendig gewesen. Mit der sorglosen Fahrweise des Lenkers des Klagsfahrzeugs habe der Zweitbeklagte nicht rechnen müssen. Ein allfälliges diesbezügliches Verschulden des Zweitbeklagten sei zu vernachlässigen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren mit 40.590 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst folgendermaßen aus: Die gegenständlichen Vermessungsarbeiten fielen unter § 90 Abs 2 StVO. Die nach dieser Bestimmung iVm § 98 Abs 2 StVO gegebene Verpflichtung, eine auffällige Schutzausrüstung zu tragen, habe der Zweitbeklagte eingehalten. Aus § 90 Abs 2 StVO lasse sich jedoch entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts nicht das Recht eines Vermessungstätigkeiten durchführenden Arbeiters ableiten, eine Verkehrsanhaltung vorzunehmen. Vielmehr seien damit im Zusammenhang stehende Verkehrsverbote oder -beschränkungen von der Behörde als Verordnung zu erlassen, wie dies im Übrigen auch bei Bodenmarkierungsarbeiten selbst der Fall sei. Dass die Beklagten im Zuge der gegenständlichen Straßenbauten von der Behörde mit der Regelung des Verkehrs auf den in Betracht kommenden Straßenteilen vorübergehend im Sinn des § 97 Abs 3 StVO beauftragt worden wären, sei von den Beklagten nicht behauptet worden. Die Erstbeklagte habe im Rahmen ihres Auftragsverhältnisses zur Firma S***** für das gegen § 97 Abs 3 StVO verstoßende Fehlverhalten des Zweitbeklagten, das adäquat kausal für den Schaden sei, gemäß § 1313a ABGB einzustehen. Diesem Verschulden auf Beklagtenseite stehe auf Klagsseite eine um etwa 10 % überhöhte Fahrgeschwindigkeit und eine nicht unbeträchtliche Reaktionsverzögerung gegenüber. Bei Gewichtung der beiderseits zurechenbaren Verstöße sei eine Verschuldens- und Schadensteilung von 1:1 angemessen. Selbst wenn man von einem Reparaturaufwand für das Klagsfahrzeug an der Obergrenze des festgestellten Bereichs (60.000 EUR) ausginge, wäre die Reparatur wirtschaftlich noch zweckmäßig gewesen. Nach der Rechtsprechung bestehe Anspruch auf geldmäßigen Ersatz der Reparaturkosten ohne Rücksicht darauf, ob der Geschädigte diese vornehmen lasse oder das Fahrzeug im beschädigten Zustand veräußere und welchen Erlös er dabei erziele. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf den Reparaturaufwand, der gemäß § 273 ZPO mit 45.000 EUR als arithmetisches Mittel zwischen 30.000 und 60.000 EUR (festgestellte Bandbreite des möglichen Reparaturaufwands) festgesetzt werde. Mit dem Verdienstentgang von 36.180 EUR betrage der dem Kläger erwachsene Gesamtschaden daher 81.180 EUR, wovon aufgrund des halben Mitverschuldens auf Klagsseite die Hälfte zuzusprechen sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage, ob ein mit Vermessungstätigkeiten (oder kurzfristig dringenden Reparaturen) beauftragter Arbeiter auf einem mit dem Gefahrenzeichen „Baustelle" ausgewiesenen Straßenabschnitt berechtigt sei, eigenmächtig, also ohne behördliche Genehmigung, eine Verkehrsanhaltung vorzunehmen, oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen der beiden Beklagten jeweils mit dem Antrag, das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

In den Revisionsbeantwortungen beantragt der Kläger, die jeweilige Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen der Beklagten sind aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig, sie sind teilweise berechtigt.

Beide Revisionswerber rügen als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, im vorliegenden Fall hätte § 273 ZPO zur Bemessung der fiktiven Reparaturkosten des Klagsfahrzeugs nicht angewendet werden dürfen. In beiden Rechtsrügen wird die Ansicht vertreten, der Zweitbeklagte sei im Rahmen des § 90 Abs 2 StVO zu (kurzen) Verkehrsanhaltungen berechtigt gewesen. Die Erstbeklagte bringt weiter vor, selbst wenn man ein Fehlverhalten des Zweitbeklagten bejahte, wäre es gegenüber dem Verschulden des Lenkers des Pumpenfahrzeugs vernachlässigbar. Der Zweitbeklagte bringt überdies vor, der vom Berufungsgericht herangezogene § 97 Abs 3 StVO sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zu den Rechtsrügen wurde erwogen:

Zunächst kann aus den festgestellten Bescheiden der Tiroler Landesregierung eine Befugnis des Zweitbeklagten zur Verkehrsanhaltung nicht abgeleitet werden, beinhalten sie doch nur die Bewilligung zur Verkehrsführung und Beschilderung, nicht aber die Erlaubnis, eine Richtungsfahrbahn zur Gänze zu sperren.

Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Privilegierung von Vermessungsarbeiten in § 90 Abs 2 StVO nicht auch Verkehrsanhaltungen umfasst.

Eine einschlägige Regelung findet sich in § 37 StVO: Hält ein auf der Fahrbahn stehender Verkehrsposten einen Arm senkrecht nach oben, so gilt dies als Zeichen für „Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge vor dem Verkehrsposten anzuhalten (§ 37 Abs 1 Satz 1 und 2 StVO). Verkehrsposten sind gemäß § 36 Abs 2 Satz 1 StVO Organe der Straßenaufsicht, die nach dieser Bestimmung unter den dort angeführten Voraussetzungen Armzeichen zu geben haben.

Als Organe der Straßenaufsicht nennt § 97 Abs 1 StVO „insbesondere" solche der Bundespolizei oder der Gemeindewachkörper. Die Möglichkeit, Private - wie hier etwa den Zweitbeklagten - durch Beleihung mit behördlichen Aufgaben zu betrauen, sieht § 97 Abs 3 StVO vor (Pürstl, StVO12 § 97 Anm 9; Dittrich/Stolzlechner, StVO § 97 Rz 1). Danach kann die Behörde bei Gefahr in Verzug, wie zum Beispiel bei Bränden oder Unfällen, oder in besonderen Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei Straßenbauten, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, außer den Organen der Straßenaufsicht auch andere geeignete Personen mit der Regelung des Verkehrs auf den in Betracht kommenden Straßenteilen vorübergehend betrauen.

Entgegen der Rechtsansicht des Zweitbeklagten ist diese Norm durchaus auf den vorliegenden Fall anwendbar, sieht sie doch diese Betrauung ausdrücklich auch bei - hier vorliegenden - Straßenbauten vor. Der Zweitbeklagte wäre daher nur im Fall einer Betrauung durch die Behörde gemäß § 97 Abs 3 StVO zur Regelung des Verkehrs (und damit zu Anhaltungen) oder zu Anordnungen gemäß § 97 Abs 4 StVO berechtigt gewesen. Da eine derartige Betrauung nicht feststeht und von den Beklagten gar nicht behauptet wurde, war der Zweitbeklagte zur gegenständlichen Verkehrsanhaltung nicht berechtigt, zu welchem Ergebnis bereits das Berufungsgericht gelangte.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1:1 wird vom erkennenden Senat aber nicht gebilligt. Das Verschulden des Lenkers des Klagsfahrzeugs besteht in einer um 10 % absolut überhöhten Geschwindigkeit und einer Reaktionsverspätung von mindestens 1,5 Sekunden, sodass er im Gegensatz zu den Lenkern der vier vorderen Fahrzeuge nicht mehr rechtzeitig anhalten konnte. Demgegenüber wiegt die rechtswidrige Verkehrsanhaltung des Zweitbeklagten geringer, durfte er doch angesichts der deutlichen Kennzeichnung der Baustelle und der verordneten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit entsprechend langsamen und aufmerksamen Lenkern rechnen. Auch war die Rechtslage in der gegebenen Situation für ihn nicht so leicht überblickbar (noch das Erstgericht hatte sie anders eingeschätzt).

Der Senat hält daher eine Verschuldensteilung von 1:3 zulasten des Klägers für angemessen. Daraus ergibt sich die spruchgemäße Abänderung.

Die Kostenentscheidung gründet sich für alle Instanzen auf § 43 Abs 1 (iVm § 50) ZPO.

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